Mutters Agenda Set of 13 volumes
Mutters Agenda 1971 1979 Edition
German Translation
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ABOUT

Others too had to understand Her secret - her own disciples, Nations. Will she be heard? Will she be allowed to pursue her experience? '... The body knows that the work will go on and on and on...'

Mutters Agenda 1971

The Mother symbol
The Mother

The last turning point of Mother's yoga, and she comes out of it with this cry: "I have walked a long, long time. There was nothing but a constant cry, as if everything were torn away from me. It was the whole problem of the world." And this Agenda is more and more strewn with heartrending little cries. It was not enough to have found the secret for herself, the others too had to understand, her own disciples, Nations locked in their egoistic power: "They have no faith! 'She is old, she is old', an atmosphere of resistance to the change; 'it is impossible, impossible' from all sides.... Not a single minute should be wasted - I am in a hurry.... The reign of the Divine must, oh, must come!.... If the entire Russian block were to turn to the right side, that would be an enormous support! The victory is certain, but I don't know which path will be followed to reach it.... We must cling, cling so tightly to Truth.... They don't listen to me any more." She is 93, groping her way into the unknown: "I see more clearly with eyes closed than with eyes open, and it is a physical vision, purely physical, but a kind of physical that seems more complete. The consciousness of the cells is what has to change, all the rest will follow naturally! I have the feeling I am on my way to discovering the illusion that must be destroyed so that physical life may go on uninterrupted - death is the result of a distortion of consciousness." Will she be heard? Will she be allowed to pursue her experience? "Only a violent death could halt the transformation; otherwise the body knows that the work will go on and on and on...." And this cry again: "There will be a miracle! But what, I don't know."

L’Agenda de Mère L’Agenda de Mère 1971 Editor:   Satprem 399 pages 1981 Edition
French
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The Mother symbol
The Mother

The last turning point of Mother's yoga, and she comes out of it with this cry: "I have walked a long, long time. There was nothing but a constant cry, as if everything were torn away from me. It was the whole problem of the world." And this Agenda is more and more strewn with heartrending little cries. It was not enough to have found the secret for herself, the others too had to understand, her own disciples, Nations locked in their egoistic power: "They have no faith! 'She is old, she is old', an atmosphere of resistance to the change; 'it is impossible, impossible' from all sides.... Not a single minute should be wasted - I am in a hurry.... The reign of the Divine must, oh, must come!.... If the entire Russian block were to turn to the right side, that would be an enormous support! The victory is certain, but I don't know which path will be followed to reach it.... We must cling, cling so tightly to Truth.... They don't listen to me any more." She is 93, groping her way into the unknown: "I see more clearly with eyes closed than with eyes open, and it is a physical vision, purely physical, but a kind of physical that seems more complete. The consciousness of the cells is what has to change, all the rest will follow naturally! I have the feeling I am on my way to discovering the illusion that must be destroyed so that physical life may go on uninterrupted - death is the result of a distortion of consciousness." Will she be heard? Will she be allowed to pursue her experience? "Only a violent death could halt the transformation; otherwise the body knows that the work will go on and on and on...." And this cry again: "There will be a miracle! But what, I don't know."

Mutters Agenda - German translation of Mother's Agenda Mutters Agenda 1971 1979 Edition
German Translation
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Mother's Agenda 1971 Conversations with Satprem

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3. Januar 1971

(An diesem Tag zogen alle Schüler schweigend an Mutter vorbei,
die immer noch krank war und auf ihrem Sofa lag.)

 

1971.gif

1971

Gesegnet sind jene,
die einen Sprung in die Zukunft wagen.

***

11. Januar 1971

(Der folgende Text war von einer Schülerin aus dem Gedächtnis aufgezeichnet worden und betrifft die Krankheit, die Mutter seit fast eineinhalb Monaten durchgemacht hat.)

Das physische Sehen erfordert eine viel stetigere Konzentration. Das physische Sehen dient dazu zu stabilisieren. Es verleiht den Dingen Dauer. Dasselbe gilt für das Hören. Wenn diese beiden Sinne nicht mehr da sind, wird man sich der Sache direkt bewußt und erhält so die wahre Erkenntnis. Sicherlich wird das Supramental auf diese Weise funktionieren.

Das physische Sehen und das Gehör wurden in den Hintergrund versetzt, um für die Identifikation durch das Bewußtsein Platz zu machen, für das Wachsen des Bewußtseins.

Jetzt entsteht die Beziehung und das Wissen durch das Bewußtsein, das sich mit der Sache oder der Person identifiziert. Anstatt das normale Gefühl der Trennung zu haben, spürt man eine ständige Einheit. Das ergibt sehr interessante Erfahrungen. Leute rufen mich innerlich und denken an mich - dies tritt in mein Bewußtseinsfeld ein. Nach einer Weile berichtet man mir dann: "Diese Person ist angekommen" oder "jener Person ist etwas zugestoßen", und ich antworte: "Ich weiß." Im Augenblick des Geschehens hat man mir noch nichts gesagt, aber mir war es bewußt, als sei es einem Teil meiner selbst geschehen.

***

16. Januar 1971

(Wir hatten Mutter seit dem 2. Dezember nicht gesehen. Dies war die letzte Wende in ihrem Yoga, ähnlich der von 1962 und der von 1968. Ihre Stimme ist schwach und stockend und verliert sich in einem Murmeln, dennoch ist ihr Lachen frisch wie das eines jungen Mädchens.)

Ich freue mich, dich zu sehen.

Guten Tag, liebe Mutter ...

Geht es besser?

Ja, liebe Mutter. Ich habe dich lange nicht gesehen ...

Ja ... Ein Bein war lange gefühllos - jetzt erst fängt es an, sich wieder zu beleben - gelähmt. Dieses Bein [das linke]. Natürlich wurde dadurch alles schwierig ... Ich hatte auch einen Darmabszeß. Das war ernsthafter, dauerte aber nicht sehr lange. Was mich besonders festnagelt, ist dieses gelähmte Bein (Mutter berührt ihr linkes Bein), der untere Teil, vom Knie bis zur Ferse. Dadurch wird man natürlich zum Idioten.

Ach!

Man kann nichts mehr tun.

Dies bedeutet doch, daß viel Arbeit geleistet wird, oder?

Bemerkenswert war (das will ich dir sofort sagen), daß das Bewußtsein hier (Geste über dem Kopf) immer stärker und klarer geworden ist. Und dies ist BESTÄNDIG. Ich habe weiter gearbeitet - nicht nur für Indien sondern für die Welt, mit einer aktiven Verbindung (ich wurde "um Rat gebeten", verstehst du).

Was die Transformation betrifft, ich weiß nicht ... Was ich über "das Ersetzen des Bewußtseins" erklärt hatte [die Übertragung], vollzieht sich methodisch - methodisch, andauernd -, aber mit ... scheinbaren Schäden oder jedenfalls zeitweilig mit einer großen Verminderung der Fähigkeiten. Doch ein seltsames Phänomen zeigt sich für das Sehen und das Hören: Von Zeit zu Zeit ist es so klar, wie es nur sein kann, und dann ist es wieder völlig verschwommen. Das hat ganz offensichtlich einen anderen Ursprung - es unterliegt einem anderen Einfluß. Aber ich glaube, es wird Monate dauern, bis ich wieder klar sehen kann. Jedenfalls hat das allgemeine Bewußtsein (Geste über den Kopf), das, was man das universale Bewußtsein nennen könnte (jedenfalls das irdische), keine Minute geschwankt - keine Minute. Es blieb die ganze Zeit. Doch man wird völlig unfähig; du weißt, wie es ist, wenn man zu nichts nutze ist: man ist unfähig, man kann nicht vom Stuhl zum Bett gehen, man kann nichts tun - ein Bein fällt aus. Auch jetzt noch kann ich nicht allein gehen, man muß mich ständig stützen.

Das wird wiederkommen, liebe Mutter.

Es ist dabei, wiederzukommen. Es kommt allmählich wieder. Eine Zeitlang war das Bein fast vollständig abgestorben: eiskalt. Die Durchblutung stockte. Etwas hatte die Zirkulation blockiert. Jetzt geht es besser, es belebt sich wieder.

Nur dachte ich ans Bulletin; wir können das Bulletin nicht einfach so lassen. Hast du etwas vorbereitet?

Ja, es ist ganz fertig, ich habe es sogar schon der Druckerei gegeben.

Ach! Was hast du ihnen denn gegeben?

Hier nimm ...

(Mutter gibt Päckchen mit Trockensuppe)

Danke, liebe Mutter ... Zuerst "Die Synthese des Yoga" (das Kapitel über "Die Befreiung des Geistes"), danach "Gespräche mit Pavitra", dann "Gedanken und Aphorismen" von dir kommentiert, und "Mutter antwortet", und schließlich zwei alte Entretiens von 1953 ...

Oh. Das ist ... [alt].

Aber sie sind sehr interessant.

Wovon handeln sie?

Zum Beispiel fragt man dich, warum du, um die Arbeit hier auszuführen, nicht besser qualifizierte Schüler hast?

(Mutter lacht sehr, ihr Lachen ist so frisch)

Das ist eine strenge Kritik!

Du antwortest: Wenn du sehr "vollendete" Wesen hättest, würden sie sich wahrscheinlich deinem Einfluß mehr widersetzen.

(Mutter nickt)

Hast du gesehen, was Z notiert hat? [die Notiz vom 11. Januar 1971]

Ja, liebe Mutter, ich habe es gesehen.

Was hältst du davon?

Ich dachte, daß es wahrscheinlich so sein muß: Eine neue Funktionsweise stellt sich ein.

Ja, eine neue Funktionsweise. Das ist interessant. Ich dachte nämlich, ich könnte es dir vielleicht erklären, wenn du mir ein, zwei Fragen stelltest. In dem Fall könnten wir vielleicht etwas daraus zusammenstellen [für das Bulletin], damit die Leser nicht ganz den Faden verlieren.

Deine Wahrnehmung der Wesen und Ereignisse hat sich verändert? Deine Art wahrzunehmen hat sich verändert?

Ja, völlig - völlig. Das ist sehr seltsam ...

Im Grunde wurde die ganze Zeit dazu benutzt, das Bewußtsein des physischen Wesens zu entwickeln. Anscheinend wurde dieses physische Wesen (Mutter berührt ihren Körper) wirklich für ein anderes Bewußtsein vorbereitet, denn manche Dinge ... Seine Reaktionen sind jetzt völlig anders, seine Haltung ist anders. Ich machte eine Zeit völliger Gleichgültigkeit durch, wo die Welt nichts mehr repräsentierte ... nichts mehr bedeutete. Und dann entwickelte sich daraus allmählich etwas wie eine neue Wahrnehmung.

Das ist noch dabei, sich zu entwickeln.

Aber ich dachte, wir könnten im Bulletin eine Notiz mit Anhaltspunkten zu den verschiedenen Zeitabschnitten einfügen, denn sonst, wenn man abrupt und ohne Zwischenstufe vom Gewesenen zum Zukünftigen - zu dem, was meiner Empfindung nach sein wird - überginge, wäre das sehr schwierig zu verstehen.

Welchen Eindruck macht diese Notiz auf dich?... Das interessiert mich, denn ich hatte ja mit niemandem Kontakt: Es traf sich, daß Z gerade das Zimmer reinigte, und die anderen kümmerten sich - dienten mir als Beine, damit ich handeln konnte. Das war völlig materiell: sie brachten mich vom Stuhl auf einen Sessel oder vom Sessel zum Bett ... wie bei einem Kind - schlimmer noch, denn der ganze übrige Körper ist normal, aber das eine Bein war eine Zeitlang ... wie ausgeschaltet, als sei nichts mehr da. Ganz allmählich kam es zurück. Das war die letzte Periode. Aber es war keine harmlose Lähmung: während mindestens drei Wochen war da ein ununterbrochener Schmerz, Tag und Nacht, ohne Unterlaß. Es war, als würde mir alles ausgerissen ... Ich habe nicht die Angewohnheit, mich zu beklagen, aber da mußte ich die ganze Zeit fast schreien. Natürlich stand es außer Frage, Leute zu empfangen. Jetzt ist es vorbei. Der Schmerz ist durchaus erträglich geworden, und der Körper hat zu einem einigermaßen normalen Dasein zurückgefunden.

Aber ich wollte dir sagen, daß mein Bewußtsein ständig aktiv bei dir war; ich sagte mir: Wenn er es spürt, um so besser; wenn er es nicht spürt, ... macht es nichts [[Mutter will sagen, daß es trotzdem wirkt. ]] .

Ich spürte sehr stark die Macht.

Ja, genau das ist es.

Und zwar sehr unmittelbar.

Dann ist es gut.

Ich dachte vor allem, wenn es in deine Beine hinabgestiegen ist, bedeutet das, daß es jetzt vollkommen in die Materie hinabgedrungen ist.

Ja, genau! Ich faßte das auch so auf. Es handelte sich nicht nur um das Bein, sondern um den unteren Teil des Beines (Mutter deutet auf ihre Füße). Das andere (Mutter berührt ihr rechtes Bein) wäre beinahe auch befallen worden, aber an dem Tag, als das geschah, konzentrierte ich mich schrecklich, ich ging lange, lange auf und ab, um zu verhindern, daß es auch erfaßt wurde. Und ich konnte verhindern, daß es befallen wurde. Nur dieses [das linke] wurde betroffen.

Aber der gesamte Körper ist überhaupt nicht mehr der gleiche. Zum Beispiel, was die Nahrung betrifft: Ich habe absolut keinen Hunger - absolut. Zu einem bestimmten Augenblick empfand ich sogar eine Art Ekel vor der Nahrung - das war sehr schwierig, denn die andern wollten mich trotzdem zwingen zu essen [[Dieses Problem wird sich immer mehr zuspitzen. Man hörte oft bis in den Hof des Ashrams die Stimme derer, die sagten: "Iß, Mutter! Das ist gut, das ist gut ..." wie man zu einem Kind oder einem senilen Kranken spricht. Man ließ sie niemals die Erfahrung machen. ]] . Essen erschien mir wie etwas ... Sonderbares, das keinen Sinn hatte, absolut, als hätte ich nie in meinem Leben gegessen. Durch eine Art Anstrengung gelang es mir, weiterhin wenigstens das aufnehmen zu können, was man als unabkömmlich (lachend) ansieht, um den Körper am Leben zu erhalten.

Es wäre beinahe ernst geworden, als ich einen Darmabszeß bekam. Da stand es natürlich außer Frage zu essen ... Aber ich bemerkte, wie all diese Dinge, die sogenannten Katastrophen oder Unglücksfälle oder Mißgeschicke oder Schwierigkeiten oder ... wie all das GENAU richtig kommt, um einem zu helfen ... GENAU wie es sein muß, um zu helfen. Alles, was in der physischen Natur noch zur alten Welt, zu ihrer Gewohnheit, ihren Handlungs-, Seins- und Verhaltensweisen gehörte, all das konnte nur auf diese Weise berührt werden: durch die Krankheit.

Der Darmabszeß machte den Ärzten Angst. Hätte er sich zur falschen Seite geöffnet, wäre es sehr schwierig gewesen - der normale Verlauf ist eine Operation, deshalb ... Das machte den Ärzten Angst. Aber sie zeigten nichts, ich wußte es nicht - ich erfuhr erst dann von dem Abszeß, als er schon geheilt war (genauer gesagt: als er dabei war zu heilen).

Ich kann nicht sagen, es sei uninteressant gewesen.

Ich bewahrte den Kontakt mit allen (selbst physisch) - ich weiß nicht, wer bewußt blieb und wer nicht, aber ich hielt den Kontakt mit allen aufrecht, besonders mit dir; mit dir hatte ich den Eindruck, als sei nichts unterbrochen worden, als sähe ich dich regelmäßig, als hätte nichts aufgehört. Auch Sujata sah ich. Dies hängt von der Empfänglichkeit der Leute ab. Ich hatte in keiner Weise den Eindruck einer Unterbrechung in der Beziehung oder was auch immer - ganz und gar nicht. Und nur ... im Grunde sagte ich mir erst vorgestern: "Halt, es muß Zeit für das Bulletin sein. Vielleicht wäre es besser, ich erkundige mich, was er vorbereitet hat ..." Da war diese Notiz von Z ... (wie soll ich sagen?) Sie war das Ergebnis von etwas und auch der Beginn von etwas, auf eine sehr präzise Weise. Ich wußte es nicht im voraus, Z war gerade anwesend und putzte das Zimmer, so sprach ich zu ihr, und nachdem ich es ihr gesagt hatte, dachte ich, wir könnten das vielleicht verwenden.

Ich weiß nicht, wie sie es notierte, ob es verständlich ist ...

Ja, es ist verständlich.

Erschien es dir verständlich?

Ja, du sagtest, daß die gesamte Funktionsweise des Sehens und des Hörens wahrscheinlich unterdrückt worden sei, damit du das direkte Bewußtsein der Dinge erlangst, ohne über die Sinnesorgane zu gehen.

Ja, aber diese Notiz gehört schon der Vergangenheit an, denn ich fing an, wieder zu sehen, jedoch auf eine andere Weise. Ich fing wieder an, zu sehen und zu hören.

Im Grunde siehst und hörst du der Notwendigkeit entsprechend.

Oh, ja, das ist ganz eindeutig! Was für mich notwendig ist zu hören, höre ich, selbst wenn es nur ein leises Geräusch ist, während ich alle Geräusche der Unterhaltungen und alle Dinge, die viel Lärm machen, überhaupt nicht höre ... Etwas hat sich geändert. Aber da ist noch etwas Altes - das heißt, es hat alte Angewohnheiten. Glücklicherweise war ich nie ein Gewohnheitsmensch ... Ja, (lachend) man könnte sagen, da ist wie etwas Verhärtetes, das sich jetzt ändert. Es fehlt noch die Geschmeidigkeit, die Leichtigkeit. Aber die Änderung ist da - die Änderung ist offensichtlich. Ich habe mich SEHR verändert, sogar mein Charakter, mein Verständnis, meine Schau der Dinge - sehr, sehr. Eine ganze Neuanordnung.

Ich wußte nur nicht, ob es ein Mittel gab, diese Notiz auf eine für die Leute verständliche Art zu präsentieren.

Ja, liebe Mutter, das ist durchaus möglich, indem wir hinzufügen, was du heute gesagt hast.

Kann man das arrangieren?

Ja, liebe Mutter.

Gut. Es geht nur darum, die Leute nicht ganz fallenzulassen: plötzlich nichts mehr. Nachher hat man sich soweit entfernt, daß sie nichts mehr verstehen können. Deshalb dachte ich, du könntest vielleicht etwas zusammenstellen - es braucht nicht lang zu sein.

Ich bin froh, daß du meine Gegenwart gespürt hast, denn für mich war das etwas Offensichtliches ...

Geht es dir gut?

Ja, liebe Mutter, sehr gut.

Gesundheitlich?

Ja, ja, liebe Mutter.

Ist deine Mutter angekommen?

Ja, sie ist da.

Ist sie zufrieden?

Sehr.

Wie lange will sie bleiben?

Bis zum Ende des Monats.

Dann werde ich sie vor ihrer Abreise sehen.

Ach, liebe Mutter, vor ihr mußt du so viele Leute sehen!

Ein Ergebnis ist jedenfalls, daß ich mich von allen Regeln und Verpflichtungen befreit fühle (allgemeines Gelächter). Das war das Hauptergebnis von all dem. Jegliches "man muß dies tun", "man muß jenes tun..." - verschwunden!

Das Prinzip des neuen Bewußtseins ist sicherlich, daß die Dinge genau zum notwendigen Zeitpunkt geschehen, sonst nichts.

Ja, ja.

Es gibt keine Pläne und Vorgefühle.

Ja, ja, so ist es.

(Mutter betrachtet weiter)

Die Welt ist in einem schrecklichen Zustand.

Aber ich fühlte noch nie so sehr wie jetzt, daß es nahe ist.

Ja, ja, das ist richtig. Ja.

Ich habe das Gefühl, daß es ganz nahe ist.

Ja, ja, ganz nahe.

Nun, mein Kind, ich werde dich sehen, wenn du es für notwendig hältst.

Ich könnte dir vorlesen, was ich für das Bulletin vorbereiten werde. Heute ist Samstag ... Wann du möchtest.

Wann wird es fertig sein?

Es kann morgen fertig sein, liebe Mutter.

Dann komm morgen, das ist besser für die Druckerei.

Ich freue mich, dich zu sehen ...

(Mutter nimmt Satprems Hände)

Du (sich zu Sujata wendend), weißt du, daß ich ständig bei dir war? Weißt du es? (Mutter deutet mit dem Finger auf Sujatas Nasenspitze) Ach!...

(Mutter betrachtet Sujata einen Moment und fährt dann fort)

Eine ganze Zeitlang war ich absolut unzugänglich, denn ich litt ununterbrochen: da taugt man nichts - andauernd, andauernd. Man könnte sagen, ich war die ganze Zeit nur ein Schrei. Das dauerte lange. Mehrere Wochen (ich habe nicht gezählt). Allmählich wechselte es dann ab mit Augenblicken der Ruhe, wo das Bein nicht schmerzte. Erst seit zwei, drei Tagen scheint es in Ordnung zu kommen ... Das war so sehr ... wie das ganze Problem der Welt - eine Welt, die nur noch Schmerz und Leiden war und ein großes Fragezeichen: Warum?

Ich versuchte alle die Heilmittel, zu denen man sonst greift: den Schmerz in Freude zu verwandeln, die Empfindungsfähigkeit zu unterdrücken, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen ... Ich versuchte alle "Tricks" - kein einziger wirkte. Etwas in der physischen Welt in ihrer gegenwärtigen Verfassung ist nicht ... (wie soll ich das erklären?) ist noch nicht offen für die göttliche Schwingung. Und dieses "Etwas" schafft all die Übel ... Das göttliche Bewußtsein wird nicht wahrgenommen. Es gibt eine Vielzahl imaginärer Dinge (aber sehr real in der Empfindung), die da sind, und das einzig Wahre wird nicht wahrgenommen ... Doch es geht besser. Es geht besser.

Das ist wirklich interessant. Ich glaube, etwas wurde in allgemeiner Hinsicht erreicht (Mutter macht eine Geste des Durchknetens); es war nicht nur die Schwierigkeit eines Körpers, einer Person: ich glaube, etwas wurde getan, um die Materie vorzubereiten, angemessen zu empfangen - als hätte sie früher immer verkehrt empfangen, und nun hat sie gelernt, auf die wahre Art zu empfangen.

Das wird kommen. Ich weiß nicht, ob es Monate oder Jahre dauern wird, bis die Sache ... klar wird. Dann wird es geheilt werden können.

Auf Wiedersehen, mein Kind. Ich bin sehr froh, dich wiederzusehen.

Du, mein Kind (sich Sujata zuwendend), ich habe das Gefühl, daß ich dich sah: ich sah dich jeden Tag und stellte dir Fragen.

Ich war ständig da, liebe Mutter.

Ja, ich hatte ganz und gar den Eindruck ... als sagte ich dir: "Hier, gib mir das, tue das ..." Sehr interessant. Du bist ein liebes Kind.

(Im Augenblick des Weggehens bringt Mutters Assistentin
eine von Mutter geschriebene Notiz)

Ich erinnere mich nicht mehr, was es ist.

Es ist eine Botschaft, die du am Radio gegeben hast.

Ja, es war für das Radio - man hatte mich darum gebeten.

(Satprem liest)

Wir wollen Botschafter des Lichts und der Wahrheit sein.

Eine Zukunft der Harmonie wartet darauf, der Welt verkündet zu werden.

Ja, das ist gut.

Sie haben es gesendet. (Lachend) Erst schickten sie es nach Delhi: anstatt es hier zu übertragen, schickten sie es nach Delhi. Deswegen gab es einiges Aufheben. Aber es ist gut, das gibt den Leuten Mut.

Ja, liebe Mutter. Ich weiß nicht, ich habe das sehr starke Gefühl, daß es ganz nahe ist.

Ja.

Genau das fühle ich.

Ja, du hast recht. Du hast recht. Ich finde, man muß völlig blind sein, um das nicht zu sehen. Es ist so offensichtlich.

Auf Wiedersehen, liebe Mutter!

Bis morgen, mein Kind.

(Mutter streichelt Sujata)

***

17. Januar 1971

(Satprem liest Mutter einige Auszüge aus dem gestrigen Gespräch vor, welche im "Bulletin" veröffentlicht werden sollen. Mutters Stimme ist wie ein langes Stöhnen, aber ihr Lachen bricht immer wieder durch, als sei das Lachen die einzig wahre physische Sache geblieben.)

Es ist gut, du hast genau das Nötige getan. Genau so ist es, du hast es richtig gesagt.

Es war wirklich nicht umsonst. [[Diese lange Leidenszeit. ]]

(Schweigen)

Ich habe so sehr den Eindruck - so stark und klar -, daß der Kontakt ständig BEWUSST war (mit Satprem). Ein bewußter Kontakt. Als machten wir eine gemeinsame Anstrengung, um zu einem Verständnis der Dinge zu gelangen - die Umstände sind da, um uns zu helfen und unser Verständnis zu fördern.

Selbst, als ich äußerlich so litt und die Leute dachten, ich sei völlig im Bann meines Leidens, beschäftigte es mich nicht. Ich kann das nicht erklären ... Ich sah wohl, daß der arme Körper nicht gut dran war, aber es bekümmerte mich nicht. Ständig war da der Eindruck dieser Wahrheit, die verstanden und manifestiert werden muß.

Ich fragte mich: "Wie kommt es, daß so viele Tage vergangen sind, ohne dich zu sehen?" Dabei hatte ich den Eindruck, ständig bei dir zu sein. Das war klar - so klar und stark, sehr stark ... Ein völlig natürliches Gefühl - nicht gesucht, nicht das Ergebnis einer Anstrengung, nichts: völlig natürlich; das Gefühl, daß wir dort zusammen waren (Geste oberhalb des Kopfes), genau über dem Kopf. Und was du da gelesen hast, ist exakt das, was ich hätte sagen können.

Es sind deine Worte.

Das ist sehr gut. Ich bin froh.

Es war zu etwas da.

(Mutter nimmt Satprems Hände)

Nun ... Ich weiß nicht, ich kann dich an einem Morgen sehen, wenn es nötig ist - du brauchst es mir nur zu sagen.

Du mußt es mir sagen! Sag mir Bescheid, wenn du denkst ...

Ich ... weißt du, dem Anschein nach (allem Anschein nach!) bin ich ein armes kleines Bündel geworden (lachend), dem es schlecht geht. Es ist nicht vorbei. Es gibt noch lange Stunden, wo es weh tut. Es ist noch nicht vorbei. Deshalb ... Der Anschein ist völlig wahr: eine Art schmerzliches Bündel. Aber das spielt keine Rolle; wenn du mir sagst: "Ich muß dich sehen" oder "Ich muß dich etwas fragen" oder ... dann werde ich "ja" sagen und dich rufen. Das wäre angenehmer für mich.

Das würde ich niemals wagen.

Ich kann nichts organisieren, denn ...

Ja, liebe Mutter, ja.

Denn ich bin noch eine ... viertel Person.

Liebe Mutter, wann immer du es für nötig hältst, ruf mich.

Wenn das Bulletin fertig ist, kommst du jedenfalls und zeigst es mir.

Auf Wiedersehen.

(Satprem geht fort,
Mutter nimmt Sujatas Hände)

(Lachend) Ich habe Satprem deine Blumen gegeben ... so bekommst du nichts.

Ich habe deine Hände, liebe Mutter!

Geht es dir gut, mein Kind?

Ja, liebe Mutter.

Du hattest etwas, das nicht in Ordnung war (Geste zur Brust), ist es vorbei?

Es ist fast vorbei.

Nur fast ... Hustest du?

Nein, liebe Mutter.

(Mutter verweilt konzentriert)

Möchtest du ein kleines Foto haben, um es bei dir zu bewahren, oder hat du schon eines?

Gerne, liebe Mutter.

(Zur Assistentin) Bring mir die Schachtel mit den Fotos!

Etwas, das du hier aufbewahren kannst (an der Brust). Kennst du dieses?

Nein, liebe Mutter.

Du kennst es noch nicht?

(Mutter hält das Foto fest in ihren Händen)

Ich gebe es dir extra, damit du VÖLLIG gesund wirst. Völlig, so daß du keine Beschwerden mehr hast.

Ja, liebe Mutter.

Auf Wiedersehen, mein Kind.

Dann könntest du mir ein Zeichen geben, um mir zu sagen (lachend): "Es wäre gut, wenn du Satprem sähest ..." Ja? (Lachen)

Gut, liebe Mutter.

Wenn du Lust hast, mich zu sehen.

Ich habe immer Lust, dich zu sehen ...

(Lachen) Du kannst immer vorbeikommen und sagen: "Guten Tag, Mutter! Guten Tag, Mutter! Guten Tag ..." (Mutter macht eine kleine Geste mit der Hand)

Gut, Mutter!

Das ist immer möglich. Jetzt ist es nicht wie vorher. Ich habe Zeit.

Auf Wiedersehen, mein Kind.

Ich verlasse dich nicht.

***

23. Januar 1971

(Mutter empfängt Satprem zur Durchsicht der englischen Übersetzung der letzten "Notizen auf dem Weg" für das Bulletin. Nach der Arbeit:)

Liebe Mutter, ich dachte an die Agenda ...

Agenda?...

Verstehst du, wenn ich dich nicht sehe, ist die Agenda leer.

Die Agenda? Welche Agenda?

Die Agenda, alle Notizen über die Arbeit der Transformation.

Ach!... Die gab es schon, aber ... Wenn es nicht zur Veröffentlichung bestimmt ist, dann gibt es ... Unglaublich, was geschehen ist. Aber es ist nicht für die Veröffentlichung.

Es bleibt nur bei mir.

Ich erinnere mich, R gewisse Dinge gesagt zu haben - ich weiß nicht, ob sie ein gutes Gedächtnis hat ... Sie kam, als es gerade passiert war, so sprach ich davon. Aber ich bat sie nicht, es aufzuschreiben, und ich weiß nicht, was sie damit getan hat.

Wenn es eine Kontinuität in der Aufzeichnung dieser ganzen Arbeit geben soll, müßtest du mich von Zeit zu Zeit sehen.

Ja, mein Kind, sehr gern! Verstehst du, ich rief dich nicht, weil ich nicht sprechen konnte. Ich sagte nichts. Meine einzige Möglichkeit, den Schmerz zu beherrschen, war das Schweigen. Jetzt ist es vorbei. Das Bein tut zwar noch weh, aber es ist ganz erträglich.

Ich muß dich sehen ... Ich zögere nur, dich zu rufen, denn an manchen Tagen ... (Geste der Verinnerlichung [[Tatsächlich verbringt Mutter seit dem letzten "Unfall" einen großen Teil ihrer Zeit in tiefer Kontemplation. ]] ).

Aber liebe Mutter, das macht nichts, es spielt keine Rolle!

An manchen Tagen sage ich überhaupt nichts.

Ja, liebe Mutter, ich würde dir einfach zur Verfügung stehen.

Gut, mein Kind.

Wir können still bleiben, und nur, wenn du etwas sagen möchtest, sprichst du.

Gut ... Um diese Zeit. Wir nehmen wieder dieselben Tage - oder möchtest du öfter kommen? Es kann häufiger sein.

Wie du willst, liebe Mutter; früher sah ich dich mittwochs und samstags.

Ja, aber möchtest du dreimal oder ...

Nein, nein, liebe Mutter! Wie du willst; was immer am besten ist.

Ich weiß nicht ... Das ist ganz seltsam, der ganze Sinn für Organisation ist für mich ... (Geste einer Auflösung). Ich könnte irgendwann plötzlich sagen: "Ach, wenn Satprem hier wäre ..." Verstehst du? Es ist eher so, aber das ist nicht praktisch.

Du könntest mich rufen lassen, ich käme sofort.

Ja, aber vielleicht bist du beschäftigt.

Nein, nein, es gibt nichts Wichtigeres!

Hör zu, wir bleiben bei den üblichen Tagen: Mittwoch und Samstag, und wenn ich eines Tages etwas zu sagen habe, schicke ich dir einen Zettel oder lasse dich rufen.

Ja, zu jeder Zeit - ich komme, das ist ganz leicht.

Gut ... Ich weiß nicht, alles "Planen", "Organisieren", all das ist verschwunden.

Plötzlich zeigt sich etwas - dann, ja ... Wenn ich nur schreiben könnte ... Ich kann es aber nicht.

Laß mich einfach rufen!

Ja, das ist gut. Es wäre immer ungefähr zur selben Zeit. Und mittwochs und samstags kommst du regelmäßig.

(Satprem zieht sich zurück und Sujata nähert sich Mutter)

Liebe Mutter, ich habe etwas für dich.

Was ist es?

Gestern haben wir einen Spaziergang gemacht, und ich fand dies am Ufer: ein Stück Perlmutt.

Ach, wie hübsch!... Es muß eine ganze Muschel gewesen sein.

Es ist für dich, Mutter.

Mein Kind, ich habe keinen Platz, um Dinge aufzuheben, es ist besser, ihr behaltet das ... Ich habe keinen Platz (sich im Zimmer umsehend), all das ist ein Chaos geworden. Es ist besser, ihr behaltet es.

Ja, liebe Mutter.

Ich habe das Gefühl, eine fließende Person geworden zu sein, die keinen Platz einnimmt und nichts aufheben kann. (Mutter lacht) So ist es. Wenn die Dinge zu mir kommen, dann kommen sie stets, damit ich sie an ihren wahren Platz führen kann - damit jede Sache an ihrem Platz sei. Ich selber bin ... nur der Verteiler (Geste in alle Richtungen): dies hier, jenes dort, das da ... Wie schön, wenn es so wäre, wie ich es sehe!...

***

27. Januar 1971

(Mutter reicht Satprem eine Notiz,
die sie einem Aurovillianer geschickt hat.)

Nur die alten Yoga-Methoden verlangen Schweigen und Einsamkeit.

Der Yoga von morgen besteht darin, das Göttliche in der Arbeit und in der Beziehung zur Welt zu finden.

***

(Dann ein Zitat Sri Aurobindos,
das Mutter im nächsten Bulletin einfügen will:)

Die Kraft, die in diesem Yoga am Werk ist, ist von tiefgreifendem Charakter und duldet schließlich nichts mehr, ob klein oder groß, das der Wahrheit und ihrer Verwirklichung ein Hindernis entgegensetzt.

Sri Aurobindo

Letters on Yoga, XXIII.803

***

Sag mir, die Einleitung für dein Buch [[La Genèse du Surhomme [auf deutsch erschienen unter dem Titel: Der Sonnenweg]. ]] sollte doch im Januar veröffentlicht werden ... Aber jetzt ist es schon Ende Januar.

Ich habe sie nach Frankreich an den Herausgeber der Zeitschrift "Planète" geschickt - ich weiß noch nicht, ob man sie annehmen wird, aber ich habe sie geschickt.

In Amerika läuft es SEHR GUT. Es wurde schon an viele Leute geschickt. Und hier hast du eine begeisterte Leserin, und zwar R. Sie ist ganz hingerissen, sie sagte mir, sie sei wie verwandelt. Sie wird sehr aktiv in Amerika arbeiten.

N drängt sehr mit seinen Übersetzungen ins Spanische und Italienische. Andere wollen es ins Portugiesische übersetzen.

Als ich die Wirkung auf R sah ... R ist eine Person, die sich nicht leicht begeistern läßt - sie ist wie verwandelt, absolut verwandelt. Sie sagte mir, es sei für sie wie die Offenbarung ihres Lebens. Es handelt sich um das Kapitel "Das Neue Bewußtsein".

Ich wollte das Ende hören ... Ich glaube, wenn du dich hierhin setzt (Geste zu Mutters rechter Seite), kann ich dich hören.

Wenn du willst, liebe Mutter. Ich glaube, wir haben noch sechs Kapitel zu lesen.

Ja, sechs. Als letztes hatten wir das zehnte gelesen.

Ja, du hast ein Gedächtnis!

(Mutter lächelt) Das ...

Dein Gedächtnis arbeitet, wenn es will!

Nein, das hängt vom Platz ab, den die Dinge im Bewußtsein einnehmen. Es ist ein Gedächtnis des Bewußtseins, kein mechanisches Gedächtnis.

In letzter Zeit ist viel geschehen ...

Ja, viel.

Aber VOR ALLEM in Amerika erwarte ich eine ungeheure Wirkung von diesem Buch ... Ich glaube nicht, daß ich mich täusche.

Um dir die Wahrheit zu sagen, wäre meine Vorstellung oder mein Wunsch, daß das Buch von einem Amerikaner ins Amerikanische übersetzt würde.

Ja.

Denn sie haben wirklich nicht die gleiche Sprache wie die Engländer.

Ja.

Das Englische ist zu glatt, zu neutral, es ist nicht direkt genug.

Vielleicht kannst du R treffen und sie fragen, ob sie jemanden in Amerika kennt, der es übersetzen könnte ... Es müßte ein "amerikanisierender" Amerikaner sein, das heißt, voll überzeugt. S lebte lange hier und ist nach Amerika zurückgekehrt ... Sie ist eine wirkliche Amerikanerin; ich weiß nicht, ob sie sehr literarisch ist, aber sie kennt viele Leute.

Stell dir vor, ich hatte an die Enkelin von N.D. gedacht - sie heißt Debbie.

Ach!

Sie hat etwas an sich.

Ist es dieselbe, die hier war?

Ja, sie kam hierher. Sie ist noch ganz jung.

Ja, ganz jung. Das ist sehr gut. Ein junger Mensch wäre viel besser, viel besser. Ja, ausgezeichnet.

Die englische Übersetzung ... Für mich ist England ein halbtoter Platz - aber das macht nichts, in vielen Ländern wird englisch gesprochen. Aber eine gesonderte amerikanische Übersetzung ist sehr gut.

Lange habe ich mich mit nichts mehr beschäftigt, aber jetzt geht es.

Geht es dir gut?

Ja, es geht.

Das Buch müßte jetzt bekanntgemacht werden.

Im nächsten Monat wird es im Prinzip auf französisch erscheinen [im Ashram].

Gerade deshalb müßte es überall angekündigt werden - überall.

Da sind die nordischen Länder ... Wir kennen jemanden, der gerade wieder für einen Posten in Schweden oder Norwegen nominiert wurde ... Er könnte dort arbeiten. Man muß ihm die Einleitung und das Buch geben, bevor er abreist.

Ja, es muß verbreitet werden. Ich habe den Eindruck, genau dieses Buch wird Amerika umwälzen. Als ich die Auswirkung auf R sah, merkte ich, daß ich mich nicht getäuscht hatte, denn sie repräsentiert das intellektuelle Element des Landes. Sie zeigte einen solchen Enthusiasmus ... Wenn das die Leser dort packt, kann es eine gewaltige Bewegung auslösen.

Ich zähle darauf.

(Dann liest Satprem Mutter einen Brief des Freundes im Vatikan vor)

... Als der Papst auf Reisen war [im Pazifik], wurden zwei Attentatsversuche auf ihn gemacht - es gelang ihnen nicht. Ich halte den Papst für speziell von mir beschützt, durch mich. Zweimal versuchten sie, ihn umzubringen, und beide Male mißlang es.

Ich weiß nicht, warum sie ihn umbringen wollen ... Wenn einer in all dem Durcheinander verständnisvoll ist, ist er es.

(Schweigen)

Hast du das nächste Kapitel?

Ja, liebe Mutter, ich nannte es "Die Soziologie des Übermenschen". Es handelt sich um Auroville, ohne dies zu sagen.

Sieh an!...

Aber ein ganz und gar ideales Auroville!

Ja. Weit entfernt von dem, was es ist.

(Satprem liest einige Seiten des Kapitels)

Oh, das ist großartig, mein Kind!

Auf zur Eroberung der Welt!...

Es ist wirklich gekommen, verstehst du. Wir haben gerufen, gerufen, gerufen, und es ist gekommen (Geste einer Herabkunft). Es ist gekommen. Ich bin sehr froh.

Großartig ... Ich persönlich habe den Eindruck, da ist eine direkte unsichtbare Verbindung zwischen der Aspiration Amerikas, wie sie sich jetzt gerade zeigt, und diesem Buch. Ich habe das Gefühl, daß genau dort das Zentrum der Transformation sein wird. Die europäischen Länder sind alt.

Ja, alt.

Sie haben den Elan verloren, der einen die Konsequenzen vergessen läßt. Ständig sind sie damit beschäftigt, die Konsequenzen von allem, was sie tun, zu kalkulieren. In Amerika gibt es eine Aspiration. Dort wird man die Anstrengung machen, und dort wird ... (auf das Manuskript deutend) die Bombe explodieren! (Lachen)

***

30. Januar 1971

(Mutter geht es erneut nicht gut.
Sie empfängt uns mit einer Stunde Verspätung.
Zunächst empfängt sie Satprems Mutter für ein paar Minuten.)

Wie finden Sie ihn?

(Satprems Mutter, wie ein bretonischer Felsen:) Gut.

Er hat ein wunderbares Buch geschrieben. Ich zähle auf das Buch, um die Welt zu revolutionieren ... Sie können stolz auf Ihren Sohn sein.

(Satprems Mutter lächelt und verläßt das Zimmer)

Hast du das Buch mitgebracht?

Willst du, daß ich dir heute morgen vorlese?

Ja, genau darauf warte ich!

Bist du nicht zu müde?

Oh, das ermüdet mich nicht. Von da kommt die Ermüdung nicht.

Was ermüdet dich denn im Augenblick?

Der Körper hat begonnen, nicht mehr auf die alte Weise funktionieren zu wollen, wie soll man dann essen?... Das Essen hat überhaupt keine Anziehungskraft mehr - überhaupt nicht. Es erscheint idiotisch, und dennoch "muß" man es einnehmen. Die Ärzte wollen, daß es wie gewohnt funktioniert - das ist unmöglich. Dies versetzt mich in einen Zustand ... es schafft einen Konflikt in der Natur.

Die Dinge gehen zu schnell voran, und gleichzeitig ist da der Widerstand der alten Natur - von den Ärzten und den Gewohnheiten noch bestärkt.

In manchen Momenten ... (Geste, hin- und hergerissen zu werden)

All das ist doch ein Symbol für etwas anderes.

(Mutter lacht) Sicher!... Es ist das Symbol für alles, was sich in der Natur der Transformation widersetzt.

Die ganze Welt!

Ich verstehe auch gut, daß es zu erschreckend für die Leute wäre, wenn die Transformation schlagartig käme.

Ja ...

Sie sagen zum Beispiel, daß meine Leiden von der Tatsache herrühren, daß ich nicht genug esse - nach dem alten System ist das wahr; deshalb möchten sie, daß ich mehr esse, während ich persönlich fühle, daß es der Arbeit zuwiderläuft, wenn ich mehr esse.

Das Essen ist auch schwierig ... Es ist von keinerlei Interesse mehr - es erscheint mir unnütz, und trotzdem sehe ich, daß ich das alte System zu schnell aus dem Gleichgewicht bringe, wenn ich nichts esse. Deshalb... (Geste eines Hin- und Hergerissenseins zwischen zwei Dingen)

Ach, lies mir vor, das ist interessanter!

(Satprem liest die Fortsetzung der "Soziologie des Übermenschen", insbesondere zitiert er im Laufe des Textes den folgenden Abschnitt von Sri Aurobindo über die Propaganda:)

Ich glaube nicht an Werbung, außer für Bücher, und nicht an Propaganda, außer für Politik und Arzneimittel. Für ernsthafte Arbeit ist das Gift. Es bedeutet entweder Sensation oder großes Aufsehen - und beide Dinge erschöpfen die Sache, die sie auf ihrer Schaumkrone tragen, und lassen sie leblos und zerschellt an der Küste von nirgendwo -, oder es bedeutet eine Bewegung. Eine Bewegung im Falle einer Arbeit wie der meinen bedeutet die Gründung einer Schule, einer Sekte oder eines anderen verdammten Unsinns. Es bedeutet, daß Hunderte und Tausende nutzloser Leute sich anschließen, das Werk korrumpieren oder es auf eine pompöse Farce reduzieren, von der sich die Wahrheit, die herabkam, in Verborgenheit und Stille zurückzieht. Dies geschah mit den "Religionen" und ist die Ursache für ihr Versagen.

2.10.1934

On Himself, XXVI.375

Diesen Absatz müßte man kopieren und in Auroville aufhängen. UNBEDINGT. Sie haben alle diese falsche Vorstellung von Werbung und Propaganda. Man muß es in Großbuchstaben aufschreiben. Als Titel: "Sri Aurobindo sagte", dann das Zitat setzen und es nach Auroville schicken.

Sag ihnen, daß ich es ihnen schicke.

(nach der Lektüre)

Ist das alles?

Dies ist die Hälfte des Kapitels.

Schade ... Ich könnte stundenlang zuhören, es ist wirklich sehr gut.

Gibt es noch mehr?

Ungefähr zehn Seiten.

Das wird für das nächste Mal sein.

Du machst mir wirklich Freude damit.

Oh, liebe Mutter, du bist es, die mir alles gibt.

Wir müssen uns um die Übersetzung kümmern. Ja, ich möchte unbedingt ... etwas sagt mir (Geste nach oben), daß es ins Russische übersetzt werden muß.

Sie sind durch eine Erfahrung gegangen und haben ihre Möglichkeit erschöpft, sie sehen, daß es zu nichts führt. Leider wenden sie sich wieder der Vergangenheit zu - jetzt wäre der richtige Augenblick, ihnen das zu geben.

Wenn es in ein sehr gutes Russisch übersetzt würde ... Das Land müßte damit überschwemmt werden. Jetzt ist genau der Augenblick, wo sie etwas brauchen. Sie haben den Glauben an das verloren, was sie gefunden zu haben glaubten.

Das kommt sehr beharrlich: "Ins Russische, es muß ins Russische übersetzt werden."

Kennen wir einen Russen?

Hier ist S - möchtest du, daß ich mit ihr spreche?

Sie kann kein Russisch.

Nein, aber vielleicht kennt sie Russen?

Du könntest sie fragen. Du könntest ihr sagen, daß mir viel daran liegt, daß das Buch ins Russische übersetzt wird von jemandem, der gut schreibt, in einem lebendigen Stil - nicht etwas Trockenes und Verstaubtes: Jemand, der einen lebendigen und anziehenden Stil hat. Wir kümmern uns darum, es irgendwo drucken zu lassen.

Ich werde mit S sprechen.

(Schweigen)

Das hat mir gut getan.

Oh, liebe Mutter, du bist es, die uns gut tut!

***

Februar

3. Februar 1971

Jetzt bin ich bereit, dir zuzuhören.

Wir bräuchten auch eine Botschaft für den 21. Februar.

Was für eine Botschaft?...

Ich weiß es nicht.

Was schlägst du vor?... Ich kann etwas sagen, oder wir können auch ein Zitat finden.

Wenn du etwas sagen willst ...

(Schweigen)

Ich sage immer dasselbe: Ein Leben, das der Vereinigung mit dem Göttlichen gewidmet ist, ist das einzig lebenswerte Leben ... A life consecrated to the Divine is the only life worth living.

Genügt das?

Ja, liebe Mutter, das genügt völlig!

Zum Lesen mußt du hierher (nach rechts) kommen, denn ... Es geht besser, ich übe meine Augen wieder, sie werden etwas besser. Und ich werde mein Ohr wieder trainieren - dieses hier (das rechte) ist frei, aber das andere ...

Es geht besser. Aber es ist noch nicht so, wie es sein sollte.

(Nach der Lektüre des Buches spricht Mutter den Wunsch aus, daß es in die indischen Sprachen übersetzt werde und nennt Bengali, Hindi, Oriya und Tamil)

(zu Sujata) Kennst du eine indische Sprache gut genug, um es zu übersetzen?

(Sujata lacht)

Und dann die nordischen Länder ...

***

6. Februar 1971

(Ende der Lektüre des zwölften Kapitels:
"Die Soziologie des Übermenschen".
Mutter drückt ihre Zufriedenheit aus, und Satprem protestiert:)

Liebe Mutter, es ist wirklich herabgekommen. Es ist mir gegeben worden, als sei es diktiert worden, verstehst du? Ich habe nichts getan.

Ja, das sehe ich! Für mich ist das offensichtlich.

Es ist so (Geste einer Herabkunft).

Das schafft eine großartige Atmosphäre, großartig.

Werden wir die Lektüre vor dem einundzwanzigsten beendet haben?

Das erfüllt mich mit Freude.

(Mutter nimmt Satprems Hände)

***

10. Februar 1971

Guten Tag, Mutter.

Nun?...

Wie geht es dir?

Es geht nicht schnell voran ... Es geht, das Bein ist fast geheilt - fast: eine Kleinigkeit im Fuß ist noch da, aber das ist nichts. Das Sehen ist nicht sehr klar. Es geht besser - alles geht besser, aber sehr langsam. Der Wille scheint nichts damit zu tun zu haben. Es ist etwas, das völlig außerhalb meiner Kontrolle steht - was ist es eigentlich? Ich weiß es nicht.

Hängt es vielleicht vom Rest der Welt ab?

Ja, wahrscheinlich ... Ja, es ist keine persönliche Angelegenheit, denn ... Der persönliche Wille ist da, aber er wird so gehalten (zurückgezogene und reglose Geste). Er ist in Frieden. Folglich ...

Plötzlich kann ich mich wieder aufrichten (ich fürchtete, für immer gebeugt zu sein), plötzlich kann ich mich wieder aufrichten. Manchmal schaue ich auf diese Tafeln, um die Augen zu üben [[Die Tafeln des Augenarztes mit Buchstaben verschiedener Größen. Mutter macht regelmäßig Leseübungen. ]] ; an einem Morgen ist es plötzlich sehr deutlich, ich sehe ganz klar - wie um zu beweisen, daß die Möglichkeit besteht. Aber der Augenblick ist noch nicht gekommen. So warte ich.

Da ist nur dieses Datum des einundzwanzigsten ... Ich habe gesagt (vielleicht zu früh, ich weiß es nicht), daß ich auf den Balkon gehen werde; folglich MUSS ich auf den Balkon gehen. Im Augenblick erscheint das ... problematisch, aber ... Ich kann keinen Schritt tun, ohne gestützt zu werden.

Wir werden sehen. Es liegt noch eine Woche vor uns.

Das steht völlig außerhalb meines Willens - nicht als ob der Wille nicht da wäre, aber ... (reglose Geste). Ich bin gezwungen zu sagen: "Gut. Was sein wird, wird sein."

Kann ich hoffen, ein Kapitel zu hören?

Ja, liebe Mutter.

(Nach der Lektüre des dreizehnten Kapitels: "Und danach?")

Was du da geschrieben hast, erscheint mir wie ein Wunder.

(lange Kontemplation)

***

13. Februar 1971

(Mutter liest ihre Botschaft für das indische Radio:)

Wahre Freiheit ist eine aufsteigende Bewegung,

kein Zugeständnis an niedere Instinkte.

Wahre Freiheit ist eine göttliche Manifestation.

Wir wollen die wahre Freiheit für Indien, damit es ein angemessenes Beispiel für die Welt sein kann, wie eine Demonstration für das, was die Menschheit werden soll.

***

(Nach der Lektüre des vierzehnten Kapitels der Genèse du Surhomme, "Der Sieg über den Tod":)

Ich habe den Eindruck eines neu entstehenden Bewußtseins.

***

17. Februar 1971

Was gibt es Neues?

Neues? Das frage ich dich!

Ein sonderbarer Zustand ... Eine Art existierender Existenzlosigkeit.

Seltsam.

Wenn du mir nichts zu sagen hast, höre ich mir dein Kapitel an.

***

20. Februar 1971

(Nach der Lektüre des fünfzehnten Kapitels der Genèse, "Das transformierte Wesen":)

Wirst du es nächstes Mal zu Ende lesen?

Ja, liebe Mutter.

Wann wird das Buch herauskommen?

Sie sind in Verzug. Ich hoffe, zu Beginn des nächsten Monats.

(Schweigen)

Reagiert die Erde ein wenig?

Ich glaube, ja, überall ein wenig.

Ich möchte, daß dein Buch in alle Sprachen übersetzt wird.

(Schweigen)

(Mutter nimmt Satprems Hände, schaut ihn an und lächelt)

***

21. Februar 1971

(Grundsteinlegung des Matrimandir. Mutter ist dreiundneunzig Jahre alt. Sie gibt folgende Botschaft:)

Das Matrimandir möchte das lebendige Symbol

der Aspiration Aurovilles

zum Göttlichen sein.

***

24. Februar 1971

(Satprem gibt Mutter eine weiße Rose)

Oh, wie schön!...

Wie ist der 21. verlaufen?

Das sollte ich dich fragen! (Lachen)

Was sagst du denn, wie der 21. war?

Ich spüre immer die Macht, verstehst du: gewaltig.

Ja, gewaltig. Es ... das kommt so (massive Geste).

Offenbar waren die Leute im allgemeinen sehr zufrieden - also ist es gut.

Was sagst du denn (zu Sujata)?

(Sujata sieht Mutter mit verlorenen Augen an,
Mutter streichelt ihre Wange und lacht)

Dies ist wie die Geschichte von jemandem, den ich beobachte ... nicht einmal mit großem Interesse, nicht einmal mit Neugierde ... Ich kann nicht einmal sagen, aus Pflichtbewußtsein, ich weiß nicht, was es ist - eine Notwendigkeit, das ist alles.

Der Körper hat definitiv die Haltung eingenommen, nicht an sich selbst zu denken, denn ... sonst wäre er zutiefst angeekelt.

Aber ich muß sagen, daß ich an manchen Tagen sehr gut höre und sehr gut sehe und an anderen Tagen nichts höre und nichts sehe. Das heißt, es ist so (Wellenbewegung).

Es ist unzentriert (ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll), vollkommen unzentriert. Wenn ich das mit dem alten Bewußtsein betrachte - betrachten WÜRDE -, wäre es ... eher unangenehm, könnte man sagen, aber das alte Bewußtsein ist völlig verschwunden. Da ist etwas ..., das kein individuelles Bewußtsein ist, aber auch nicht nur ein kollektives Bewußtsein: Es ist "etwas" dort oben - DAS, dort -, das sieht, das weiß, das entscheidet ... Dort geht es gut, das hat sich nicht gerührt. Aber hier ... (Mutter weist auf den Körper)

Ich hatte eine gewisse Besorgnis verspürt, am 21. auf den Balkon [[Mutter ging auf den Balkon, ohne gestützt zu werden (nachdem sie jeden Tag geübt hatte). ]] zu gehen; die Besorgnis, daß es sehr schwierig sein würde - es war nicht sehr schwierig, es lag in der Mitte: weder leicht noch schwierig ... Die Werte sind nicht die gleichen.

Gut.

Ach, ich möchte lieber dein Kapitel hören.

Hier ist meine Rente, liebe Mutter.

Brauchst du nichts?

Nein, nein, liebe Mutter! Du gibst mir alles Nötige.

Wirklich?...

(zu Sujata:) Du sagst mir, ob es wahr ist, ob er wirklich nichts braucht.

Nein, Mutter, er braucht nichts.

(Lektüre des Endes der Genèse: das sechzehnte Kapitel,
"Die Zeit der Wahrheit")

***

25. Februar 1971

(Mutter zu Sujata:)

Es ist ein solches Menschengewimmel ...

***

27. Februar 1971

Was hast du für Neuigkeiten?...

(langes Schweigen)

Das Problem ist die Ernährung. Für alles, was ich leicht essen konnte, haben die Ärzte Einschränkungen aufgestellt, und jetzt ...

Im Grunde sehe ich immer mehr, daß wir in völliger Unwissenheit leben. Wir wissen wirklich weder was, noch wie wir es tun sollen.

Aber dieses neue Bewußtsein müßte doch bewirken, daß wir das Richtige tun.

Ich glaube, wir verstehen es nicht, hinzuhören.

Wir hören es nicht ...

(Schweigen)

Es ist sehr schwer, auseinanderzuhalten, was von der alten Antriebskraft stammt und was ...

Ja, ja.

Das ist sehr schwer.

Sehr schwer.

Unser praktisches Wissen stützt sich auf eine Erfahrung, die nichts mehr taugt.

(lange Kontemplation mit offenen Augen)

Aber es ist besser, sich zu täuschen, indem man auf das neue Bewußtsein hört (oder es zumindest versucht), als sich nicht zu täuschen, indem man auf die Ärzte hört.

(Mutter lacht) Aber das Bewußtsein widerspricht nicht.

Du willst sagen, daß es sich neutral verhält?

Das Bewußtsein diskutiert nicht ... Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll.

(langes Schweigen)

Gäbe es einen starken und genauen Hinweis, würde ich gewiß zuhören, aber so ist es nicht ... Die Küche bereitet die Dinge auf ihre gewohnte Weise zu; der Arzt gibt Anweisungen, mir dies und jenes zu geben, und man hört auf ihn ... Ich sagte: "Ich möchte das und das essen", man gibt es mir grudgingly [widerwillig], fast als sei es ein Zugeständnis an einen Hang zur Schlemmerei. Folglich ...

Ich lebe umgeben von so vielen Konventionen, daß es sehr schwierig ist.

Und immer die Idee, daß ich alt bin, alt werde, und dann muß ihnen mein Bewußtsein halb verschleiert vorkommen. Sie haben kein Vertrauen, was willst du da machen!

Nicht alle.

Wiederhole es nur nicht, man darf es nicht sagen, denn sie tun alle ... jeder tut sein Bestes und gibt sich viel Mühe - sie geben sich viel Mühe.

Aber ich bräuchte jemanden, der die Vision hat und mir sagt: "So ist es, man muß folgendes tun."

Deshalb habe ich die Haltung angenommen zu sagen: gut. Ich verhalte mich so passiv wie möglich - passiv gegenüber dem göttlichen Willen -, und ich bete, daß er mich leite. Das ist das einzige Mittel.

Kannst du hören, was ich sage?

Ja, ja, liebe Mutter!

***

März

1. März 1971

(Notiz von Mutter)

Es gibt eine Höchste Gottheit,

Zeuge all unserer Handlungen,

und der Tag der Konsequenzen wird bald kommen.

***

2. März 1971

(Auszug aus Sujatas Notizbuch. Seit zwei Tagen ist Mutters Backe
wegen eines Zahnabszesses geschwollen.)

Mutter geht es besser. Tendenz zur Verinnerlichung.

Während sie meine Hände hielt,

schien es mir, als ob etwas von mir in sie überging.

Mutter schien sich dabei gut auszuruhen.

***

3. März 1971

(Nachdem Mutter Sujatas Entwurf für
den Umschlag der "Genèse" gutgeheißen hatte:)

Hast du nichts zu fragen?

Ich habe den Eindruck, als habe dein Blick sich sehr verändert ...

(Mutter nickt)

Schon seit fast einem Jahr ähnelt er mehr und mehr dem Blick Sri Aurobindos.

Sieh an!... (lächelnd) Das ist möglich.

Vorher war dein Blick "diamanten" ... Er war dir eigen, machtvoll du selbst. Jetzt ist es ... als werde er zur Unendlichkeit.

Ach, meine Art zu sehen ist nicht mehr dieselbe.

Ja, Sujata wollte dich gerade fragen: Was siehst du, wenn du die Leute so anschaust?

Ich glaube, ich sehe ... Das Genaueste wäre zu sagen: ihre Verfassung, den Zustand, in dem sie sich befinden. Dann sehe ich vor allem, daß einige wie verschlossen sind - für mich sehen sie nicht und stecken in einem völlig äußerlichen Bewußtsein; andere sind offen - gewisse Kinder sind bemerkenswert, ganz offen (eine zur Sonne hingewendete Blume andeutend) und bereit aufzunehmen ... Ich sehe vor allem die Aufnahmefähigkeit der Leute, ihre Verfassung: manche kommen mit einer Aspiration, manche aus Neugierde, andere kommen ... aus einer Art Verpflichtung, und dann die nach Licht Dürstenden - von denen gibt es nicht viele, aber einige Kinder. Heute sah ich ein so Liebes!... Sein Vater hat ein Haus am See gekauft; dort lebt er mit seiner Frau und seinen Kindern; eines seiner Kinder hatte Geburtstag - oh! (Mutter öffnet ihre Augen weit) wunderbar!

Ich sehe nur das. Nicht, was sie denken, was sie sagen (all das erscheint mir oberflächlich und uninteressant): den Zustand der Aufnahmefähigkeit, in dem sie sich befinden. Vor allem das sehe ich.

(Schweigen)

Ich glaube wirklich, daß sich vor allem unter den Kindern jene finden, die die neue Spezies beginnen können. Die Erwachsenen sind ... verhärtet.

Ständig muß ich mich mit Leuten herumschlagen, die hierher gekommen sind, um es bequem zu haben und "um frei zu sein, zu tun, was ihnen beliebt", dann sage ich ihnen stets: "Die Welt ist groß, ihr könnt gehen." Keine Seele, keine Aspiration, nichts ... Ich zähle sehr auf dein Buch.

Hat T [die englische Übersetzerin] ihre Übersetzung abgeschlossen?

Noch nicht, aber es geht voran.

Was sagt sie? Zeigt sie eine Reaktion?

Nun ... ich weiß es nicht.

(Mutter nickt)

Hie und da.

Weißt du, was mein Eindruck ist? Daß sie alle alt sind, und ich als einzige jung bin [[Erinnern wir uns an das Tantrasara: "Obwohl du der uranfängliche Grund der Welten bist, bist du dennoch ewig jung." ]] ! Es geht um diese Flamme, diesen Willen ... was man push [Elan] nennt - sie geben sich mit dummen kleinen persönlichen Befriedigungen ab ..., die zu nichts führen; sie sorgen sich, was sie essen wollen und ... oh!

Ich habe den Eindruck, daß es jetzt wie ein display ist (kennst du "display"?), eine Zurschaustellung von allem, was nicht sein soll.

Ja.

Aber die Flamme, die Flamme der Aspiration (Mutter schüttelt den Kopf), nicht viele bringen sie mir.

Solange sie es nur "angenehm" haben, wie sie es nennen, ist das alles, was sie brauchen - und frei, einigen Unfug zu treiben, den sie in der normalen Welt nicht treiben würden. Während man doch fühlt, um die Ankunft zu beschleunigen ... Man KÖNNTE sie beschleunigen, wenn man ... wenn man ein Eroberer wäre.

Ja.

Nun ...

(Schweigen)

Im Grunde ... im Grunde ist es ihnen egal.

Nicht allen.

Nein, aber die Anzahl jener, die anders sind, ist minimal - wenigstens unter denen, die ich sehe ... ich weiß es nicht. Natürlich gibt es jene, die nahe sind - jene, die nur dafür leben; bei denen ist es selbstverständlich, von denen spreche ich nicht. Bei denen geht es gut, glaube ich ... Von Zeit zu Zeit empfange ich einen Schrei der Aspiration, eine wirkliche Aspiration - das, ja, und wenn das da ist, ist es sehr gut, es ist von sehr guter Qualität. Ansonsten ...

Ich könnte mich selber schelten, denn ich gebe ein schlechtes Beispiel ab: ich dürfte keinen so erschöpften Körper haben, aber es ist, als ob ... Nachts schlafe ich zum Beispiel nicht, sondern trete in eine sehr tiefe Ruhe ein; dann verschlimmert sich alles, was in schlechter Verfassung ist (Mutter berührt ihre geschwollene Backe). Nur wenn ich mich hier konzentriere, wird es ein wenig besser; aber wenn ich den Körper seinem eigenen Frieden überlasse ... er befindet sich noch auf der alten Seite - er dürfte nicht so sein. Ich weiß, daß die größte Schwierigkeit für die Leute mein Alter ist - sie denken alle: "Ach, sie ist alt, sie ist alt, sie ist alt ..." Ich aber ... Im Grunde bin ich jünger als sie! (Lachen)

Ja.

(Schweigen)

Aber die Schwierigkeit rührt daher, daß viele die Einfachheit der Sache nicht begreifen.

Ja.

Viele von ihnen suchen noch die Erfahrungen hoch oben, Visionen, das mentale Schweigen, usw., doch um all das geht es gar nicht!

Richtig.

Ich sehe ziemlich viele Leute, und ich muß ... Ich komme immer auf die einfache Sache zurück, daß man ein VERLANGEN danach haben muß.

Aber ich zähle besonders auf dein Buch, um das aufzuzeigen - darin ist das sehr gut erklärt.

Ich erinnere mich, als Pavitra zum ersten Mal etwas von dir las [[Das Abenteuer des Bewußtseins. ]] (vor langer Zeit, vor mehreren Jahren), sagte er mir: "Ach, für mich ist das eine Offenbarung!" Er war schon seit so vielen Jahren hier [[Neununddreißig Jahre. ]] ... Er sagte mir: "Ja, endlich habe ich begriffen, daß es sich in der Einfachheit vollzieht ..."

Das war eine Offenbarung für ihn ... Ich zähle wirklich sehr auf das Buch.

Und wenn ich es ihnen zu erklären versuche, sind sie immer erstaunt über die Einfachheit der Sache.

Ja, ja!

Es erstaunt sie, als ob ...

Es ist nicht kompliziert genug.

(Schweigen)

Hat S jemanden für das Russische gefunden?

Sie hat einen ersten Versuch unternommen, der nichts einbrachte, dann einen zweiten, und jetzt wartet sie.

Ich habe den Eindruck, daß genau dieses Buch dort eine neue Orientierung geben wird. Deshalb beharre ich darauf. Und Rußland ... Wenn sich Rußland der wahren Seite zuwendete, wäre das großartig!... Ich weiß nicht, warum ... Natürlich war ich eine Russin in einer der letzten Inkarnationen, als ich ... war es Katharina?

Katharina, ja.

Das ist noch sehr lebendig in mir.

Ich habe den Eindruck, wenn der ganze russische Block die richtige Richtung einschlüge, wäre das eine gewaltige Unterstützung. Sie sind nicht zufrieden; sie sind in einem Zustand, wo man fähig ist, Dinge zu tun, weil man nicht zufrieden ist - sie sind NICHT zufrieden. Ihre Erfahrung ... Sie geben es nicht zu, aber im Grunde ist ihre Erfahrung gescheitert.

(Schweigen)

Alles, was die Politik und die Länder betrifft, darf nicht erscheinen, das müssen wir aufbewahren. Denn offiziell mache ich keine Politik.

Ja, sicherlich, liebe Mutter.

Unser nächster Tag?

Samstag, liebe Mutter.

Wird das Buch erschienen sein?

Ich glaube nicht. Nächste Woche, denke ich.

Wir werden unsere ganze Kraft hineingeben.

(Mutter nimmt Satprems Hände, dann nähert sich Sujata. Sujata hatte einer der Personen, die Mutters Essen zubereiten, vorgeschlagen, ihr Kokosnußmilch zu geben. Dieser Vorschlag war Mutter zugetragen worden. Mutters Antwort läßt eine Welt von Dingen erahnen.)

Es geht vielmehr um die ART der Zubereitung als um neue Dinge.

***

4. März 1971

(Mutter antwortet einem Aurovillianer:)

(Frage:) Du hast gesagt, daß Du keine Regeln für Auroville aufstellen willst. Doch kürzlich hast Du geschrieben: "Drogen sind in Auroville verboten." Gab es eine Änderung in Deiner Vision von Auroville?

Vielleicht haben die Aurovillianer nicht das Bewußtseinsniveau erreicht, das man von ihnen erwartet.

***

Ihr müßtet euch so hoch in eurem Bewußtsein erheben, daß es über die Gegensätze hinausreicht. Das ist die Lösung.

***

5. März 1971

(Auszug aus Sujatas Tagebuch nach einem Besuch bei Mutter:)

Von Mutters Augen ging ein warmes, goldenes Licht aus.

Es drang in mich ein.

***

6. März 1971

(Das Gespräch beginnt mit eineinhalb Stunden Verspätung)

Hier herrscht ein solches Menschengedränge!... Schrecklich ... Ich weiß nicht, was ich tun soll.

Und was bringst du für Neuigkeiten?

Meine Neuigkeiten?... Ich weiß nicht.

Ist das Buch erschienen?

Nein. Ich hoffe, Ende nächster Woche.

Erst am Ende ... Die Leute brauchen es wirklich. Ich erhalte zehnseitige Briefe von Leuten, die mir ihre "spirituellen Erfahrungen" erzählen - das spielt sich alles mitten im Vital ab. Sie verstehen nichts. Selbst in Auroville sind sie so - sie verstehen nicht.

Deshalb schrieb ich ... (Mutter versucht sich zu erinnern) Was habe ich geschrieben?... Ich erinnere mich nicht mehr. True spirituality ... [die wahre Spiritualität]. Ich weiß, daß ich simplicity [Einfachheit] schrieb. True Spirituality in Großbuchstaben.

Ich hätte schreiben solle: True spirituality is VERY simple! [Die wahre Spiritualität ist SEHR einfach.] (Mutter lacht) Das ist besser.

Streitereien um nichts, Leute, die mehr Geld wollen - ach! eine Untermenschheit. Sie glauben, daß sie ... Nicht wahr, sie stecken in tiefster Unwissenheit; sie landen hier ohne jede Erfahrung, ohne Anweisung, ohne Vorbereitung, und sie glauben, sofort das Supramental verwirklichen zu können ... Wirklich jämmerlich.

Dinge ... Reaktionen und Haltungen, deren man sich im gewöhnlichen Leben schämen würde, stellen sie hier zur Schau.

Sie brauchen etwas, das sie eines Besseren belehrt.

Liebe Mutter, vielleicht könnten wir im nächsten Bulletin Auszüge von dem veröffentlichen, was du neulich über die Wahrnehmung des inneren Zustands der Leute und die häufige Abwesenheit der Flamme sagtest.

Sie werden verzweifelt sein.

Es kann eine "challenge" [Herausforderung] sein.

Kannst du es mir vorlesen?

(Lektüre)

Das ist sehr gut.

Ja, das ist es, vollkommen.

(langes Schweigen, Mutter verharrt und sieht in die Ferne)

Offensichtlich vollzieht sich eine große Änderung in der Natur, ich sehe das. Wenn ich meinen Körper leben sehe, ist es, als sähe ich den Körper einer völlig neuen Person. Leider ist er ... es fehlt ihm an Geschmeidigkeit, glaube ich.

Da ist die ganze "Formation" des Alters (die Umgebung Mutters andeutend), die fast unterbewußte Idee: "Sie ist alt, sie ist alt ..." Das schafft eine Atmosphäre des Widerstandes gegen die Veränderung. Es ruft fast einen Konflikt im Wesen hervor. Äußerlich steht es nicht besonders gut. Als ich krank war, beugte ich mich mehr und mehr; ich wollte mich aufrichten; da sagte der Arzt in einem entschiedenen Ton, ich würde mir den Rücken brechen, wenn ich versuchte, mich plötzlich aufzurichten ... Verstehst du, solche Dinge. "Es ist unmöglich, unmöglich, unmöglich ...", von allen Seiten.

Darüber dürfen wir nicht sprechen; ich sage es dir, damit du es aufhebst.

Für mich gibt es nur eine Lösung ... Im Grunde ist nur ein einziger Wille allmächtig, und zwar der Göttliche Wille - was Er will, wird sein, trotz allem oder wegen allem. Voilà. Ich kümmere mich nicht darum. So mangelt es nur an Schnelligkeit, die vorhanden sein könnte, wenn die Umstände anders wären. Aber das ist wahrscheinlich mein Urteil. Wahrscheinlich ist es so gut, wie es eben sein kann.

Wir werden sehen! (Mutter lacht)

Ach, ich setze die allergrößten Hoffnungen in dein Buch.

(Mutter nimmt Satprems Hände)

***

10. März 1971

(Satprem liest Mutter einen unveröffentlichten
Brief Sri Aurobindos vor:)

Ein äußerst fruchtbares Abenteuer

Ebenso wie es eine Kategorie von Tatsachen gibt, zu denen unsere Sinne die besten vorhandenen, wenn auch sehr unvollkommenen Führer sind, und eine Kategorie von Wahrheiten, die wir durch das wache aber noch unvollkommene Licht unseres Verstandes suchen, so gibt es laut den Mystikern eine subtilere Kategorie von Wahrheiten, die über die Reichweite der Sinne wie auch des Verstandes hinausgehen, aber die durch ein unmittelbares inneres Wissen und eine unmittelbare Erfahrung bestätigt werden können. Diese Wahrheiten sind übersinnlich, deshalb jedoch nicht weniger real: Sie haben eine ungeheure Wirkung auf das Bewußtsein und verändern seine Substanz und Bewegung, denn sie bringen einen besonders tiefen Frieden und eine beständige Freude, ein großes Licht der Vision und des Wissens, sowie die Möglichkeit, die niedrige animalische Natur zu überschreiten, ja, Perspektiven der spirituellen Selbstentwicklung, die ohne sie nicht existieren. Eine neue Sicht der Dinge offenbart sich und bringt, wenn man ihr in allen Konsequenzen nachfolgt, eine große Befreiung, eine innere Harmonie, eine Einigung - sowie viele weitere Möglichkeiten. Zwar verfügte nur eine kleine Minderheit der menschlichen Rasse über die Erfahrung dieser Dinge, doch eine Vielzahl unabhängiger Beobachter in allen Epochen, auf allen Breitengraden und unter den verschiedensten Umständen haben Zeugnis davon abgelegt, darunter einige der größten Geister der Vergangenheit und bemerkenswertesten Persönlichkeiten der Welt. Muß man diese Möglichkeiten denn gleich als Chimäre verdammen unter dem Vorwand, daß sie sich nicht nur dem Durchschnittsmenschen entziehen, sondern selbst für zahlreiche kultivierte Geister unerreichbar sind oder daß ihre Methode schwieriger ist als die der gewöhnlichen Sinne und des Verstandes? Falls irgendeine Wahrheit in ihnen steckt, ist es dann nicht der Mühe wert, dieser von ihnen eröffneten Möglichkeit nachzugehen, da sie den höchsten Bereich der Selbstentdeckung und Weltentdekkung durch die menschliche Seele erschließen? Im besten Fall - wenn sie wahr sind -, muß es so sein; im ungünstigsten Fall, nur als Möglichkeit genommen, so wie alle Errungenschaften des Menschen in ihrem Anfangsstadium nur Möglichkeiten waren, bleibt es ein großes und vielleicht äußerst fruchtbares Abenteuer.

Sri Aurobindo

7.1.1934

Letters on Yoga, XXII.188

***

(Einen Schüler betreffend, der das von Rishabhchand unvollendet zurückgelassene Buch Das Leben Sri Aurobindos
fertigschreiben wollte.)

Ich dachte, Rishabhchand hätte Das Leben Sri Aurobindos beendet?

Es hörte auf mit Sri Aurobindos Ankunft in Pondicherry [1910].

Das genügt. Es ist nicht nötig, über das Weitere zu sprechen - ein oder zwei Sätze genügen.

Über sein Leben hier gibt es nichts zu sagen ... Im Grunde kennt niemand wirklich sein Leben hier. Ich fürchte, man würde nur viel Unsinn sagen. Mir wäre es lieber, man sagte nichts - man sollte sagen, daß er sich nach Pondicherry zurückzog, um dort seinen Yoga zu verfolgen, daß nur das zähle und es besser sei, nicht davon zu sprechen. Das ist alles.

Es braucht nicht lang zu sein: ein Artikel, um die Serie abzuschließen, um zu sagen, daß sein Leben in Pondicherry ausschließlich dem Yoga gewidmet war, daß er geschrieben hat, was er sagen wollte, und daß es folglich nichts zu sagen gibt.

Wir haben alles, was er geschrieben hat, und das ist besser als alles, was man über ihn erzählen kann.

Was hört man da?

Nichts ... Man spielt Flöte in der Schule ... Es muß jemand mit Herz sein.

(Mutter streichelt Satprems Kopf und geht in sich)

***

13. März 1971

Es geht um C.S. [einen deutschen Übersetzer] - C.S. und T.K. [eine andere Übersetzerin] haben Meinungsverschiedenheiten über das zu verwendende Vokabular. Schon vor drei oder vier Jahren, als C.S. mein erstes Buch übersetzte, gab es eine Diskussion, und du machtest gewisse Vorschläge. Du sagtest insbesondere, daß das Wort "mental" und das Wort "esprit" nicht durch denselben Begriff übersetzt werden dürfen.

Oh, nein!

Daraufhin wurden mehrere Worte für mental und für esprit vorgeschlagen, und schließlich wählte man zwei Worte: das Wort "Geist" für mental (wenn ich mich richtig erinnere) und das Wort "Spirit" für esprit, obwohl das Wort Spirit nicht deutsch ist. C.S. wollte nun die gleiche Terminologie allen deutschen Übersetzern aufzwingen, insbesondere T.K. - und die anderen Übersetzer sind nicht damit einverstanden.

Wie übersetzt T.K. esprit?

Ich weiß es nicht.

Offensichtlich ist "Spirit" nicht sehr gut - gibt es denn kein deutsches Wort für esprit?

Ich glaube, sie nehmen dasselbe Wort wie für mental: Geist und Geist.

Wie schrecklich!

(Schweigen)

Man müßte herausfinden, welches Wort T.K. nimmt, denn man kann unmöglich für beide Begriffe das gleiche Wort verwenden.

Aber vielleicht gebraucht T.K. nicht dasselbe Wort, weil sie einen völlig verschiedenen Wortschatz hat?

Ja, aber es wäre besser zu wissen, welchen.

Wir haben doch Deutsche hier, oder?

Keiner stimmt mit dem anderen überein! (Lachen)

Was sollen wir denn tun?

Ich werde T.K. fragen, welche Worte sie gebraucht.

Ja.

Aber ich habe das Gefühl, wir müssen C.S. sagen, daß man niemandem etwas aufzwingen kann.

Nein, man kann nichts aufzwingen. Wie könnte er auch?... Er hat kein Mittel dazu.

Er erklärte zum Beispiel, da er einen Bücherladen hat, daß er sich weigern werde, jegliche Bücher zu verkaufen, in denen eine andere Terminologie verwendet wird.

Das ist absurd.

Man sollte eine Notiz in das Buch einlegen, um die Entsprechung der darin verwendeten Begriffe zu jenen in den anderen Büchern zu erklären - um die Leute darauf aufmerksam zu machen. Wenn man dasselbe Wort wie mental nimmt, führt das sonst zu den schrecklichsten Verwirrungen. Es muß unbedingt eine Unterscheidung geben: entweder muß T.K. eine Notiz einfügen, oder man muß ... Denn wenn sie für beides "Geist" nehmen, oder selbst ein anderes Wort, das dasselbe besagt, verfälscht das sofort die Lehre. Das löst sofort eine schreckliche Verwirrung aus.

Jedenfalls ist eine Notiz nötig, die erklärt, daß dieses Wort in jenem Sinne verwendet wurde.

Offenbar wollte C.S., daß man im anderen Buch dieselben Begriffe gebraucht wie er selbst im Abenteuer des Bewußtseins.

Das ist recht vernünftig.

Ja. Ich glaube nur, daß T.K. sehr gegen das Wort "Spirit" protestiert, weil es das im Deutschen nicht gibt.

Das finde ich auch nicht gut.

Ist das Deutsche denn eine so arme Sprache? Ist das nicht eher eine Unwissenheit seitens der Übersetzer?... Sie können ein weniger geläufiges Wort nehmen und ihm diese Bedeutung geben - eine Notiz einfügen zur Erklärung der besonderen Bedeutung, die sie diesem Wort geben. Aber für esprit ein Wort zu verwenden, das mental bedeutet, ist Wahnsinn, das entstellt die Lehre sofort.

Ja. Die Schwierigkeit ist, daß das Wort, das sie für esprit nehmen, das Wort ist, das im allgemeinen für das Mental benutzt wird. Wenn man ihm demnach ausschließlich die Bedeutung des Mentals zuweist, hat man nichts mehr für esprit, oder wenn man es ausschließlich für esprit benützt, besteht das Risiko, daß es als "Mental" aufgefaßt wird.

Nein, man muß eine Notiz einfügen.

Gibt es denn kein anderes Wort für Mental?

Ich weiß nicht, welches Wort T.K. benutzt, aber manche Leute übernehmen das Wort "Mental".

Ja, solange die Unterscheidung klar ist ... Sie muß eindeutig sein.

Gut, liebe Mutter.

Man darf das nicht der Intuition der Leute überlassen: es ausdrücklich klarstellen.

(Mutter hebt die Arme mit einer schweren Geste und geht in sich)

***

17. März 1971

Hast du mir nichts zu erzählen, keine Neuigkeiten?

Nein, liebe Mutter. Wie stehen die Dinge?

(nach einem Schweigen)

Weißt du, ich habe den Eindruck, daß der Körper ... Weil er schnell weiterkommen will, wird er mit Peitschenschlägen vorangetrieben. Aber das ist rein persönlich ... Ich beklage mich nicht.

Für die anderen ist das nicht interessant.

Als ertöne ein ständiges Glockengeläute (Mutter macht die Bewegung eines Hämmerns): "Du sagst, daß du nur für das Göttliche leben willst - dann lebe nur für das Göttliche, lebe nur ...", zum Körper auf die Weise (gleiche Geste eines Hämmerns)

Er sieht, wie sehr er noch dieser alten Welt angehört.

Aber nun, es geht.

(langes Schweigen)

Wir sind mitten im Übergang - für alles. Wie lange wird dieser Übergang dauern? Ich weiß es nicht ... Ich habe den Eindruck, die Dinge schreiten so schnell voran wie nur möglich, und wenn sie schneller vorangingen, würde alles zerbrechen.

(langes Schweigen)

Und du?

Ich habe das Gefühl, einer Zurschaustellung aller Dinge des Unterbewußten und der niederen Natur beizuwohnen ...

(Mutter bestätigt mit einem Kopfnicken)

Schrecklich.

Ja, alles widersetzt sich, so sehr es nur kann.

Ach, es ist schrecklich, liebe Mutter! Man hat das Gefühl einer Eigenmacht, die auf nichts hört, auf die man keinen Zugriff hat, die sich über alles mokiert, die nur auf Zerstörung hin orientiert ist - denn es ist wirklich eine Macht der Zerstörung, die sich über alles mokiert: nichts zählt. Etwas auf dem Grunde des Wesens ist zu allem bereit - zu töten, zu ... zu allem nur möglichen.

(Mutter stimmt mit einem Kopfnicken zu)

Und es hat eine Eigenmacht in sich: man kann auf sie einreden, sie bedrohen, man kann sie warnen: "Wenn du das tust, passiert dir etwas." - Das ist ihr völlig egal.

(Mutter stimmt zu)

Man hat den Eindruck, vor einer Sache zu stehen ... Man weiß nicht, was man tun soll, man weiß nicht, wie sie geheilt oder ausgemerzt werden kann.

Oh, das kann nicht aus der Welt heraustreten. Das ist es ja: Es muß an der Stelle sein, wo es NOTGEDRUNGEN transformiert werden wird - notwendigerweise.

Ja, aber wo ... wo ist diese Stelle?

Genau!... Wir wissen es nicht. Wenn wir transparente Instrumente werden können - wir sind voll so vieler Trübheiten! Schrecklich, diese Undurchsichtigkeiten. Könnten wir ... wie ein Leuchtfeuer des Göttlichen sein, das ständig strahlt und das nichts verschleiern könnte - dies ist das einzige Mittel. Wie ein Leuchtfeuer sein, das das Göttliche in die Welt projiziert. Es ist da, aber die Welt ... wie du sagst, sie sieht es nicht, kümmert sich nicht darum. Man müßte daraus ein blendendes Leuchtfeuer machen, dem man unweigerlich ausgesetzt wäre.

Aber gibt es DA überhaupt einen Punkt, der zur Einsicht kommen kann?

Oh, ja - alles ist göttlich. Es gibt NUR das Göttliche. Aber es hat sich in Gegensätze aufgeteilt; und der extremste Gegensatz kann genau durch das extremste Göttliche berührt, besiegt und transformiert werden - kein Mittelweg kann das erreichen. Nur das äußerste Göttliche kann das äußerste Obskure transformieren: (Bewegung eines Insichaufnehmens) die Obskurität aufnehmen und auslöschen. Indem das Göttliche es in sich aufnimmt, kann es seine Wirkung auslöschen.

Aber das erfordert eine gewaltige Macht.

Ja.

Vor allem eine Durchhaltekraft. Das Wichtigste ist eine Durchhaltekraft, die sich durch nichts erschüttern läßt.

(langes Schweigen)

Wenn man es aus der Nähe betrachtet, ist es wirklich eine Macht der Zerstörung. Sagt man nämlich an dem Punkt: "Solltest du in diese Richtung gehen, wirst du sterben, es ist dein Untergang" - so ist ihr das völlig egal.

(Mutter nickt zustimmend)

Vollkommen.

Ja.

Sagt man ihr: "Du wirst dir einen Krebs holen, du wirst ...", so ist ihr das einerlei, nichts zählt - nichts.

(Mutter nickt)

Es will wirklich unseren Untergang - es will DEN Untergang.

(nach einem Schweigen)

Ja, aber das an sich ist die schlimmste Lüge, denn es ist unmöglich - die Welt kann nicht verschwinden. Folglich ist das an sich der Inbegriff der Lüge.

(sehr langes Schweigen,
Mutter schaut)

Es kommt so (Bewegung eines Hämmerns): Die einzige Lösung ist das EINE - es gibt eine Einheit. Immer: Die einzige Lösung ist die Einheit. Wir leiden unter einer Art Unfähigkeit zu sehen, daß alles, was wir "Lüge" nennen, das GLEICHE ist - wir sehen es nur falsch. Natürlich klingt das völlig dumm, und doch ist es das: EINS - EINS-EINS-EINS ... (gleiche Geste eines Hämmerns)

(Schweigen)

Die Lösung liegt in der Fähigkeit der Vereinigung. Aber wie?... (Mutter schüttelt den Kopf)

(langes Schweigen)

Weißt du, die Schöpfung ist das Ergebnis der Teilung; aber diese Schöpfung muß zur Einheit werden, um wieder göttlich zu werden. Jetzt klingt das wie absoluter Unsinn, und dennoch ist es das ... Die Schöpfung ist das Ergebnis der Trennung (oder vielmehr, um genauer zu sein, die Trennung ist aus dem Ergebnis der Schöpfung entstanden), und folglich muß ... Nur die Einheit kann das wieder gutmachen - wie? Ich weiß es nicht.

Aber wenn man in Gegenwart von ... diesem Dunkel, dieser Finsternis, dieser Lüge steht, versteht man blitzartig, daß das nicht geschieht, um uns endgültig ins Verderben zu stürzen, sondern um uns zu etwas anderem zu führen.

Ja, ja. Ja.

Man versteht es blitzartig; dies geschieht, um uns zu einem stärkeren Lichtpunkt zu führen.

Ja.

Aber der Übergang ist nicht lustig.

(Mutter schüttelt den Kopf,
lange Konzentration,
Mutter nimmt Satprems Hände)

***

24. März 1971

(Ein anderes Zeichen der Zeit: Der Postbeamte des Ashrams weigert sich, Satprems Briefe mit Marken zu versehen - warum? Wir wissen es nicht. Zu dieser Zeit gab Satprem Mutter all sein Geld und besaß persönlich nichts. Mutter mußte deshalb eine eigenhändige Notiz schreiben, damit seine Briefe mit Marken versehen wurden. Danach bleibt sie während des ganzen Gesprächs sehr verinnerlicht. Beim vorigen Treffen, am 20. März, war dasselbe geschehen; an dem Tag hatte sie Satprem das erste Exemplar von La Genèse gegeben und war dann die ganze übrige Zeit versunken geblieben.)

Was sagst du?

(Mutter schüttelt den Kopf und geht in sich)

Nichts zu sagen. Hast du Fragen?

Ich habe keine Fragen. Ich hätte vielmehr Wünsche ...

Die Situation ist sehr schwierig. Ich würde lieber nicht sprechen.

(Mutter geht wieder in sich)

***

27. März 1971

(Mutter bleibt sehr interiorisiert. Man hat den Eindruck einer totalen Passivität in einer gewaltigen Aktion. Man befindet sich wie in einem Bad einer fast zermalmenden Macht.)

Sieh!

(Mutter hält auf ihrem Schoß eine volle Zeitungsseite)

Es ist die Einleitung deines Buchs ... in Amerika.

In der "Ulster County".

(Mutter lächelt und geht in sich)

Hast du nichts?

Betrachtet man die Weltereignisse [[Satprem denkt vor allem an Ostpakistan (Bangladesh), das gerade seine Unabhängigkeit erklärte, inmitten der Massaker der Truppen Westpakistans. ]] und selbst die Ereignisse im individuellen Bewußtsein, so hat man mehr und mehr den Eindruck einer radikalen Änderung ...

(Mutter stimmt lebhaft mit einem Nicken zu)

Jetzt attackiert nicht mehr die Lüge die Wahrheit, sondern die Wahrheit attackiert die Lüge.

(Mutter nickt und geht dann lange in sich)

Ist dies nicht das Vorspiel zur Wiedervereinigung Indiens?

Ja.

(Mutter geht wieder in sich)

Beim letzten Darshan [im Februar] hatte jemand eine Vision - es war übrigens G.

Ach!

Während du da warst, sah er deinen Körper wie gewöhnlich, aber plötzlich hattest du gewaltige, unermeßliche Arme, weit geöffnet - phantastische Arme -, und hier unten, ganz nahe, waren die Leute vom Ashram, und dahinter gab es Menschenmengen über Menschenmengen ... die in diese Arme kamen. Als ob die ganze Menschheit von weither käme und sich näherte.

(Mutter nickt und geht in sich)

***

31. März 1971

Du hast schon lang nicht mehr von Sri Aurobindo gesprochen.

Ich habe nichts zu sagen.

Sagt Sri Aurobindo denn etwas?

(nach einem Schweigen)

Er ist sehr beschäftigt mit ... (Geste zum Norden) allem, was sich im Lande abspielt.

Es ist ernst.

Worauf wartet Indien bloß?

Warten auf was?

Nun, dieses Land anzuerkennen [[Um offiziell die "provisorische Regierung" von Bangladesh unter der Führung von Sheikh Mujibur anzuerkennen. Erst acht Monate später, am 6. Dezember, erkennt Indien Bangladesh an. ]] .

Ach! Es hat es anerkannt.

Nein, liebe Mutter, es hat es nicht anerkannt.

Sie sagten mir ...

Es hat seine "Sympathie" ausgedrückt, das ist alles. Aber es hat es nicht anerkannt.

Heute erhielt ich Neuigkeiten von der Regierung. Sie sagten mir, sie wollten sich mit Amerika verständigen, um eine offizielle Anerkennung auszusprechen [[Es handelt sich eher um Vorverhandlungen, um zu sehen, ob sich Amerika nicht der Unabhängigkeit von Bangladesh widersetzen wird. ]] .

Gut ... Ja, es wäre an der Zeit.

(Schweigen)

Aber dazu braucht man nicht Amerika.

Es richtet sich gegen China. China unterstützt als einziges Land Pakistan [[Nixon wird Kriegsschiffe schicken, um Indien zu bedrohen, falls es zugunsten von Bangladesh eingreifen sollte. ]] .

Ich glaube, die ganze Welt wartet darauf, daß Indien Bangladesh anerkennt, um der Bewegung zu folgen - sie warten darauf.

Nicht ganz - sie haben sich alle schon ausgesprochen [[Leider ... ]] .

(Schweigen)

Denn es gibt viele Tote dort.

Oh!... (Mutter macht eine Bewegung des Grauens) schrecklich.

Ja.

Es ist ein Massaker.

Ja. Jeden Tag entsenden sie Truppen (West-Pakistan), und sie schikken Panzer und Flugzeuge ... Mir scheint, daß ... Ich weiß nicht ... man darf keine Zeit verlieren.

(Schweigen)

Indien müßte den Mut haben einzugreifen, liebe Mutter.

(Mutter geht tief in sich,
dann, nach einer langen Zeit, macht sie eine Geste,
wie um zu sagen "Was kann man tun?" und geht wieder in sich)

Heute morgen fragten sie mich, was sie tun sollten, aber sie machen nur ... Sie fragen, aber sie machen nur, was sie denken.

Wir werden sehen ... Ich habe nur ein einziges Mittel, und zwar ... (Geste, die Kraft auf die Welt zu drücken). Alles, was ich tun kann (dieselbe Geste), ist, mit der Kraft einen Druck auszuüben.

***

April

1. April 1971

(Anläßlich der Eröffnung der Sportsaison
gab Mutter folgende Botschaft:)

Wir befinden uns in einer der "Stunden Gottes", wo das gesamte Fundament erschüttert wird und eine große Verwirrung herrscht. Doch dies ist eine großartige Gelegenheit für jene, die einen Sprung nach vorn machen wollen; die Möglichkeiten zum Fortschritt sind außergewöhnlich.

Gehört ihr nicht zu denen, die die Gelegenheit nutzen?

Bereitet euren Körper mit Hilfe der Sportdisziplin auf diese wunderbare Veränderung vor.

***

3. April 1971

(Ein weiteres Zeichen der Zeit: Eine Druckerei des Ashrams schickte sich an, entgegen Mutters Anweisungen eine billige Ausgabe der "Genèse" auf betrügerische Weise in Europa und Kanada zu verkaufen, obwohl die Rechte für dieses Buch dort schon vergeben waren. Diese Ausgabe hätte ausschließlich für Indien bestimmt sein sollen. Satprem protestierte ebenfalls gegen den Umschlag und die Aufmachung, die offensichtlich gewählt wurden, um mit wenig Unkosten möglichst viel Geld zu verdienen. Mutters Gesicht ist geschwollen, auch ihre Augen.)

Ich bin angewidert, ich kann niemandem trauen.

Sie verkaufen Bücher wie man Margarine oder Erdnüsse verkauft.

Wenn jemand so lügt, ist es aus. Ich kann kein Vertrauen mehr haben. Man muß einen echten Panzer tragen, um mir ins Gesicht zu lügen.

Ich kann anordnen, alles zu stoppen.

Nein, liebe Mutter, wenn es nur um die Aufmachung geht, werden die Leute keinen Unterschied sehen.

Das ist wahr.

Ich werde mit M darüber sprechen [dem Leiter dieser Druckerei], oder willst du mit ihm reden?

Ich kann mit ihm darüber sprechen, aber es ist gut, wenn du es ihm sagst.

Ich werde es ihm auf jeden Fall sagen.

Nun ...

(Mutter seufzt und geht in sich)

***

7. April 1971

Wir bräuchten eine Botschaft für das Darshan am 24. ...

(nach einem Schweigen)

Ich weiß nicht, ob es gut ist ... Es drückt meine Erfahrung in diesen Tagen aus:

(Mutter schreibt mit geschlossenen Augen)

Die Blindheit der Menschen ist derart,

daß viele Menschen die Wahrheit zu erlangen hoffen,

während sie gleichzeitig die Gewohnheit des Lügens voll beibehalten.

Mindestens vier oder fünf Leute um mich herum lügen - lügen mir ins Gesicht! In diesen Tagen.

Soll ich das nehmen?... Du bist nicht glücklich damit.

Doch, doch! Ich stimme völlig zu ... Denn die Lüge hat viele Ebenen [[Satprem dachte an die Ebene des Unbewußten. ]] .

Jedenfalls sage ich "die Gewohnheit des Lügens", ich sage nicht "die Lüge".

Ja, liebe Mutter, ich weiß wohl, ich sprach von mir selbst.

(Mutter lacht) Was ich da sage, liegt auf einer sehr niedrigen Ebene. Sie erzählen mir Lügen, um mich zu bewegen, gewisse Dinge zu tun. In diesen Tagen. Sie tun es so spontan, daß es ihnen nicht einmal in den Sinn kommt, daß ich es erfahren werde.

M war der erste Fall [[Siehe das vorhergehende Gespräch. ]] .

Wenn ich diese Botschaft gebe, werden sie denken: "Ach, gut; wenn viele es tun, dann ist es ja nicht so schlimm." Das macht nichts!... (Lachen) Sie verdrehen die Dinge immer so.

Ich könnte es in anderer Form bringen:

Wenn man nach der Wahrheit strebt, ist es unerläßlich, nicht zu lügen.

Die Leute werden sagen: "Ach, das ist selbstverständlich."

Ganz so selbstverständlich scheint es doch nicht zu sein!

Sie tun es trotzdem.

Man könnte auch sagen:

Unnötig zu betonen, daß es für jeden nach Wahrheit Strebenden unerläßlich ist, keine Lügen zu erzählen. [[Diese Version wurde schließlich als Botschaft für den 24. April gewählt. ]]

Besonders die Lügen der niederen Natur sind schwierig aufzulösen.

(Mutter nickt) Ja, aber das ist nicht dasselbe wie "Lügen erzählen".

Lügen sind immer das Zeichen eines Mangels an Mut. Man sieht der eigentlichen Situation nicht ins Gesicht.

(Mutter geht in sich,
lange Kontemplation)

Hast du nichts zu fragen?

(Sujata schiebt Satprem ein Papier zu: "Geht Indien vorwärts?")

Was unternimmt Indien, liebe Mutter?

Ich erhielt Neuigkeiten von Indira, die mir mitteilte, daß man jede mögliche Hilfe dorthin schickt [nach Bangladesh]. Sie nehmen eine sehr positive Haltung ein. Aber sie meint, daß es als Ergebnis wahrscheinlich Krieg mit Pakistan geben wird, und vielleicht sogar mit China - sie erwarten das.

Um so besser! - Laß die Lüge aufplatzen!

Weißt du, daß sie mich um meine Meinung gebeten hatten? Ich hatte ihnen gesagt, sie müßten dringend helfen [[Am 3. April schrieb Mutter eine Botschaft an Indira. ]] (dieser Brief war ihr überbracht worden). Man brachte mir ihre Antwort. Sie sagte, das sei selbstverständlich, und sie täten es schon: sogar ärztliche Hilfe, alles. Man schickt alles. Aber Westpakistan hat an Rußland geschrieben ... (Mutter versucht sich zu erinnern). Sie sind verärgert [Rußland?], denn sie hatten den Rat gegeben, keinen Krieg anzuzetteln, und man befolgte ihn nicht. Da sagten sie [die Pakistani]: "Und jetzt geben wir Indien den Rat, nicht zu helfen, denn ... das würde Krieg bedeuten." Rußland informierte Indien. China hat klar Stellung für Pakistan genommen.

Das kann also sehr unangenehm werden.

Es muß geregelt werden, liebe Mutter.

England und Amerika sind immer noch so (Geste des Schwankens).

Für sie ist das eine "interne Angelegenheit" Pakistans.

Ja.

Mir scheint, in Indien zögert man eine wirksame Stellungnahme hinaus, dieses Land anzuerkennen.

Oh, es geschieht in diesen Tagen. Vor zwei oder drei Tagen ...

Ich spreche von einer offiziellen Anerkennung der Regierung von Bangladesh.

Dort gibt es keine Regierung.

Doch, sie sagten, es gebe eine Regierung - eine provisorische Regierung.

Wann sagten sie das?

Vor mindestens fünf oder sechs Tagen.

Ja, aber der Herr [Sheikh Mujibur] wurde gefangengenommen - und noch dazu gefoltert, um ihn zu zwingen, Dinge zu sagen, die er nicht sagen will [[Ihn zu zwingen, öffentlich der Unabhängigkeit Bengalens abzuschwören. ]] .

Das ist schrecklich, mein Kind!

Ja, ja.

(Schweigen)

Doch ich habe den Eindruck, je mehr Indien zögert oder ausweicht, um so schwieriger wird die Situation.

Aber damit ist Schluß. Sie machen keine Ausflüchte mehr.

Ja, außer daß es die Regierung von Bengalen nicht offiziell anerkennen will.

Doch.

Wie das?

Sie trugen selbst dazu bei, sie zu bilden.

Ach?

In diesen Tagen - die Neuigkeiten sind noch nicht herausgekommen. Ich erhielt Nachrichten, die noch nicht veröffentlicht wurden.

(Schweigen)

Es ist viel ernster, als es scheint.

Ja, liebe Mutter.

(Schweigen)

Aber ich habe den Eindruck, daß Indien das Symbol für die Schlacht der Welt ist, und daß das neue Bewußtsein sich nicht in der Welt niederlassen kann, solange Indien nicht seine Einheit wiedergefunden hat.

Ja.

(Schweigen)

Offensichtlich ist Indien das Symbol der Neuen Welt, die entsteht, und Indien muß symbolisch "eins" sein, damit die Neue Welt zustande kommen kann ...

Ja.

Folglich muß Pakistan verschwinden [[Satprem meint natürlich nicht die physische Auslöschung von Pakistan sondern die Beseitigung dieser künstlichen Trennung, die durch die Engländer geschaffen wurde nach dem Motto: "Teile, um zu herrschen". Es sei daran erinnert, daß die Moslems jahrhundertelang in völliger Eintracht mit den Indern gelebt haben bis zu dem Tag im Jahr 1947, wo man in Downing Street anders darüber entschied, sich dabei auf den politischen Ehrgeiz von gewissen Indern stützend, die unzufrieden darüber waren, nicht ihren Machtanteil zu haben. ]] .

Aber ja!

Darüber gibt es nicht den geringsten Zweifel. Die Zeit ist offenbar reif.

Aber sie haben die Gelegenheit schon verpaßt [[1965 mit dem berüchtigten "Waffenstillstand" und dem Rückzug in Taschkent. ]] .

Sie haben die Gelegenheit schon einmal verpaßt, ja. Aber diesmal ... darf man sie nicht wieder verpassen.

(Schweigen)

Aber Indien selbst ist geteilt.

Geteilt?

Ja, zum Beispiel in Orissa. Ein großer Teil Orissas steht ganz unter dem Einfluß Sri Aurobindos, und ein anderer rebelliert ... N.S. hat erbitterte Feinde dort. Sie wurde nominiert [bei den Wahlen] und hat erbitterte Feinde - Indien selbst ist geteilt.

(Schweigen)

Die Lage ist ernst.

Es bräuchte einen so brennenden Glauben ... aber ... (Geste des Zerbröckelns)

Verstehst du, die Kraft wirkt derartig ... Lügen, die seit Jahren grassierten, wurden auch hier sichtbar - überall besteht die Vermischung.

Es bräuchte ... nicht wahr, es bräuchte eine so große Kraft der Wahrheit, damit sie fähig wäre, das zu überwinden.

(Schweigen)

Für mich ist der Sieg sicher, aber ich weiß nicht, ob es für morgen ist oder ... (Geste in die Ferne)

Ich weiß nicht, welchen Weg wir nehmen werden, um dorthin zu gelangen.

Der Sieg ist sicher, das ist offensichtlich, aber welchen Weg wird man einschlagen?

Das hängt sehr von unserer individuellen Einstellung ab, und gerade das verstehen sie nicht. Man müßte sich so stark an die Wahrheit klammern, daß einen nichts berühren kann.

(Schweigen)

Es läuft immer auf dasselbe hinaus: "Was Du willst, Herr, was Du willst."

Aber es ist gewaltig geworden.

***

Ohne Datum

(Handschriftliche Notiz Mutters:)

Sie wollen kein Göttliches,

das sie nicht täuschen können.

***

10. April 1971

Ich habe zwei Zitate für das April-Bulletin gefunden ...

Das freie, eine und unteilbare Indien

ist die göttliche Realisation,

auf die wir hinschreiten. [[Die Lehre des passiven Widerstands, I.122. ]]

April 1907
Sri Aurobindo

Oh, das ist sehr gut! Das ist gerade jetzt relevant.

Das Ende eines Evolutionsabschnittes

wird meist gekennzeichnet durch ein mächtiges

Aufbrechen von allem,

was aus der Evolution verschwinden soll. [[Der Karmayogin, III.347. ]]

1909 - 1910

Sri Aurobindo

Genau das ist es. Genau das Richtige!... Beide Texte sollten zusammen veröffentlicht werden.

(Mutter geht in sich)

Gibt es nichts?

Wie siehst du die Dinge?

Gefährlich.

(Mutter geht erneut in sich)

Es ist besser, nichts zu sagen. Im Augenblick möchte ich lieber nicht sprechen.

***

11. April 1971

(Satprem hatte gegen den "nietzscheanischen" Umschlag der Genèse protestiert, auf dem der "Surhomme" in riesigen Buchstaben erschien, und vor allem gegen die Verkaufsmethoden dieser Druckerei. Das löste einen Sturm aus. Satprem weiß nicht genau, was Mutter berichtet wurde, aber sie schickte ihm einen strengen Brief. Die Feindschaft, die als Vertrauter Mutters zweifellos gegen ihn schwelte, war ihm vollkommen entgangen. Er lebte völlig abseits der Machenschaften des Ashrams, und sobald er sein Haus verließ, wurde er von Besuchern bedrängt, was ihm eine andere Art von Feindschaft zutrug. Um der Genauigkeit und Vollständigkeit willen werden diese Tatsachen hier angeführt, denn sie sind symptomatisch für das Ganze.)

Von Mutter an Satprem

Satprem,

Heute morgen traf ich B [[Der Buchhändler, Bruder des zukünftigen "Eigentümers" von Auroville. ]] , der mir den Brief brachte, den du an M [den Leiter der Druckerei] geschrieben hast ... Er schmerzte mich, denn er war ein Ausbruch eines erregten Mentals und stammt sicherlich nicht von der leuchtenden Intelligenz, die das Buch geschrieben hat. Ich vereinbarte mit B, dich um ein oder zwei Entwürfe für den Umschlag zu bitten, die dir passend erscheinen, damit ich die endgültige Entscheidung treffe [[Der "Umschlag" trat bei dieser Angelegenheit in den Vordergrund, während die geschäftlichen Machenschaften der Druckerei stillschweigend übergangen wurden. Jemand wagte, seinen Finger auf ein umfangreiches Netz finanzieller Manipulationen in ausländischen Devisen zu legen. Wir sind noch nicht am Ende dieser Geschichte angelangt. ]] .

Aber die Lehre, die man aus dem Ganzen ziehen kann, ist, sich ruhiger zu verhalten, um nicht den Kontakt mit dem Höchsten Herrn zu verlieren.

Leider zwingt mich meine schlechte Sicht, immer auf Vermittler zu zählen, was die Harmonie des Ablaufs stört.

Mit all meiner Zärtlichkeit und meinen Segenswünschen

Mutter

***

14. April 1971

(Als Folge auf Mutters letzten Brief an Satprem:)

Mein Kind, wenn ich dir wehgetan habe, bedaure ich das sehr. (Mutter nimmt Satprems Hände)

Ach, nicht doch, liebe Mutter!

Siehst du, ich sprach zu dir, wie ich zu mir selbst sprechen würde (Mutters Brief an Satprem), so offen wie möglich. Aber ich glaubte wirklich nicht, es würde dir wehtun. Ich sah in dir, daß du nun die Dinge weißt ... Sag mir, was du auf dem Herzen hast.

Nein, liebe Mutter, jetzt ist es völlig vorbei. Es ist vorbei. Ein, zwei Tage waren ... etwas schwierig, und dann war es vorbei.

(Mutter hält Satprems Hände fest umschlossen)

Letztlich habe ich nur bedauert, daß es deine ganze Zeit in Anspruch nimmt und daß man solche Geschichten darum macht. Das ist alles.

Oh, das macht nichts.

... Es gibt wirklich wichtigere Dinge [[Die Truppen Pakistans unternahmen vor dem Beginn des Monsuns eine Generaloffensive gegen Bangladesh; es gelang ihnen, fast die ganze Grenze zu Indien abzuriegeln, so daß sie alle Hilfsmöglichkeiten abschnitten, und die Chinesen sammelten ihre Truppen an den nordöstlichen Grenzen. ]] .

Ach, mein Kind, die Situation ist ... schrecklich gefährlich.

Ja.

Es bleibt nur ... Nur indem man sich verzweifelt an das Göttliche klammert - aber an das reinste und mächtigste Göttliche -, kann man eine ... eine allgemeine Katastrophe vermeiden. Schrecklich.

Das Gefühl, daß man keine Minute verlieren darf, daß man sich ständig, ständig, ständig an das Göttliche klammern muß, um es dazu zu bringen, hier herabzusteigen. Andernfalls ... andernfalls ist es schrecklich.

Für mich ist es nötig ... Für mich ist es nötig, daß alle, die mich lieben, mich verstehen.

Ja, liebe Mutter, ja.

(Schweigen)

Ja, ich selbst ging auch durch eine Periode (ich wage kaum, in der Vergangenheit zu sprechen), wo eine völlige Zersetzung stattzufinden schien.

Ja, ich auch.

Ein Ansturm.

Ich weiß, ich weiß.

Etwas will mich heftig heimsuchen ...

Ich weiß. Du kannst dir nicht vorstellen, wie konkret ich Tag und Nacht bei dir war.

Du weißt, was ich alles durchgemacht habe?

Ja, ich weiß ... Ich weiß ... Vergiß es, willst du? Das ist das Beste, was du tun kannst. Das ist ein Teil des Wesens, der verschwinden muß - das bist nicht du.

Ich weiß, liebe Mutter, das bin nicht ich. Aber es versuchte mich sehr scharf zu treffen.

Ja, ja, das ... Ich sage dir, Tag und Nacht, ständig, ständig kam es so ... Aber wenn man das in einen großen Sieg verwandeln könnte - nein ... nicht "wenn": man MUSS, mein Kind. Damit alles, was sich noch dort unten festklammert, verschwindet - weg damit, man spricht nicht mehr davon.

Ja, liebe Mutter, ich möchte das gern. Mit deiner Hilfe, ja.

Es ist, als ob ... als ob du hochstiegest, als ob du ein altes Gewand abwürfest und geradewegs zum Licht stiegest - ich sah es ... Ich sah es.

(Schweigen,
Mutter hält immer noch Satprems Hände fest)

Genau das Zitat, das wir im Bulletin veröffentlichen [["Das Ende eines Evolutionsabschnittes wird meist gekennzeichnet durch ein mächtiges Aufbrechen von allem, was aus der Evolution verschwinden soll." ]] - das ist so zutreffend!

Ja. Es wütet. Alles, was verschwinden soll, schlägt um sich.

Ja, es wütet mit Verbissenheit.

(Schweigen)

Aber das Land befindet sich in einer äußerst gefährlichen Situation.

Ja.

China ... Vor langer Zeit (vor mehr als einem Jahr) hatte ich die Absicht Chinas gesehen. Jetzt ist die Gelegenheit da [[China hatte angekündigt, daß es angreifen würde, falls Indien sich in die "inneren Angelegenheiten" Pakistans einmischte. ]] . Und China ... das bedeutet, daß ganz Indien, brff! (Geste eines Überstürmtwerdens) Nein, ich sage dir: Nur das Göttliche kann retten. Es bedarf eines göttlichen Eingreifens, nur das kann retten - etwas Außergewöhnliches, Anomales, Unerwartetes. Andernfalls ... andernfalls ...

(langes Schweigen)

Wirklich ... Es läßt sich wirklich so ausdrücken: Nur der göttliche Wille kann uns retten - alle Umstände sind ... (Geste mit ineinandergeschobenen Fingern) Deshalb müssen wir uns aller Dinge entledigen, die uns noch unten festhalten, um wirklich bereit zu sein, diesen göttlichen Willen zu empfangen.

Ich verstehe das gut, liebe Mutter, von Grund auf. Doch ich glaube allein an die göttliche Gnade - denn unsere eigenen Kräfte sind ...

Ja, ich weiß, mein Kind.

(sehr langes Schweigen)

Ach, weißt du, der Körper, wirklich der ganze Körper will die Transformation, und er ist ... Die Welt der Unaufrichtigkeit, die dort drinnen besteht, ist erschreckend - in den Zellen, in diesen ... oh!... Daher die Dringlichkeit - die Dringlichkeit FÜR das ... Erschreckend ... Tag und Nacht herrscht der Wille ... der Wille, göttlich zu werden.

(Schweigen)

In diesen Tagen brachen ALLE alten Auffassungen zusammen, alle alten Reaktionen. Das war ... Und dann ... was dann? Was?... Das ist es: nichts bleibt, nichts, nichts ... (Geste mit geballten Fäusten) nur ein Wille - ein Wille, ein Verlangen, ein zwingendes Bedürfnis: Oh, die Herrschaft des Göttlichen muß kommen!

(Schweigen)

Das Gefühl der eigenen Unterlegenheit und Unfähigkeit haben - mit dieser Aspiration, daß allein das Göttliche herrsche.

(Schweigen)

Und du, mein Kind, dies ist deine Bestimmung. Deine Bestimmung ist, daß du bewußt wirst und das Göttliche manifestierst - dies ist deine Bestimmung. Es muß .... Ich bin in Eile, denn ich sehe, daß sich die Umstände mehr und mehr ... zuspitzen - gefährlich. Nur ein Wunder kann uns retten - das heißt, das, was wir für ein Wunder halten: das Eingreifen ... das Eingreifen des göttlichen Willens in seiner Reinheit, ohne Entstellung, ohne Widerspruch, ohne Hindernis - nur Das.

(Schweigen)

Wir müssen unser Bestes geben - und das ist noch weit von dem entfernt, was es sein soll.

(Mutter geht in sich,
eine lange Kontemplation wie ein gemeinsames Gebet
für den Schmerz der Erde)

Oh, mein Kind!...

(Mutter geht in sich)

***

17. April 1971

A sagte mir, daß ihm dein Buch sehr gut gefalle [[La Genèse du Surhomme. ]] .

Ach, gut!

Ja ... Ich freute mich für ihn! (Lachen)

Aber weißt du, den ersten anfänglichen Reaktionen nach verursacht das Buch eine Art Spaltung.

Ach, ja?

Ja, wie ein Schisma.

Wieso?

Es scheint, daß eine ganze Gruppe junger, offener und enthusiastischer Leute die neue Möglichkeit darin sieht, während eine andere "Schule", die viel Tapasya [spirituelle Disziplin] geleistet hat und sehr an die Tugenden aller möglichen Disziplinen glaubt, erklärt: "Aber nein, das kann nicht so sein!"

Ach!

Leute, die an die Tugenden der Meditation, der Tapasya, der Disziplinen usw. glauben und meinen: "Man muß große Anstrengungen unternehmen" - je mehr Anstrengungen sie aufgewendet haben, um so mehr schockiert sie deshalb die Unmittelbarkeit der Sache.

(Mutter lacht) Aber es ist viel schwieriger zu tun, was du sagst [[Um verständlicher zu machen, worin dieses "Schisma" bestand, veröffentlichen wir als Addendum den Text eines Briefes an einen enthusiastischen aber irregeleiteten Leser. ]] !

Ja, tatsächlich.

(Mutter lacht) Viel schwieriger ... Das bedeutet, daß sie nicht verstehen.

Genau so ist es.

Sie sehen nur Worte.

Leider sehe ich diese Art von Reaktion auch bei T [der englischen Übersetzerin].

Ja, ja.

Das besorgt mich, denn ich frage mich, was ihre Übersetzung taugt.

Hat sie dir denn nicht gesagt, was ich ihr geschrieben habe?

Nein, liebe Mutter.

Ach!... Sie hatte mir nämlich geschrieben, daß ihr einige Abschnitte in deinem Buch mißfielen ...

Ja, mir sagte sie, sie finde gewisse Stellen "repulsive" [abstoßend].

Daraufhin bat ich sie: "Zitiere mir die Abschnitte!" Darunter war ausgerechnet einer von denen, die mir am besten gefielen (Lachen). So schrieb ich ihr: "Leider muß ich Dir sagen, daß Du das Buch nicht verstanden hast ..." Sie hat mir nie geantwortet.

Ja, mir hat sie auch geschrieben.

Hat sie dir berichtet, was ich ihr gesagt hatte?

Nein, nein, liebe Mutter. Aber sie meinte, in dem Buch sei keine "Präsenz".

Keine ...?

Keine Präsenz. [[Man beschuldigte Satprem sogar, "Sri Aurobindo verraten zu haben". So gab es eine kleine Clique von "Intellektuellen" im Ashram, die sich nach Sri Aurobindos Weggang lange weigerten, Mutter anzuerkennen (und wieviele Briefe mußte selbst Sri Aurobindo zu seiner Zeit schreiben, um Mutter zu verteidigen). Wir vermuten, daß dieselbe, heute sehr einflußreiche kleine Clique Mutter niemals anerkannt hat, außer durch Lippenbekenntnis, und daß sie es vorzogen, sich hinter einem "philosophischen Sri Aurobindo" zu verstecken, während Mutter sie zu einem gründlicheren Yoga verpflichtete (oder verpflichten wollte). Dies ist das "Schisma". Die erste Reaktion der englischen Übersetzerin läßt erahnen, was nach Mutters Weggang zum Ausbruch kam. Nach und nach begannen alle diese kleinen Wellen zusammenzulaufen. ]]

Aber das ist nicht wahr!

Das stört mich im Hinblick auf die Übersetzung.

Ja, ihre Übersetzung kann nicht gut sein ... Man muß eine andere machen.

Sie hatte mir einen ganzen Abschnitt deines Buches geschickt, wobei sie jedoch einen Teil eines Satzes ausließ, so daß es genau das Gegenteil von dem ausdrückte, was gesagt wurde ... Damit verstand ich, daß dort eine ... (Bewegung einer Entstellung) war.

Ja, sie lassen stets Dinge weg.

Wie kann sie dann übersetzen?

Ja, das stört mich. Sie zeigte mir ihre Übersetzung, und so kann ich ihr sagen: "Dieses Wort ist nicht richtig; da ist ein Widersinn", aber das ist alles, was ich tun kann - es ist nicht genug, daß die Worte stimmen: etwas anderes ist nötig.

Oh, ja!

Ich weiß nicht, ob dieses "andere" da ist.

A konnte früher sehr gut Englisch, er kann es vielleicht lesen und es dir sagen.

(Schweigen)

Aber sie hat mir nicht geantwortet (auf Mutters Brief). Sie muß mich für verrückt halten.

Ach! Nein, das glaube ich nicht, liebe Mutter.

Sie sind ... dreiviertel von ihnen denken so, mein Kind.

Nein, liebe Mutter, nein.

Weil ich nicht dasselbe tun kann wie sie, nicht mehr sehr deutlich sehe und schlecht höre, halten sie mich für völlig benebelt.

Nein, nein, liebe Mutter! Ich glaube wirklich nicht, daß es viele sind.

Das macht nichts! (Mutter lacht schalkhaft)

(Schweigen)

Aber wenn man eine andere englische Übersetzung macht, muß es jemand sein, der nicht hier lebt.

Nicht hier?

Ja, denn das würde sie verletzen.

(langes Schweigen,
Mutter geht in sich)

Hast du etwas zu sagen?

Ja, zu einem ganz anderen Thema ... Zu den Ereignissen.

Oh!...

Ich dachte, für diese "Agenda", wo wir alle Geschehnisse notieren, wäre es gut - falls du zustimmst - zu vermerken, was du genau an Indira geschrieben hast. Es wird behauptet, du hättest ihr geraten [in Bangladesh] einzugreifen, aber ... Was hast du ihr genau geschrieben?

Ich erinnere mich nicht ... Ich schrieb ihr zwei Mitteilungen, eine am 3. und eine am 4. - ich weiß, daß es der 4. war, denn das war der Tag von Sri Aurobindos Ankunft hier. Aber was in diesen Mitteilungen geschrieben stand ... Es sei denn, man hat vielleicht eine Kopie aufbewahrt?...

(Mutters Assistentin sucht)

Es sieht so aus, als würde man es tatenlos zulassen, daß dieses Land zerstört wird.

Nein. Es gibt schon drei oder vier Länder (ich erinnere mich nicht mehr), die es anerkannt haben.

Aber nein, liebe Mutter, niemand!

Doch, man sagte es mir heute morgen.

Niemand, liebe Mutter, niemand!

Aber heute morgen hat man es mir gesagt.

Die Leute von Bangladesh entsandten Abgeordnete, um die Anerkennung zu erlangen, aber bis jetzt ...

Doch. Sie haben gearbeitet. Drei Länder haben es schon anerkannt.

Aber nein, liebe Mutter, ich versichere dir!... Es sei denn, es gibt geheime Neuigkeiten; niemand hat Bengalen anerkannt.

Die Neuigkeiten, die wir erhalten, sind überhaupt nicht vollständig ... Nun, ich weiß es nicht.

Den Nachrichten zufolge nehmen pakistanische Truppen gerade wieder Städte ein, und nicht nur das, sie riegeln auch die Grenze mit Indien ab, so daß selbst die geheime Unterstützung, die wir geben konnten, nicht mehr hindurch kann.

Woher hast du diese Neuigkeiten?

Das sind die offiziellen Nachrichten.

(langes Schweigen,
die Assistentin bringt Mutters Mitteilung an Indira)

Du hast geschrieben: "The urgent recognition of Bangla-Desh is imperative." [Die dringende Anerkennung von Bangladesh ist zwingend].

Ja, "the urgent recognition" ... [die dringende Anerkennung]. Das ist die zweite Notiz, die vom 4. April: "The urgent recognition of Bangla-Desh is imperative." [[Die erste Version vom 3. lautete: India must recognize Bangla-Desh. This is urgent. [Indien muß Bangla-Desh anerkennen. Das ist dringend.] ]]

Sie haben nicht auf dich gehört. Man hört nicht auf dich.

Man sagte mir, es sei geschehen.

Aber nein, liebe Mutter, gar nichts wurde getan.

Es sei sogar eine Regierung gebildet worden und so weiter.

Ach, das ja. In Bangladesh haben sie eine provisorische Regierung gebildet, aber man hat sie nicht anerkannt.

(Schweigen)

Je länger man es hinauszögert, um so unmöglicher wird es einzugreifen.

(nach einem Schweigen)

Die Nachrichten, die von dort eintreffen, sind sehr widersprüchlich.

Ich habe Neuigkeiten von Surendra Mohan [ein Berater Indiras], der aktiv arbeitet ...

Dann ist es eine heimliche Anerkennung, denn offiziell wurde es in keiner Weise anerkannt [[Tatsächlich erklärte der indische Präsident V.V. Giri am nächsten Morgen auf einer Pressekonferenz, wo man ihn beharrlich fragte, warum er Bangladesh noch nicht anerkannt habe, folgendes: "Die Bundesregierung untersucht gerade die Frage, ob man die Regierung von Bangladesh anerkennen solle." Dann fügte er hinzu: "Unsere Sympathien sind mit dem Volk von Bangladesh. Es steht der Ministerpräsidentin [Indira] und dem Bundeskabinett zu, über diese Frage zu entscheiden." (P.T.I.) ]] .

(Schweigen)

Es ist jedenfalls eine Tatsache, daß die pakistanischen Truppen weite Gebiete wieder einnehmen und versuchen, eine provisorische Pseudoregierung unter ihrer Kontrolle aufzustellen. Genau das tun sie. Eine Regierung von Verrätern, verstehst du, wie Pétain [der Präsident der französischen Vichy-Regierung im Zweiten Weltkrieg, die mit den Nazis zusammenarbeitete].

(Mutter geht lange in sich, und hebt dann die Hände)

Ich weiß nicht (traurige Stimme).

(Mutter geht wieder in sich)

Ich bin sicher, daß die Wahrheit ganz anders aussieht - weder das, was die einen sagen, noch das, was die anderen sagen. Aber was ist sie?... [[Man fragt sich, welche Art Nachrichten Mutter von ihrer Umgebung erhielt. ]]

(Schweigen)

Jedenfalls besteht noch eine viel größere Gefahr, und zwar die einer Hungersnot.

Ja, liebe Mutter.

Surendra Mohan wird versuchen, alle nötigen Lieferungen von Amerika herkommen zu lassen.

Ja, aber die pakistanischen Boote sind da und fangen alles ab.

Es müßte von Indien kommen.

Aber sie schließen gerade die Grenzen!... Mutter, die Tatsache ist, daß sie nicht auf dich gehört haben und die Gelegenheit verpaßt haben - sie sind dabei, sie zu verpassen.

(Mutter geht in sich,
nimmt dann Satprems Hände
und sieht müde aus)

***

Addendum

"Das Schisma"

Satprem hatte einen enthusiastischen Brief eines Lesers der Genèse erhalten, der folgendes sagte:

"Bis zum Jahr der Gnade 1969 [der Herabkunft des Neuen Bewußtseins] waren alle Philosophien, alle Religionen, alle "Ismen", alle Spiritualitäten nur verfeinerte Produkte des "mentalen Zirkels" (laut der Genèse du Surhomme). Alle Erfahrungen sind nur "höhere Ebenen des Mentals" (S. 61); diese "Gipfel des Geistes" sind nur "Höhepunkte des Ichs" (S. 61); wir müssen uns der Weisheiten der Vergangenheit, der Aufstiege der Vergangenheit, der Erleuchtungen der Vergangenheit und all dem Spektakel der alten Heiligkeiten des Geistes entledigen" (S. 29) usw. Kurz, alles, was vor 1969 geschah, ist eine Verfeinerung der "alten Haut" (S. 28). Das ist völlig klar. Dieses Geheimnis haben einige berührt: die Rishis, die Ägypter - der Leser versteht, daß sie die Intuition hatten, aber nicht die Erfahrung. Das gleiche gilt für Sri Aurobindo, der das "verkündete", aber dennoch führte sein Yoga die Verfeinerung der "mentalen Blase" fort; der Leser versteht deshalb, daß er den Schlüssel dieses Yoga des Übermenschen nicht kannte und unterdessen den integralen Yoga lehrte ..."

Der Irrtum dieses Lesers ist wie eine umgekehrte Demonstration dessen, was die "Orthodoxen" der Genèse du Surhomme vorwarfen, nämlich, Sri Aurobindo verraten zu haben. Hinter diesem angeblichen "Schisma" versteckten sich einerseits diejenigen, die Mutter von Sri Aurobindo trennen wollten und es bequemer fanden zu philosophieren, als konkret den Yoga zu betreiben, und auf der anderen Seite, am anderen Extrem, diejenigen, die es bequemer fanden, alle spirituellen Disziplinen zu verwerfen, um nur nach ihrer Lust und Laune zu leben. Zwei Extreme derselben Verirrung. Hier Satprems Antwort an den Leser:

Pondicherry, 6. April 1971

Sie sind recht kühn zu behaupten, Sri Aurobindo habe den Schlüssel zum Yoga des Übermenschen nicht gehabt und sein integraler Yoga sei eine Verfeinerung der mentalen Blase. Wo soll ich denn erlernt haben, was ich schreibe, wenn nicht von Mutter und Sri Aurobindo? Sie vergessen, daß dank seiner Arbeit der Yoga des Übermenschen erst möglich ist, daß er es war, der ihn vorbereitet hat, der den großen Fluß des Neuen Bewußtseins herabkommen ließ, so daß die Menschen, anstatt die göttliche Wahrheit dort oben zu suchen, sie hier leben können und bei jedem Schritt in ihr gehen können. Das liefe darauf hinaus, zu sagen, Sri Aurobindo habe nicht den Schlüssel zu der Tür gehabt, die er geöffnet hat!

Sein Yoga ist integral, denn anstatt die Suche auf die spirituellen Höhen zu beschränken, sagte er uns wiederholt, daß man den Körper miteinbeziehen müsse und die spirituelle Wahrheit in unseren Körper und in unser Leben herabsteigen lassen müsse. Der Weg des Aufstiegs und alle anderen Wege und Ebenen des Bewußtseins sind Teil einer integralen Entwicklung - für jene, welche die Zeit und die besonderen Fähigkeiten haben, die das erfordert. Aber diese Abschweifungen sind nicht mehr zeitgemäß, denn alles kann hier gefunden werden - weil Mutter und Sri Aurobindo den Weg HIER eröffnet haben. Erinnern Sie sich bitte an Mutters Erklärung: "Sri Aurobindo kam, um uns zu sagen: Es ist nicht nötig, die Erde zu verlassen, um die Wahrheit zu finden; es ist nicht nötig, das Leben zu verlassen, um seine Seele zu finden; es ist nicht nötig, die Welt aufzugeben oder einen beschränkten Glauben zu haben, um mit dem Göttlichen in Beziehung zu treten. Das Göttliche ist überall, in allen Dingen, und wenn es verborgen ist, dann nur, weil wir uns nicht die Mühe machen, es zu entdecken." (Entretiens, 13.8.1958) Und wieder: "Für viele ist das spirituelle Leben gleichbedeutend mit Meditation. Solange diese Dummheit nicht aus dem menschlichen Bewußtsein gefegt wird, bleibt die supramentale Kraft immer einer erheblichen Gefahr ausgesetzt, von der Finsternis einer unverständigen menschlichen Denkweise verschlungen zu werden". (Entretiens, 17.4.1957) Wenn Sie Sri Aurobindo und Mutter zu lesen wissen, werden Sie sehen, daß sie den hiesigen Weg und diesen Sonnenweg vollkommen beschrieben haben - La Genèse setzt lediglich eine absichtliche Betonung auf dieses "Hier", weil wir keine Zeit verlieren dürfen und weil nicht alle die besonderen Fähigkeiten haben, weitläufige Forschungen zu unternehmen - schließlich sind wir in der Stunde Gottes: sie hat begonnen. Sie ist da. Denn es hat sich wirklich etwas verändert in der Welt seit 1969.

Sri Aurobindos Yoga hat sich nicht verändert, er blüht nur auf, wenn ich so sagen darf. Ich glaube nicht, daß die Blüte des Flamboyanten das Gegenteil des Flamboyantenbaumes ist.

Jetzt stiften Sie eine komplette Verwirrung zwischen dem Psychischen und dem Spirituellen. Das Psychische, die Seele, das innere Feuer, Agni, gehören nicht der "mentalen Blase" oder irgendeiner Blase an: es ist das Göttliche in der Materie. Dieses kleine Feuer öffnet die Tür zum großen Sonnenfeuer des Neuen Bewußtseins. Es ist das Instrument des Yoga des Übermenschen (wenn ich von den Leuten spreche, die ihren "psychischen Knopf" betätigen, benutze ich hier das Wort in dem allgemeinen und lächerlichen Sinne, den die Menschen ihm gewöhnlich geben, wenn sie hellsichtige und okkulte Erfahrungen suchen - nicht in seinem wahren Sinn). Andere hatten zu allen Zeiten die Erfahrung des Psychischen, dieses inneren Feuers, aber außer den Rishis benützte es keiner, um die Materie zu transformieren; die Religionen machten eine rein fromme und "mystische" Angelegenheit daraus. Was das "Spirituelle" betrifft, es umfaßt alle Bewußtseinsebenen oberhalb des gewöhnlichen Mentals. Es ist der Weg des Aufstiegs. Genau da sage ich und wiederhole mit Nachdruck und aus eigener Erfahrung, daß die großen Erfahrungen, aus denen man spirituelle Höhepunkte macht, sich in der mentalen Blase befinden (einbegriffen das Übermental): es sind ätherische Gipfelpunkte, wo das Wesen sich in eine wunderbare, unermeßliche, königliche Weiße auflöst, ohne einen Hauch von Unruhe, in einem ewigen Frieden - der definitionsgemäß Tausende von Jahren andauern kann, ohne daß ein Jota in der Welt verändert würde. Aber das Spirituelle ist nicht das Supramental, und wenn man an das Supramental rührt, könnte man fast sagen, daß es ein ganz anderer Geist ist, so dicht, heiß, mächtig, gegenwärtig, inkarniert und strahlend fest ist es mitten auf dem Weg. Eben um dieses Strahlen auf die Welt zu bringen, sind Sri Aurobindo und Mutter gekommen - sie hörten nicht auf zu sagen, daß ihr Yoga neu, neu, neu ist -, und daß wir mit diesem einfachen kleinen inneren Feuer in direkten Kontakt mit Dem treten können, ohne uns im Lotossitz hinzusetzen oder das Leben zu verlassen. Wenn man das anrührt, erscheinen "die spirituellen Höhen" blaß. Das ist alles, was ich zu sagen habe. Man braucht kein Super-Yogi zu sein, um damit in Kontakt zu treten, und diejenigen, die das Nirvana oder ich weiß nicht was gefunden haben, sind nicht einen Zentimeter vorwärts gekommen, um Das zu berühren, denn der Leitfaden von Dem findet sich keineswegs dort oben, auch nicht außerhalb, sondern in Ihrer eigenen, kleinen Fähigkeit dieser Flamme.

Und wenn Sie sich, anstatt Haare zu spalten, mit Feuer auf den Weg begeben, werden Sie vielleicht entdecken, daß wir tatsächlich in der Stunde Gottes sind und daß ein einziger Funke einer aufrichtigen Anstrengung auf Ihrem Niveau Tore öffnet, die seit Jahrtausenden verschlossen waren.

Satprem

P.S. Damit Sie Mutter zu verstehen wissen, sende ich Ihnen zwei ihrer Texte:

"Man könnte sagen, daß es viel schwieriger ist, vom mentalen Leben zum supramentalen Leben zu gelangen als von einer gewissen psychischen Emotion im Leben - so etwas wie einer Widerspiegelung, einer leuchtenden Emanation der göttlichen Gegenwart in der Materie - zum supramentalen Bewußtsein; es ist viel leichter, von da zum supramentalen Bewußtsein zu gelangen als von der höchsten intellektuellen Spekulation zu irgendeiner supramentalen Schwingung. Vielleicht täuscht uns das Wort. Vielleicht erwarten wir, weil wir es das "Supramental" nennen, daß wir durch eine höhere intellektuelle, mentale Aktivität dorthin gelangen, aber tatsächlich ist es ganz anders. Man scheint durch diese sehr hohe, sehr reine, sehr noble intellektuelle Aktivität zu einer Art kalten Abstraktion ohne Kraft zu gelangen, einem gleißenden Licht, das gewiß sehr weit vom Leben entfernt ist und noch weiter von der Erfahrung der supramentalen Realität.

In dieser neuen Substanz, die sich in der Welt ausbreitet und agiert, gibt es eine so intensive Wärme, Kraft und Freude, daß jede intellektuelle Tätigkeit daneben kalt und trocken erscheint. Je weniger man deshalb darüber spricht, um so besser ist es. Ein einziger Augenblick, eine einzige Aufwallung von tiefer und wahrer Liebe, eine einzige Minute des tiefen Einsseins mit der göttlichen Gnade führt einen viel näher an das Ziel als alle möglichen Erklärungen."

(Entretiens, 14.5.1958)

***

"In der anderen Hemisphäre herrscht eine Intensität und eine Fülle, die sich durch eine andere Macht als hier ausdrücken. Wie das beschreiben? - Man kann es nicht.

Die Beschaffenheit des Bewußtseins selbst scheint sich zu ändern. Es ist nicht etwas Höheres als der Gipfel, den wir hier erreichen können, es ist keine WEITERE Stufe, nein: hier sind wir am Ende, wir haben den Gipfel erreicht ... Die Beschaffenheit ist anders. Beschaffenheit in dem Sinne, daß dort eine Fülle, ein Reichtum, eine Macht besteht (dies ist nur eine Übersetzung auf unsere Art), aber "etwas" dort ... entzieht sich uns. In der Tat bedeutet es eine neue Bewußtseinsumkehrung.

Wenn wir das spirituelle Leben zu leben beginnen, ereignet sich eine Umkehrung des Bewußtseins, die uns beweist, daß wir das spirituelle Leben begonnen haben; nun, eine weitere Umkehrung vollzieht sich, wenn wir die supramentale Welt betreten.

Und vielleicht wird es jedesmal, wenn eine neue Welt sich öffnet, eine weitere Umkehrung geben. Das bedeutet, daß sogar unser spirituelles Leben, das eine so totale Umkehrung im Vergleich zum gewöhnlichen Leben darstellt, wieder so völlig anders im Verhältnis zum supramentalen Bewußtsein, zur supramentalen Verwirklichung erscheint, daß ... die Werte beinahe entgegengesetzt sind.

Man könnte es folgendermaßen illustrieren (aber das ist ungenau, mehr als verringert, entstellt): es ist, als wäre unser ganzes spirituelles Leben aus Silber gemacht, während das supramentale aus Gold besteht, als hätte das ganze spirituelle Leben hier eine Schwingung von Silber, nicht kalt, aber einfach ein Licht, ein Licht, das bis zum Gipfel reicht, ein völlig reines und intensives Licht, doch die supramentale Welt enthält einen Reichtum und eine Macht, die den ganzen Unterschied ausmachen. Das ganze spirituelle Leben des psychischen Wesens und unser ganzes gegenwärtiges Bewußtsein, das dem gewöhnlichen Bewußtsein so warm, so voll, so wunderbar, so leuchtend erscheint, diese ganze Pracht wirkt arm im Verhältnis zur Pracht der neuen Welt.

Das Phänomen läßt sich sehr gut so erklären: aufeinanderfolgende Umkehrungen bewirken, daß sich mit jeder weiteren Stufe ein IMMER neuer Reichtum der Schöpfung offenbart und alles Vorhergehende dann als Ärmlichkeit erscheint. Das, was uns im Vergleich zu unserem gewohnten Leben als höchster Reichtum erscheint, wirkt wie eine Ärmlichkeit verglichen mit dieser neuen Umkehrung des Bewußtseins. Das war meine Erfahrung."

(Agenda Bd. 1, 15. November 1958)

***

21. April 1971

Ich erhielt Neuigkeiten von meinem Freund in Paris, der sich um die Veröffentlichung von L'Orpailleur und Das Abenteuer des Bewußtseins kümmerte. Ich sprach mit ihm über den Sannyasin, oder vielmehr über die Schwierigkeiten des Sannyasin, und dann über La Genèse du Surhomme ...

Das wichtige Buch ist La Genèse du Surhomme.

Mein Freund meint, man solle die beiden zusammen anbieten.

Aber La Genèse ist so (Bewegung nach oben) im Vergleich zum Sannyasin.

Die beiden sind in ihrer Art sehr verschieden.

Oh, ja!... Für mich ist La Genèse das wichtige Buch.

Man sollte nicht die Aufmerksamkeit auf das andere ziehen und dann...

Nein, was wahrscheinlich geschehen wird, ist, daß sie alle beide nehmen oder beide ablehnen werden.

Glaubst du?... Es darf nicht so sein, daß sie den Sannyasin nehmen und das andere fallen lassen.

Darauf kann ich achten. Aber ich glaube nicht, denn La Genèse ist wirklich viel zugänglicher; ich glaube nicht, daß sie die umgekehrte Wahl treffen werden.

Weißt du, die menschliche Dummheit kennt keine Grenzen.

Zuerst müssen sie sie lesen und sehen.

Ich hätte es nicht gern, daß die Bestimmung der beiden Bücher vermischt wird. Verstehst du, ich machte eine besondere Formation [für La Genèse] und legte eine spezielle Kraft hinein, aber nur für dieses Buch.

Ich kann es ihm sagen, das ist kein Problem.

Es ist besser, du sagst ihm das.

Ich werde ihm schreiben. Aber ich glaube nicht, daß irgendeine Gefahr besteht.

(Mutter verzieht das Gesicht) Wir werden sehen.

Aber weißt du (nebenbei gesagt): der Sannyasin liegt nicht ganz so tief.

Ich sagte nicht, er sei "tief". Er ist von einer ganz anderen Art.

Im Grunde ist La Genèse die Essenz des Sannyasin; alles, was im Sannyasin ist, ist in La Genèse. In La Genèse ist es nur konzentriert und mit Kraft gesagt, aber im Sannyasin ist das auch alles vorhanden.

(Mutter nickt)

Der Sannyasin ist die "Geschichte" von La Genèse.

Aber gerade deshalb, mein Kind! Gerade deshalb! Ich glaube, die Menschen lieben die leichteren Dinge.

Die Erfahrung zeigte, daß sie nichts von meiner Geschichte verstehen, während sie La Genèse verstehen werden.

Glaubst du?

Ja, meine Geschichte verstehen sie nicht. Vier Herausgeber haben sie gelesen, und alle vier sagen, sie sei unverständlich.

(Mutter ist beruhigt)

Ich glaube nicht, daß eine Gefahr besteht! [mit etwas Bitterkeit]

Dann ist es ja gut.

***

(Etwas später, einen jungen Franzosen betreffend,
der gerade in Pondicherry ankam)

Ich sah den Jungen, der dich zweimal besucht hat ... (Mutter macht eine magere Geste zwischen zwei Fingern) Sehr dünn. Ich glaube nicht, daß er viel Kraft hat, aber ... Ich sollte entscheiden, ob er nach Frankreich zurückkehren oder in den Himalaya gehen sollte ... Der Himalaya übersteigt seine Kräfte ein wenig, aber wenn er nach Frankreich geht, wird er untergehen.

Sicherlich.

Deshalb glaube ich, wir müssen ihm seine Chance geben: Er soll es versuchen. Wenn er nicht durchhält, wird er zermalmt.

Es ist besser, auf der Suche zermalmt zu werden, als beim Sinken.

Das ist UNSERE Meinung. Aber die gewöhnlichen Wesen ... nicht zwei unter hundert würden das wählen. Du kannst es dir nicht vorstellen, oh!... Jedenfalls hat er guten Willen gezeigt, so werden wir ihm seine Chance geben.

Ich wollte mit dir darüber sprechen. Ich sagte, ich werde ihm heute abend eine Antwort geben.

Von den beiden Möglichkeiten soll er den Himalaya wählen.

Ich werde es ihm sagen.

Sag ihm, daß wir ihm seine höchste Möglichkeit geben ... Er wird in seinem Leben das Maximum tun, wenn er dort hingeht.

(langes Schweigen)

Ich bin eine derartig andere Person, daß ich mich nicht an mein vergangenes Leben erinnere! Heute morgen stellte man mir eine Frage: ich fand mich vor einem Loch. Man fragte mich, ob ich bei meiner ersten Reise nach Pondicherry mit dem Zug oder mit dem Schiff gekommen sei. An das zweite Mal erinnere ich mich noch. [[Beide Male mit dem Schiff. ]] Logischerweise kam ich mit dem Zug; aber es ist, als würde ich diese Antwort für jemand anderen geben.

Der Eindruck von etwas, das jemand anderem angehört - ganz seltsam. Gewöhnlich bewahrt der Körper die Beständigkeit des Wesens, aber diese Beständigkeit ist in einem derartig materiellen und oberflächlichen Bereich, daß ... (Mutter schüttelt den Kopf) unglaublich. All das erscheint mir ... es ist, als spräche ich über jemand anderen. Seltsam. Überhaupt kein Gefühl einer Persönlichkeit. Jemand, dessen Geschichte ich gut kenne, das ist alles. Es ist ganz seltsam. Ich wußte nicht, daß es soweit gekommen ist.

***

28. April 1971

(Anläßlich der Grundsteinlegung des Matrimandir am 21. Februar hatte Satprem einen Brief an den Architekten Aurovilles geschrieben.)

Ich sah deinen Brief (ich sah ihn auf englisch), den Brief, den du R geschrieben hast für das "Matrimandir" ... Er ist amüsant, er ist gut ... Sie haben ein Bulletin, eine "Gazette", dort wird er veröffentlicht [[Satprems Brief wurde mißverstanden und gekürzt veröffentlicht, um ihn dem Verständnis der Herausgeber anzupassen. ]] .

Von allen Seiten werde ich um alles mögliche gebeten: entweder zu sprechen oder zu handeln oder zu kommentieren oder zu ... Ich habe den Eindruck, das ist nicht gut.

Was verlangt man von dir?

Verschiedenes: einen Kommentar, eine Erklärung, "was denke ich über ..."

Kommt das von Auroville?

Ja, vor allem.

Hör zu, in Auroville gibt es eine Gruppe von Faulenzern!

Ja, oh! Das ...

Diese Leute wollen nicht arbeiten. Jetzt behaupten sie, in deinem Buch hieße es, um das wahre Bewußtsein zu erlangen, dürfe man nicht arbeiten!

Ja, das berichtete man mir auch. Sie meinten: "Die Arbeit gehört zur alten Welt" ...

Ja, so verstehen sie das. Was sollen wir denn tun?... Was hast du ihnen geantwortet?

Ich sprach mit R. Ich sagte ihm, was ich denke. Ich sagte, daß die Arbeit die Grundlage ist.

Ja.

Daß man, während man die Materie bearbeitet, ein wenig Bewußtsein in sich selbst hineinbringen könne.

Ja, so ist es.

Und wenn es keine Arbeit gibt, findet keine Transformation statt.

Ja, genau das habe ich ihnen geschrieben [[Hier Mutters Text: "Gerade in der Arbeit, als einer Darbietung an das Göttliche, entwickelt sich das Bewußtsein am besten. Trägheit und Untätigkeit führen zu tamas, das einen Fall ins Unbewußte bedeutet und das Gegenteil von Fortschritt und Licht ist. Sein Ego zu überwinden und nur für das Göttliche zu leben - dies ist das Ideal und der kürzeste Weg, um das wahre Bewußtsein zu erlangen." ]] . Er meinte: "Das ist ihnen völlig egal."

Oh, ja!

Vielleicht würden sie auf dich hören, wenn du ihnen das sagtest?

Wenn du willst, kann ich es ihnen schreiben.

Ja, schreib es ihnen! Vielleicht hören sie auf dich, denn sie sagten dies mit Bezug auf dein Buch, verstehst du.

Ach, weißt du, man sagte, gemäß meinem Buch gehörten jetzt Sri Aurobindo und Mutter der Vergangenheit an, und auf irgendeine Weise ersetze mein Buch all das.

Oh, ja! So ist es (allgemeines Gelächter).

Ich hörte alles mögliche Gerede.

Ach, das ist es ... (Lachen)

Was soll ich denn zu so etwas sagen?

(Mutter lacht)

Einer schrieb mir sogar: "Sri Aurobindo hatte folglich nicht den Schlüssel zum Yoga des Übermenschen."

Ach?

Ja, ich sei es, der ihn gegeben habe, verstehst du.

Oh, du meine Güte!

Es ist schrecklich.

(Mutter lacht) Ich glaube, die menschliche Dummheit ist grenzenlos.

Oh, ja!

(Schweigen)

Man weiß nicht, was man tun oder sagen soll, denn es ist ...

Nein, man muß ihnen sagen: "Ihr redet dummes Zeug."

Ja, das habe ich ihnen auch gesagt, aber ... Ich sagte ihnen, daß sie recht dreist seien. Und ich fragte sie: "Aber von wem habe ich wohl gelernt, was ich geschrieben habe?"

Ja. (Mutter lacht)

Auf mich sind sie nicht gut zu sprechen, denn ich sagte ihnen: "Disziplin ist unerläßlich."

Aber ja!

Das ist ein alter Zopf.

Aber liebe Mutter, ich sagte R, daß der grundsätzliche Fehler in all dem darin liegt, daß er den Leuten bei ihrer Ankunft alles gegeben hat: er gab ihnen fertige Häuser, man gab ihnen alles Nötige zum Essen - alles wurde ihnen mundgerecht dargeboten. Die Leute hätten ihre Häuser selber bauen müssen, und wenn sie essen wollten, hätten sie Kartoffeln pflanzen müssen, sie hätten alles selber tun müssen.

Ja, das ist richtig.

Ich sagte ihnen: "Wie kann man eine neue Welt mit Tagelöhnern aufbauen? Mit bezahlten Arbeitern kann man einfach keine neue Welt aufbauen."

Ich glaube, ein ganzer Teil der Bewohner wird fortgehen müssen.

Ja, den Eindruck habe ich auch.

(Schweigen)

Ich sagte einem von ihnen: "Wenn ich dort hinginge, ginge ich mit der Peitsche!"

(Mutter lacht) Dort ist wirklich eine Gruppe von Untermenschen.

Ja, sicherlich ... Aber wie läßt sich das beseitigen?

(Schweigen)

Sie haben sogar einen bezahlten Koch, um das Essen zuzubereiten, diese Leute.

Oh!...

Verstehst du, all das ist ein völliger Irrtum.

Wie hat sich das denn ergeben?

Ach, so ist das eben! Sie haben einen bezahlten Koch.

Bah!...

(langes Schweigen)

Was dann?

Nichts, ich weiß nicht, liebe Mutter.

(Schweigen)

Meinem Empfinden nach müßte R die Dinge so einrichten, daß die Leute arbeiten müssen.

Ja ... Ja, etwas muß unternommen werden.

So wird ganz schnell eine Auswahl getroffen.

Ja ... Aber man muß mir die Anzahl der Leute sagen, die in dieser Gruppe sind, und wieviele davon arbeiten und wieviele nichts tun. Und wir ...

(Schweigen)

Natürlich könnte man etwas ganz "Drastisches" tun.

Ja.

Nämlich, daß man so und so viele Stunden täglich arbeiten muß, um Essen zu erhalten, sonst ißt man nur, wenn man bezahlt.

Ja, liebe Mutter, das wäre nötig. Denn, verstehst du, ihr Trick ist, daß sie alle behaupten zu arbeiten: sie verrichten eine kleine Arbeit hier oder da, sie kommen eine halbe oder eine Stunde zur Arbeit am Matrimandir ... Für sie bedeutet das, daß sie "gearbeitet" haben. Verstehst du, sie verrichten Kleinigkeiten.

(nach einem Schweigen)

Ich habe plötzlich gespürt, daß ich das Gewicht meines Einflusses über die Leute verloren habe. Ich sage Dinge - und es ist ihnen völlig gleichgültig.

Du könntest mit R sprechen und sehen.

Ja, liebe Mutter ... R sagte mir: "Mutter will nicht eingreifen. Mutter will keine Entscheidungen treffen ..." Aber ich denke, daß er vielleicht selbst eine Entscheidung treffen sollte.

Niemand wird auf ihn hören. Ich kann keine Entscheidungen mehr treffen, weil niemand auf mich hört. Solange man auf mich hörte, war es leicht - ich hatte einen Einfluß. Jetzt ist etwas geschehen, ich habe gar keine Autorität mehr. Was tun? [[Man weiß auch nicht, welche Art von Bericht das intrigante Trio Mutter gab, welches sich schon über die Leitung und die Gelder für Auroville stritt. Sicherlich gab es eine Gruppe von Faulen, aber diese Gruppe verschwand schnell von selbst. Ist es ein "Mangel an Autorität" über die Aurovillianer oder über das Trio, dessen Rivalitäten sicherlich begannen, das Mißtrauen der Aurovillianer zu erwecken? ]]

Wenn du R etwas sagst, wird er es tun.

(Mutter geht lange in sich)

Man müßte ein Mittel finden ...

Liebe Mutter, mir scheint, du könntest die Verantwortlichen versammeln und mit ihnen eine Entscheidung treffen.

Ja, das stimmt.

(Schweigen)

Das Ärgerliche ist, wenn mehrere zusammen kommen, reden sie unter sich, und ich höre nichts. Folglich ...

Wenn es dir hilft, kann ich dabei sein.

Ich glaube, das würde helfen.

(langes Schweigen,
Mutter geht in sich)

Ich habe wirklich den Eindruck, daß man auf einer neuen Basis neu anfangen muß und daß der Ort von all diesen Leuten geleert werden muß und man an einem anderen Ort anfängt, wo sie arbeiten müssen.

Ja, aber die Unterkünfte?

In der Zwischenzeit könnten sie in Hütten wohnen, die sie selbst bauen.

Aber sie wohnen schon in Hütten.

Ich meine unter Strohdächern.

(Schweigen)

Ich werde sehen.

Ich werde versuchen, etwas zu organisieren. Ich werde es dir Samstag sagen.

***

29. April 1971

(Diese Sätze wurden von Sujata während ihres täglichen Besuchs bei Mutter notiert. Mutter fragte erst nach Neuigkeiten von Sujata, dann von Satprem. Nachher bleibt sie in sich gekehrt.)

Die Welt ist dabei, verrückt zu werden.

Man muß so sehr den Glauben bewahren (beide Fäuste geballt). Nicht hier (auf die Stirn zeigend) sondern so, im Göttlichen.

***

Mai

1. Mai 1971

(Das Gespräch beginnt mit mehr als einer Stunde Verspätung)

Eine Lawine ...

Was hast du mir zu sagen?

Nichts Besonderes, liebe Mutter.

Ich auch nicht ... Ich habe es nur mit Leuten zu tun, die sich streiten.

Nun ... Vielleicht wird sich das richten.

Ich habe viele Botschaften geschickt ... (Mutter sucht in ihren Papieren). Ein Minister kam [[Aus der Provinz Andhra Pradesh. ]] , bei dem vierhunderttausend Arbeiter streiken; sie schrieben mir, ich solle ihn ersuchen, Mitleid mit den armen Leuten zu haben (Gott weiß! ich kenne die Geschichte nicht), aber der Herr kam, gab mir Blumen, nahm meine Blume und brachte sich sofort in Sicherheit. Ich hatte keine Gelegenheit, etwas auszurichten.

Ich wollte ihm dies sagen:

(Mutter zeigt ein Stück Papier)

Das meiste Leiden ist auf menschliche Unwissenheit zurückzuführen.

Wir müssen Mitleid haben und ihnen helfen.

Aber ich hatte keine Gelegenheit, ihm das zu sagen. Er erschien mir wie ein Herr ... (Geste wie aus Eisen). Ich weiß nicht, was vor sich geht, aber es ist überall so.

Ja, überall. Man hat wirklich den Eindruck, daß die Welt in Aufruhr ist [[Satprem dachte insbesondere an die Studenten von Ceylon, die man gerade auf brutalste Art niedermetzelte, während sich die gesamte Welt schweigend und zustimmend verhielt (einschließlich Indien). ]] .

Oh, ja.

Und die Individuen auch.

(Schweigen)

Seit heute morgen ist es so: Streiks und ... Die Schule in Delhi ist geschlossen [[Die Schule des Sri Aurobindo Ashrams in Delhi (bekannt unter dem Namen "Mutters Schule") wurde von Mutter geschlossen infolge eines Streiks der Lehrer, die gegen die Entlassung eines der ihren protestierten. ]] ... Der Eindruck, man müsse die Ordnung wiederherstellen, und zwar MIT HILFE DERER, DIE DIE STÖRUNG VERURSACHT HABEN. Das kam sehr stark in mir auf. Genau das versuche ich in Delhi zu bewirken: mit Hilfe des Mannes, der den Streik der Lehrer verursachte. Als er zu mir kam, sagte ich ihm das (seine Verweisung aus der Schule hatte die ganze Geschichte auslöst): "Ich setze Sie wieder in der Schule ein, damit Sie die Ordnung wiederherstellen können." Er akzeptierte das. Ich glaube, man kann es versuchen. Heute ist er abgereist.

(Text von Mutters Botschaft an die Lehrer)

Wir (menschlichen Wesen) leben nicht zur Befriedigung unserer Egos; wir leben, um Gottes Willen zu erfüllen. Um fähig zu sein, Gottes Willen zu empfangen und zu erkennen, müssen wir jedoch frei von Begierden und Vorlieben sein. Sonst halten wir fälschlicherweise unsere beschränkten Ideen und Prinzipien für Gottes Willen.

Im weiten Frieden einer absoluten und ergebenen Aufrichtigkeit, frei von festgelegten Ideen und Vorlieben, können wir die erforderlichen Bedingungen verwirklichen, um Gottes Willen zu erkennen und ihn dann mit einer furchtlosen Disziplin auszuführen.

30.4.1971

Genau das muß getan werden. Anstatt der Grundlage eines gewöhnlichen guten Willens und aller moralischen und sozialen Regeln - all das, brrm! weg damit -, man muß darüber hinaussteigen; der göttliche Wille und die göttliche Harmonie sind nötig, und genau das wollen wir. Allen, die gegen die gewöhnliche Ordnung der Dinge und die gewöhnlichen sozialen Konventionen revoltieren, sage ich: "Beweist, daß ihr mit einem höheren Bewußtsein und einer wahreren Wahrheit in Beziehung steht!"

Der Augenblick ist gekommen, um zu handeln ... (Geste eines Sprungs darüber hinaus)

Was die Macht der Organisation betrifft, ist dies eine außerordentliche Macht, die gekommen ist - ich habe das Gefühl, indem ich so mache (Mutter schließt ruhig ihre Hand), kann ich die Dinge zerschlagen. Erstaunlich. Wenn diese Macht in den Dienst einer höheren Ordnung des wahren Bewußtseins gestellt wird, kann etwas erreicht werden.

Man muß ... einen Sprung nach oben tun.

Alle Leute, die die Ordnung wiederherstellen wollen, ziehen die Dinge zurück zu all diesen alten Ideen - deshalb haben sie keinen Erfolg. Schluß damit! Das ist vorbei. Wir steigen auf. Nur jene, die fähig sind aufzusteigen, können etwas tun.

(langes Schweigen)

Hast du nichts? Nichts zu fragen?

Nein, liebe Mutter.

Geht alles gut?

Ja, liebe Mutter ... Ich weiß nicht recht, in welche Richtung ich gehe.

Es gibt nur eine Richtung: zum Göttlichen. Und wie du weißt, bedeutet das ebenso sehr nach innen wie nach außen und nach oben wie nach unten. Es ist überall. In der Welt, wie sie ist, muß man das Göttliche finden und sich an Ihm festhalten - an Ihm allein, es gibt kein anderes Mittel. Es ist nicht hier oder da, sondern überall, aber ...

(Mutter tritt in Trance;
während sie Satprems Hände in ihrer Rechten hält,
bleibt ihre linke Hand nach oben gewendet,
dann senkt sich ihr Arm langsam.)

***

5. Mai 1971

Ich erhielt Nachrichten von S, die russische Übersetzung betreffend [von La Genèse du Surhomme]. Die Person, die sich darum kümmert, hat schon die Einleitung übersetzt und den Text geschickt. S sagt folgendes: "... Auf russisch ist es sehr schön - packend. Der Klang der russischen Sprache trägt etwas, das direkt zum Herzen geht. Für mein Empfinden fand ich in dem wenigen, das ich gelesen habe, den Fluß Ihres Stils wieder [[Die Übersetzung wird dort steckenbleiben. ]] ..."

Ach, das ist sehr gut!

Ich setze große Hoffnungen auf die Russen ... Ich weiß nicht warum ... Sie haben eine Erfahrung gemacht und die Nichtigkeit der Sache erkannt.

(Mutter geht lange in sich)

Nichts zu sagen?

Die englische Übersetzung des Buches ist ein Problem.

A hat mir nicht gesagt, wie er sie fand.

Er sagte mir, es käme nicht durch - was dahintersteckt, kommt nicht durch. Ständig fragt man sich, was es bedeuten soll.

Oh!

Aber er meint, weil sie die Bedeutung nicht verstehen, würden die Leute letztlich dazu gebracht, auf das Gelesene zurückzukommen und eine Anstrengung zu machen, und beim zweiten Versuch würden sie dann verstehen und vielleicht in Kontakt kommen mit ...

(Mutter nickt)

Es ist eine sehr wortgetreue Übersetzung, aber was dahinter steckt, kommt nicht durch.

Die Leute werden sich nicht soviel Mühe machen ... Vielleicht einer unter ...

(Schweigen)

Willst du es von einem Inder durchlesen lassen?

Ihn fragen, ob er es versteht?

(Sujata schlägt einen jungen Lehrer der Schule vor.
Schweigen)

Ja, es muß ein junger Mensch sein.

Einige Leute haben verstanden, daß das, was wir letztes Mal im Bulletin veröffentlicht haben, für die Leute des Ashrams gemeint war. Ich glaube es wäre gut, eine Notiz zu machen, die das widerlegt.

Wie?

Die Stelle, wo ich sage: "Die Menschen sind verhärtet." [[Gespräch vom 3. März 1971. ]]

Ja.

Viele Leute im Ashram haben das auf sich selbst bezogen.

Nun, das ist vielleicht nicht ganz so falsch! Ich selbst finde mich reichlich verhärtet.

(Mutter lacht) Aber ich möchte ihnen keine unerfreulichen Dinge sagen.

Das schadet nicht, weißt du.

Glaubst du, es ist besser, es so zu lassen?

Ich glaube ... Ich weiß nicht ... Es erscheint mir so offensichtlich. Was ist denn in uns schon vollkommen formbar und transparent?

(Mutter deutet lachend auf ihren Körper) Dieser ist es nicht! Gut, lassen wir es.

Ich bin absolut davon überzeugt, daß die Leute die Dinge nicht so lesen, wie sie sind: sie lesen einzig, was in ihrem Kopf und in ihrem Verlangen ist.

Ja.

Jene, die mißverstehen wollen, werden auf alle Fälle mißverstehen.

Ich bin zum selben Schluß gekommen. Ich beschloß deshalb: Ich werde nichts mehr sagen.

So ist es schließlich: man sagt nichts mehr!

(Sujata:) Die Verlierer dabei sind jene, die richtig verstehen wollen - es gibt viele.

(Satprem:) Ja, du erhältst vielleicht Protest von einer gewissen Anzahl, aber es gibt auch viele hier, viel mehr als ... ich kann nicht sagen "als du glaubst", die ruhig ihre Arbeit tun und zu verstehen versuchen - viele. Es hilft ihnen, es tut ihnen gut.

Um die Wahrheit zu sagen: Das ist mir wirklich völlig egal ... Aber ich will nicht gemein sein.

Aber das ist doch nicht gemein!

(Mutter geht in sich)

***

8. Mai 1971

Geht es dir gut?

Es ist nicht einfach!

Was hast du denn?

Ach, man hat den Eindruck, daß ALLES so ist. Man hat das Gefühl, daß es etwas sehr Verbissenes in der Welt gibt, in den Menschen.

Ja.

Etwas sehr Hartnäckiges, das alles zerstören will.

Alles scheint topsy-turvy [drunter und drüber] zu gehen.

Ja.

Was ist dort oben geschehen [in Delhi]? Ich weiß von nichts ... Indira sagte einfach ...

Sieh, ich gebe dir ein Beispiel: Gestern sagte man mir aus sehr verläßlicher Quelle, daß fast alle Länder - fast alle anderen Länder - Bangladesh anerkannt haben außer Indien (und noch einem anderen Land). Heute sagte man mir, Indira habe erklärt, kein einziges Land habe es anerkannt. Folglich ... das sind offizielle Lügen.

Ja, offiziell. Aber du hast gesehen ... Ich sah gerade in der Zeitung Indiras Erklärung:

"Die Ministerpräsidentin Frau Indira Gandhi brachte alle Spekulationen über eine baldige Anerkennung Bangladeshs zum Schweigen, indem sie ausdrücklich erklärte, daß die indische Regierung nicht beabsichtige, dies in naher Zukunft zu tun."

(The Hindu, 8. Mai 1971)

Man sagte mir, Rußland widersetze sich der Anerkennung, denn es wolle einen Kompromiß mit Pakistan erreichen. Aber jetzt, wo alles Lüge ist, weiß man nichts mehr.

Ja, jedenfalls hat kein einziges Land Bangladesh offiziell anerkannt - niemand.

Ach! Was sie sagte, war demnach wahr.

Ja, sie sagen hier [im "Hindu"]:

"Aus verläßlicher Quelle wird berichtet, daß der sowjetische Ministerpräsident Kossygin zwei Briefe an Pakistans Präsident Yahya Khan sandte, worin er diesen zur diplomatischen Beilegung der Krise in Ost-Bengalen drängt, und Indira Gandhi bat, die Krise nicht auszuweiten, so daß die von Rußland und Indien angestrebte friedliche Lösung gefunden werden könne."

Ja, sie suchen nach einem Kompromiß - wie das letzte Mal in Taschkent.

(Mutter hebt die Arme) ... Alles muß wieder von vorn begonnen werden.

Ja, so ist es.

(Schweigen)

Gestern und vorgestern zirkulierte ein Gerücht im Ashram, du habest eine neue Botschaft an Indira Gandhi geschickt, in der du ihr sagtest, wenn sie Bangladesh nicht anerkenne, wäre es nutzlos, zu kommen und dich um deine Meinung zu fragen ...

Nein, ich habe die Botschaft nicht geschickt.

Aber es kann sein ... Wenn U [[Ein Schüler, der zwei Tagen vorher (am 2.) nach Delhi abgereist war. ]] Indira trifft ... Ich habe ihm nicht geraten, es nicht zu sagen, deshalb ist es möglich, daß er es ihr sagt ... Ich habe es "einfach so" zu U gesagt.

Ach, gut.

Folglich ist es möglich, daß er es sich in den Kopf gesetzt hat, es ihr zu sagen, ich weiß nicht.

Und man sagt auch, du habest erklärt, wenn sie Bangladesh nicht anerkenne, werde es noch viel schwerwiegendere Konsequenzen für die Zukunft geben.

So denke ich.

Du denkst das, ja.

Jedesmal wird es schwieriger.

Jedesmal, wenn sie die Angelegenheit verschieben ... Oh, hätte man es sofort getan, wäre es sehr gut gewesen. Jetzt sind schon fünf Wochen vergangen ...

Ja, fünf Wochen.

Es ist schon viel schwieriger geworden. Wenn man es wieder aufschiebt, wird es noch schwieriger sein.

Jedenfalls habe ich die Botschaft nicht gesandt [[Mutter schrieb nur eine Notiz, die in einer der Zeitschriften des Ashrams veröffentlicht worden war: "Die Situation ist ernst. Nur eine starke und erleuchtete Aktion kann das Land retten." (30. April 1971) ]] .

Natürlich denkt sie, mir wären nicht alle Umstände bekannt - das versteht sich!

Sie weiß es offensichtlich besser als du. Aber hätte sie nur ein Minimum von innerem Unterscheidungsvermögen, verstünde sie, daß du eine umfassendere Vision hast.

Ja, aber das ...

Es gibt verschiedene ... (wie soll ich sagen?) es sind "Schichten von Konditionierungen" (Ebenen andeutend), und ich versuche immer, die Leute zur höchsten Schicht zu führen, so daß die Dinge sich ohne allzu viele Schwierigkeiten abspielen; doch sie bestehen immer darauf, auf der niedrigsten zu verharren, auf der naheliegendsten. Das bewirkt dann ... so komplizieren sich die Dinge. Wenn diejenigen Einfluß hätten, die die Eingebungen von der höchsten Ebene direkt herabziehen können, dann würden die Dinge schnell und ohne Schwierigkeiten ablaufen; aber es ist nun mal so, daß gerade jene an der Macht sind, die nur die naheliegendste "Konditionierung" haben und die natürlich nur das Naheliegendste verstehen. Und so nehmen die Dinge ihren Lauf (gewundene Geste), und alles geht unendlich langsam voran.

Das bedeutet einfach, daß die Welt nicht bereit ist.

(Schweigen)

Es wird noch einige Jahrhunderte brauchen.

Schrecklich ...

(Mutter hebt die Arme) Sei's drum, dann dauert es eben einige Jahrhunderte.

Ach, dann ziehe ich Kali vor!

(Mutter lacht)

Die Leute verstehen nicht. Es muß seinen kleinen alltäglichen Weg gehen (Mutter deutet eine Windung an). So verstehen sie.

Gut.

(Schweigen)

Der Glaube der Menschen ist Aberglaube - es ist kein Glaube sondern Aberglaube. Jetzt meinen mehr und mehr Leute den Glauben zu haben, und sie bitten mich um die lächerlichsten Dinge. Sie sind so abergläubisch, daß ... Zum Beispiel bringt man mir ein Kind, das mit einem verkrüppelten Arm geboren wurde. Ihrem Aberglauben nach wird es geheilt, wenn ich meine Hand auf den Arm des Kindes lege ... Solche Sachen. Ganz idiotisch. Das ist doch keine Macht! Sie brauchen kleine Wunder, weißt du, auf ihrem Niveau.

Ja.

Die Menschheit ist noch sehr, sehr beschränkt.

Ja, den Eindruck hat man.

Aber selbst jene, die Macht hätten ... Sieh doch, wie es ist: Gewisse Leute hätten Macht, es würde genügen, wenn sie die wahre Inspiration besäßen - sie haben Angst davor, mein Kind! Sie weisen die wahre Inspiration zurück, weil sie glauben, die Dinge müßten ihren sogenannten "natürlichen" Weg nehmen.

Das wahre Wunder weist die Menschheit zurück. Sie glaubt nur an ...

Zu behaupten, ich sei eine schlecht gelaunte Person, weil ich nichts mehr sage, wenn man nicht auf mich hört, ist völlig lächerlich - das ist mir völlig egal! Persönlich gibt es nichts - weder dafür noch dagegen noch ... Nur SEHE ich, ich sehe, daß es, weil die direkte Verbindung nicht möglich war (die höchste Konditionierung), einen Weg nehmen muß ... (gewundene Geste) eben alle zukünftigen Komplikationen der Angelegenheit.

Während wir doch mitten im wahren Wunder sind!

Wenn man dann sagt: "Mutter ist verärgert, sie läßt euch fallen", wird eine weitere Dummheit zu all den schon bestehenden hinzugefügt. So ist das.

All das ...

Sie haben gewählt, sie haben sich für den Weg der Schildkröte entschieden. So wird es dann auch sein.

Es gibt Momente - Sri Aurobindo nennt sie The Hour of God [Die Stunde Gottes] -, es gibt Augenblicke, wo das WAHRE Wunder möglich ist; wenn man diesen Augenblick verpaßt, wird die Welt ... in ihrem gewohnten Schneckentempo weitergehen.

Und das ist hart - viel Leiden, viele Komplikationen ... Aber der Glaube, wer hat schon den Glauben? Den wahren Glauben.

(Schweigen)

Es ist sogar schon so weit gekommen, daß selbst die, die hier sind, mir rein menschliche Empfindungen und Gefühle zuschreiben ... Was soll's ...

Aber, liebe Mutter, ich habe eine Hoffnung.

Ja?

Ich habe eine Hoffnung. Da ist etwas, das ich mehr und mehr als eine sehr große Möglichkeit fühle.

Was?

Die ganze Jugend, die sechzehn-, siebzehn-, zwanzigjährigen, die scheinbar völlig verrückt werden, wollen die gegenwärtige Mechanik nicht mehr - sie wollen sie nicht mehr. Folglich begehen sie Dummheiten ...

Oh!...

Sie nehmen Drogen, sie machen allerlei Dummheiten ...

Oh, schlimmer als das, mein Kind! Sie sind zu Mördern geworden [[Mutter spielt wahrscheinlich auf die "Naxaliten" in Kalkutta an - eine linksorientierte extremistische Gruppe. ]] .

Ja, es gibt allerlei Dinge, aber trotzdem habe ich den Eindruck, daß dies ein gutes Zeichen ist, daß es immer unglaublicher wird, und die ganze Mechanik des braven alten Menschen zusammenbricht - die soziale, politische Mechanik und der ganze Rest ...

Ja, ja, du hast völlig recht. Aber während sie zusammenbricht, zerschlägt sie viele Dinge. So ist es; es ist wahr, das wird geschehen, aber beim Zusammensturz wird vieles zerstört.

(Schweigen)

Ich sehe viele sogenannte "Hippies", weißt du, diese Herumziehenden, Leute, die die ganze Gesellschaft in die Luft gejagt haben, die allerlei Dummheiten machen; mehrmals schnappte ich mir so einen und sprach einfach die Sprache der Wahrheit zu ihm, und er verstand sofort - man hatte ihm diese Dinge einfach noch nie gesagt.

Ach!...

All diesen Leuten hat man niemals das Wahre gesagt. Ich habe den Eindruck, daß diese ganze sogenannte verlorene Jugend gar nicht verloren ist! Es fehlt ihnen nur das wahre Wort.

Ja, aber wer wird es geben?

Das weiß ich nicht, liebe Mutter. Hätte ich die Kraft, täte ich es gern. Mit ihnen ist das Wunder noch möglich.

Ja. Ja, aber ... jemand muß es ihnen sagen.

Ja, wir bräuchten einen Vivekananda für Sri Aurobindo.

(Mutter lacht sehr amüsiert)

Die Umkehrung könnte sich schnell und leicht vollziehen, da bin ich sicher. Verstehst du, sie sind nicht entartet, sie sind einfach ... sie wissen nicht.

(Schweigen)

Das ist es, liebe Mutter, du mußt unbedingt einen großen Inspirierten herbeirufen.

Ach!

Den mußt du wirklich herbeirufen.

Aber den rufe ich schon seit langer Zeit.

Ja, liebe Mutter, einen großen Inspirierten mit physischer Kraft.

Ja, oh!

Es muß jemand sein, der physisch stark ist.

Ja.

(Mutter schaut
und geht dann lange in sich)

Ständig, Tag und Nacht: so (Mutter hält ihre geballten Fäuste vor sich, wie um die Kraft herbeizuziehen oder zu rufen).

(Schweigen)

Dies ist ein Weltereignis. Es ist kein Ereignis eines Landes [Bangladesh], es ist ein Weltereignis. Und deshalb ...

***

12. Mai 1971

Ich weiß nicht, ob du dies gesehen hast ...

(Mutter reicht verschiedene Papiere)

"Ich mißbillige Gewalttätigkeit völlig. Jeder Akt der Gewalttätigkeit ist ein Schritt zurück auf dem Weg des von uns angestrebten Ziels.

Das Göttliche ist überall und immer höchst bewußt. Man darf niemals etwas tun, das man nicht auch vor dem Göttlichen tun könnte."

Es ist für jemand recht Einfachen, aber nun ...

(weitere Papiere)

All das betrifft Auroville. Ich gebe dir das, damit du Bescheid weißt.

***

Wie stehen die Dinge?

Oh!... Schrecklich - ein solcher Schlamassel!

Haarsträubende Geschichten.

Als gäbe es eine Konzentration von gegnerischen Kräften, die so viel Verwirrung wie nur möglich anrichten wollen ... Und amüsanterweise kommen Leute von allen Seiten [um Mutters Meinung zu erfragen], außer von Pakistan - von Pakistan kommt niemand, aber sonst ... Und all das ...

Man sagte mir phantastische Dinge, zum Beispiel, daß Pakistan wünsche, Indien würde den Krieg erklären, denn es würde sofort China um Hilfe bitten. Und daß Pakistan schon Waffen von Amerika erhalte, über die Türkei ... Dinge, die ...

Amerika beginnt langsam, Pakistan wirtschaftliche Hilfe zu geben.

Dann ...

Sie beginnen behutsam, vorsichtig, aber sie tun es [[Tatsächlich waren sie noch im Stadium der "Untersuchung" und empfingen die Wirtschaftsgesandten von Yahya Khan. ]] . Ihre Absicht ist, Pakistan wieder auf die Beine zu helfen.

Dann ist es vorbei!

Ja, alles muß von vorn begonnen werden.

Die sind verrückt! - Sie sind alle verrückt, verrückt, verrückt ...

(Schweigen)

Das heißt, daß sie die erste Chance verpaßt haben [[Im September 1965. ]] . Die zweite Chance haben sie auch verpaßt. Jetzt wissen wir nicht, wann es sein wird ...

(Schweigen)

Es scheint, daß fast ganz Indien offiziell für die Anerkennung Bangladeshs ist.

Ja, fast ganz Indien ... Aber Indira besteht hartnäckig darauf, sich aus ihren sogenannten höheren Gründen nicht zu rühren.

(Schweigen)

Hat man dir nicht gesagt, was in Ceylon geschieht?

Nein.

Ach! Aber das ist ungeheuerlich, es ist sehr wichtig, liebe Mutter. Seit einem Monat führen an die vierzigtausend Studenten einen Guerillakampf gegen die Regierung und werden von der Regierung niedergemetzelt.

Oh!

Deshalb flüchten sie in den Dschungel und führen einen Guerillakrieg. Tausende wurden verhaftet. Es sind Studenten ... Aber das Außerordentliche ist ja, daß Indien, das nicht für Bangladesh eingreift, dies für Ceylon tat und Hubschrauber und Boote geschickt hat, um der Regierung zu helfen, sie aufzuhalten ...

Oh!... Das ist der Gipfel ... Oh! (Mutter bedeckt ihre Augen mit offensichtlicher Bestürzung)

(Schweigen)

Sie bereiten sich ein schreckliches Karma!

Ja, sie laden sich Dinge auf den Kopf.

(langes Schweigen,
dann schüttelt Mutter den Kopf und geht in sich)

Die letzte Ausrede ist, daß Pakistan nur darauf warte, daß Indien ihm den Krieg erklärt, um China zu Hilfe rufen zu können - so steht's.

Auf jeden Fall stehen die Chinesen auf der Seite Pakistans. Die Chinesen sind schon in Pakistan, weißt du das?

Gestern kam P von Kalkutta zurück und zeigte mir eine Gewehrkugel - eine chinesische Kugel.

Sie haben schon ... [Truppen dort].

Aber liebe Mutter, man darf nicht vergessen, daß Indien Tibet verraten hat: Als die Chinesen in Tibet eindrangen, schloß Nehru Mund, Augen und Ohren und unternahm nichts, um den Tibetern zu helfen ...

(Mutter schüttelt den Kopf)

All dies ist die Lektion Gandhis, die fortdauert - es sind die Söhne Gandhis, die diese falsche Politik betreiben.

Nein, du siehst ... Du siehst, sie kämpfen auf der falschen Seite in Ceylon. Das ist noch viel schlimmer als Gandhi.

(Mutter geht lange in sich)

Hast du nichts?

All dies ist nicht sehr ermutigend.

(Mutter schüttelt den Kopf) Nein, es ist noch viel schrecklicher: eine ÄUSSERST katastrophale Formation liegt über Indien, und sie sind dabei, sie herbeizuziehen, diese Dummköpfe!

Aber gerade deshalb kann man sich nicht gegen den Gedanken wehren, daß Kali eingreifen muß.

(nach einem Schweigen)

Schon seit langer Zeit sah ich China in Indien einfallen, selbst im Süden. Und das ist die schlimmste der Katastrophen - die Chinesen haben kein psychisches Wesen. Die Chinesen sind lunaren Ursprungs, und sie haben kein psychisches Wesen. (Es gibt Ausnahmen, aber im allgemeinen.) Und man kann auf ALLES gefaßt sein - alle nur möglichen Greueltaten. Ich habe sie gesehen - alle, überall ... schrecklich!

Ich sah die Chinesen in diesem Zimmer.

Mehrere Male kam mir dieser Gedanke, seit einigen Jahren, liebe Mutter - mehrmals [[Satprem hatte sich sogar gefragt, was er tun könne, um Mutters Papiere zu retten. Es sei darauf hingewiesen, daß er im Verlauf der Jahre 1960 und 1961, als Mutter ihn noch unten empfing, Nacht für Nacht den gleichen wiederkehrenden "Traum" hatte: Er wurde von "Feinden" verfolgt und mußte unbedingt Mutters Papiere (diese Agenda) verstecken. Aber diese Feinde waren nicht wirklich chinesisch. Möglicherweise steigt diese Fluchtsituation nicht nur aus diesem hiesigen Leben auf - daher die Prägung - und muß andere Begegnungen mit Mutter in früheren Leben markiert haben. ]] .

Das bedeutet das Ende von allem. Dann wären wahrscheinlich Jahrhunderte nötig, damit es wieder beginnen kann.

Es gibt Grenzen für die Greueltaten, die die Menschen begehen können, denn trotz allem bremst das dahinterstehende psychische Wesen - aber die Chinesen haben keines.

Sie sind SEHR intelligent.

(Mutter geht lange in sich)

Liebe Mutter, das Problem ist zu wissen, wie man all dem entgegenwirken kann, denn schon 1950 hatte Sri Aurobindo den Amerikanern gesagt: Wenn ihr in Korea nachgebt, werdet ihr Punkt für Punkt dazu geführt werden, aus allen Stellungen zu weichen [["Die Korea-Affäre ... ist die erste Bewegung des kommunistischen Angriffsplans zur Vorherrschaft, indem sie zuerst diese nördlichen Gebiete einnehmen und dann Südostasien als Vorspiel ihrer Pläne für den Rest des Kontinents - und Tibet im Vorbeigehen als Tor nach Indien. Wenn sie Erfolg haben, gibt es keinen Grund, daß die Eroberung der ganzen Welt nicht allmählich folgt, bis sie bereit sind, sich mit Amerika anzulegen ... Eins ist gewiß, wenn zuviel Unentschlossenheit besteht und Amerika jetzt die Verteidigung Koreas aufgibt, kann es sein, daß es dazu gebracht wird, eine Stellung nach der anderen aufzugeben, bis es zu spät ist. Auf die eine oder andere Weise muß Amerika der Notwendigkeit einer radikalen Aktion ins Gesicht sehen, selbst wenn dies zum Krieg führt." Sri Aurobindo, 28. Januar 1950. ]] . Sri Aurobindo hatte das 1950 gesagt. So ist man seit 1950 Punkt für Punkt aus allen Stellungen zurückgewichen, und jetzt ist Indien völlig von China eingekreist - Punkt für Punkt ist man zurückgewichen: Kaschmir, Tibet und all das - wir sind von den Chinesen eingekreist. Und wir weichen weiterhin zurück [in Bangladesh]. Wie kann man all dem entgegenwirken?

(Schweigen)

Nimm zum Beispiel die Begründung der Amerikaner, liebe Mutter: sie geben Pakistan vorsichtig wieder Hilfe und sagen: Wenn wir ihnen nicht helfen, dann überlassen wir das ganze pakistanische Gebiet den Chinesen.

Das ist schiere ... [Dummheit]

Wir werden sehen.

(Mutter schlägt sich an die Stirn, geht dann in sich,
schüttelt mehrere Male den Kopf und
nimmt Satprems Hände)

***

15. Mai 1971

Was bringst du?

Mir kam die Idee, einen Artikel über "Sri Aurobindo und Bangladesh" zu schreiben ... Aber ich weiß nicht, ob das nützlich ist oder ob man überhaupt etwas darüber sagen soll.

Wo willst du ihn denn veröffentlichen?

Ich glaube, in einer der indischen Zeitungen ist das leicht.

Was schreibst du? Das interessiert mich.

(Satprem liest den Artikel vor. Im Laufe des Texts umreißt er kurz, was jedes Land seiner Meinung nach repräsentiert: Frankreich die Klarheit des Intellekts; Deutschland den Erfindungsgeist; Rußland die Brüderlichkeit der Menschen ... Mutter unterbricht:)

Hast du nichts über die Vereinigten Staaten gesagt?...

Was stellen sie dar?

Die praktische Organisation.

(Satprem beendet seine Lektüre [[Der Text des Artikels wird als Addendum wiedergegeben. ]] )

Oh, das ist gut!... Es muß in ein angemessenes Englisch übersetzt werden.

Ist das von Nutzen - ist es NOCH von Nutzen?

Oh, ja! - Es muß sofort ...

Ist es noch nicht zu spät?

Nein ... Wir müssen es auf jeden Fall versuchen.

Es muß gutes Englisch sein ... Wer kann das schreiben?

Kann Sujata es versuchen?

Sujata, bist du eine Literatin? (Lachen)

Es ist voller Kraft, die Kraft muß erhalten bleiben.

(nach weiteren Erwägungen zur Wahl des Übersetzers)

Was tun wir dann mit der Übersetzung?

Wir können versuchen, es an eine Zeitung in Madras, eine in Delhi und eine in Kalkutta zu schicken.

Man müßte ... Die Zeitungen werden es nicht wagen - sie werden Angst vor Repressalien der Regierung haben.

Oh, liebe Mutter, alles in allem war ganz Indien gegen die Entscheidung von Delhi. Überall, in allen Zeitungen, sah ich, daß sie die Entscheidung von Delhi völlig mißbilligten. Ganz Indien ist in diesem Punkt gegen Indira.

Man muß darüber nachdenken; man darf es nicht aufs Geratewohl schicken, jemand muß es persönlich überbringen. Wir müssen einen Weg finden, damit es sofort erscheint.

Wieviel Zeit brauchst du, um so etwas zu schreiben?

Einen Vormittag.

(Schweigen)

Du bist nicht pessimistisch?

Nein, verstehst du: Was Gott will, wird sein. Und ich nehme Gott in dem Sinn ...

Es ist so, wie ich gesagt habe ... N.S. [[N.S. war eine Ministerin der indischen Regierung und damals mit Indira befreundet. ]] sandte U ausdrücklich, um mich zu fragen, was sie tun könne, denn Indira höre überhaupt nicht mehr auf sie, sie sei anscheinend ganz ... wie von einer feindlichen Formation überflutet [[Dies ist der Beginn des Bruches zwischen N.S. und Indira. Diese Äußerungen sind deshalb suspekt. Es sei erwähnt, daß Mutters eigene Abgesandte N und U die Partei von N.S. gegen Indira einnahmen. Man weiß nicht mehr, was man glauben soll von den Äußerungen, die Mutter von ihren intriganten Entsandten überbracht wurden. Mutter wurde von allen Seiten verraten. ]] . Ich habe geantwortet, daß ich persönlich nur noch eine Hoffnung habe (Mutter schließt ihre beiden Fäuste vor sich, wie um sich anzuklammern): "Daß sich der göttliche Wille erfülle", und "Alle, die fähig sind, den Kontakt zu erleichtern und die Aufnahmefähigkeit hier für diesen Willen zu beschleunigen, müssen ihr ganzes Bewußtsein und ihre ganze Aspiration hineingeben." Das habe ich geantwortet ... Und dies (auf den Artikel deutend), ist im Sinne der Aktion eine letzte Chance - nicht, daß die Leute wirklich darauf hören würden, aber es schafft einen Kraftstrom.

(Schweigen)

Die große Ausrede ist, daß es den Leuten von Bangladesh egal ist und daß sie aufgehört haben, die Verteidigung zu organisieren.

Aber ...

Schon mehr als zwei Millionen [Flüchtlinge] sind nach Indien gekommen, und man erwartet, daß es zehn Millionen werden. Und Indien wird nicht mehr genügend Nahrungsmittel haben. Das steht unmittelbar bevor. Ein bodenloses Loch ... Zehn Millionen, die dabei sind, in den Norden Indiens einzudringen.

Ich habe gerufen - gerufen und um Unterstützung gebeten -, und dies kam [der Artikel], und das ist gut, sehr gut. Es ist wie eine letzte Hoffnung gekommen.

Man muß eine große Anzahl von Zeitungen finden, in allen Landesteilen.

Ich würde nicht deinen Namen als Unterschrift nehmen sondern ... "A lover of India" [einer, der Indien liebt], etwas in der Art.

Möchtest du nicht, daß man schreibt: "A letter from the Sri Aurobindo Ashram"?... [ein Brief vom Sri Aurobindo Ashram] Nein, du hast recht, "A lover of India" ist das richtige Wort.

Ja, das impliziert viele Dinge.

Richtig.

Es wäre gut zu schreiben: "A disciple of Sri Aurobindo, a lover of India" [Ein Schüler Sri Aurobindos, einer, der Indien liebt]. Aber das ... werden wir sehen.

***

Addendum

Sri Aurobindo und Bangladesh

Hinter dem Gewirr der vorübergehenden Anschauungen und unmittelbaren Interessen stehen die großen ewigen Orientierungspunkte, und diese zu verlieren, heißt, seinen Weg zu verlieren und unser Boot auf das Riff eines bequemen Kompromisses oder einer momentanen Zweckmäßigkeit hinzusteuern, die uns eine Minute später verschlingen wird. Hinter den kleinen Geschichten steht eine große Geschichte, und sie zu vergessen, heißt, ihren Sinn zu verlieren und den goldenen Faden loszulassen, der uns zu unserer vollkommenen Erfüllung führt, individuell wie national. Diejenigen, die im Labyrinth der Geschichte ein höchstes Zeichen hinterlassen haben, sind jene, die diesen Faden ergriffen und entgegen allen unmittelbaren Gründen und vorübergehenden Zweckmäßigkeiten die große Geschichte und den großen Sinn bestätigt haben.

Die große Geschichte sagt uns, daß die ganze Erde ein einziger Körper ist und daß sie eine einzigartige Bestimmung hat, aber daß in dieser einzigartigen Bestimmung jeder Teil des großen Körpers und jede Nation ihre besondere Rolle hat und ihre seltenen Minuten der Wahl, wo sie ihre entscheidende Geste zu erbringen hat - ihre wahre Geste in der Gesamtsumme der großen ewigen Geschichte. Jede Nation ist ein Symbol, jede Geste jeder Nation stellt potentiell einen kleinen Sieg des großen Sieges über alles dar, oder eine kleine Niederlage der großen Niederlage von allem. Manchmal spielt sich die ganze Geschichte in einem symbolischen Punkt des Globus ab, und diese kleine Geste, jene winzige Wendung nach links oder rechts hat ihren Widerhall in den Zeitaltern und auf dem ganzen Körper der Erde, zum Guten wie zum Schlechten.

Gerade Indien ist eines dieser Symbole, und Bangladesh ist ein anderes Symbol, ein kleiner Wendepunkt der großen irdischen Wende. Jetzt ist der Augenblick, diese ewigen Orientierungspunkte ins Auge zu fassen und die große Geschichte in der kleinen Geschichte zu lesen. Diese große Geschichte sagt uns, daß die Rolle Indiens im Körper der Erde die ist, das spirituelle Herz der Welt zu sein, ebenso wie es die Rolle Frankreichs ist, die Klarheit des Intellekts auszudrücken, oder die Deutschlands der Erfindungsgeist, die Rußlands die Brüderlichkeit der Menschen und die der Vereinigten Staaten der Enthusiasmus für das Abenteuer und die praktische Organisation, usw. Aber diese Rolle kann Indien nur spielen, wenn es EINS ist, denn wie könnte etwas, das geteilt ist, die anderen führen? Die Teilung Indiens ist die erste Lüge, die verschwinden muß - sie ist das Symbol der Teilung der Erde. Solange Indien nicht eins ist, wird die Welt nicht eins sein können. Die Einheit Indiens ist das symbolische Drama, in dem die Einheit der Welt entschieden wird.

Von dieser einfachen ewigen Tatsache leiten sich alle Schlußfolgerungen und jegliche Politik ab, die in Richtung der irdischen Bestimmung gehen - Sri Aurobindo verkündete das schon im Jahre 1947: "Die Teilung muß verschwinden und wird verschwinden." Und wenn wir nicht auf diesen ewigen Grundsatz hören, bedeutet dies einen großen Schaden für den Körper Indiens und für den Körper der gesamten Erde: "Die alte religiöse Trennung zwischen Hindus und Moslems scheint sich verhärtet zu haben und wurde zu einer dauerhaften politischen Teilung des Landes. Man muß hoffen, daß diese festgelegte Tatsache nicht als etwas für immer Festgelegtes oder für mehr als nur eine vorübergehende Notlösung genommen wird. Wenn sie andauert, könnte Indien sonst ernstlich geschwächt, ja sogar verstümmelt werden: ein Bürgerkrieg bliebe immer möglich, wenn nicht sogar eine erneute Invasion und Fremderoberung." Jetzt, vierundzwanzig Jahre nach dieser prophetischen Erklärung, wissen wir, daß China vor unseren Toren steht und auf seine Stunde wartet, um in den ganzen Kontinent einzufallen, sich gerade dieser Teilung Indiens bedienend, um das spirituelle Herz der Welt zu treffen und vielleicht die Bestimmung der ganzen Erde zu vereiteln oder ihre Durchführung auf ein nächstes Jahrhundert zu verschieben, nach vielen Leiden und Komplikationen.

Die große Geschichte sagt uns, daß Indien wieder eins werden muß. Und dieser Strom der Geschichte ist so zwingend, daß das Geschick sich schon zweimal derart gestaltete, daß Indien vor die Möglichkeit seiner Wiedervereinigung gestellt wurde. Ein erstes Mal, 1965, erlaubte Pakistans törichter Angriff Indien, den Gegenangriff zu führen und die Schlacht bis zu den Vororten Lahores zu tragen - und sogar bis nach Karachi, wenn es den Mut gehabt hätte, die Bestimmung seiner Geschichte auf sich zu nehmen. Das war die Stunde der entscheidenden Wahl. Mutter hatte kategorisch erklärt: Indien kämpft für den Triumph der Wahrheit und muß solange kämpfen, bis Indien und Pakistan wieder EINS werden, denn dies ist die Wahrheit ihres Wesens ... In Taschkent haben wir auf dem Grat eines kleinen Kompromisses nachgegeben, der uns nur zu einer zweiten, noch schmerzhafteren und blutigeren Klippe führen mußte, nach Bangladesh. Auch dort bot das Schicksal Indien gütig die Möglichkeit an, zur Rettung seiner niedergemetzelten Brüder zu eilen - selbst die berüchtigte Flugzeugentführung Mitte Januar [[Zwei Monate vor dem Massaker in Bangladesh hatten einige Pakistani ein indisches Flugzeug entführt, was Indien guten Grund hätte geben können, das Überfliegen pakistanischer Flugzeuge zu untersagen, um Pakistan dadurch zu zwingen, für den Transport seiner Truppen nach Bengalen den Umweg über Ceylon zu machen. Das unterstreicht erneut die geographische Absurdität dieser beiden Teile ein- und desselben Landes, die durch zweitausend Kilometer indischen Gebiets voneinander getrennt sind. ]] war wie von der Gnade arrangiert, um Indien davor zu bewahren, erst später einzugreifen, wenn es zu spät war (oder um ihm die Schmach eines Nichteingreifens zu ersparen und Pakistan zu erlauben, seine Flugzeuge voll Waffen und Henkern zum Brudermord über Indiens Kopf zu steuern). Und auch da, den kleinen Forderungen des Augenblicks und schnöden kurzsichtigen Interessen gehorchend, wollten wir uns nicht auf den großen Sinn unserer Geschichte einlassen. Jetzt stehen wir am Rande eines neuen Kompromisses, der uns zu einem neuen und dritten unvermeidlichen Hindernis führen wird, noch verhängnisvoller und noch blutiger - denn es ist unvermeidlich, daß Indien eines Tages der Tatsache ins Gesicht blicken muß, vor der es schon zweimal geflohen ist. Jedesmal werden die Bedingungen vernichtender für es und die Welt - vielleicht sogar so vernichtend, daß die ganze Erde sich in einen neuen allgemeinen Konflikt geworfen sieht, während sich die ganze Geschichte an diesem kleinen symbolischen Punkt von Bangladesh abspielen könnte - zur richtigen Stunde, mit der richtigen Geste und einem Minimum an Leiden.

Denn man täusche sich nicht: Die Geschichte von Bangladesh ist kein Ereignis Indiens sondern ein Weltgeschehen. Die Teilung Indiens ist keine lokale Zufälligkeit sondern eine weltweite Lüge, die verschwinden muß, wenn die Teilung der Welt verschwinden soll. Und wieder hören wir Sri Aurobindos Stimme - sechs Monate vor seinem Tod - angesichts eines anderen Phänomens, das so unwichtig, so weit entfernt und eine so kleine lokale Geschichte am anderen Ende der Welt zu sein scheint: die Invasion Süd-Koreas im Jahre 1950, vor einundzwanzig Jahren. Und dennoch trägt dieses kleine Symbol Koreas, wie das kleine Symbol Bangladeshs (oder das der Tschechoslowakei 1938) im Keim den ganzen fatalen Verlauf, der die Welt zu einer finsteren Bestimmung tragen will: "Die Korea-Affäre," schrieb Sri Aurobindo, "ist die erste Bewegung des kommunistischen Angriffsplans zur Vorherrschaft, indem sie zuerst diese nördlichen Gebiete einnehmen und darauf Südostasien als Vorspiel ihrer Pläne für den Rest des Kontinents - und Tibet im Vorbeigehen als Tor nach Indien." Heute, einundzwanzig Jahre später, wissen wir, daß ganz Südostasien und Tibet verschlungen worden sind und daß das "Tor nach Indien" weit offen steht durch die Wunde der Lüge Pakistans - schon, oder bald, sind oder werden die Chinesen in Khulna sein, hundertzwanzig Kilometer vor Kalkutta, um Yahya Khan zu helfen, Bengalen zu "befrieden". Und Sri Aurobindo fügte hinzu: "Wenn sie Erfolg haben, gibt es keinen Grund, daß dem die Eroberung der ganzen Welt nicht allmählich folgt, bis sie bereit sind, sich mit Amerika anzulegen."

Dort stehen wir. Der Tatsache, der wir entfliehen wollten, werden wir mit zehnfacher Stärke wieder begegnen. Die Stunde für politisches Kalkül - für oder wider unsere kleinen unmittelbaren Berechnungen, die immer irren - ist vorbei. Die Zeit ist gekommen, den großen Sinn Indiens wiederzufinden, der in Wirklichkeit der große Sinn der Welt ist, und mehr an den Geist, der seine Bestimmung leitet, zu glauben als an die kleinen Ängste vor dem Phantom der weltlichen Meinung oder die kleinen Hilfsmittel, die nur dem Feind helfen. Morgen wird Amerika vielleicht seine Wirtschaftshilfe für Pakistan wieder aufnehmen unter dem Vorwand, der chinesischen Präsenz entgegenzuwirken, und das Morden in Bangladesh wird ehrenhaft gedeckt werden durch eine Pseudo-Regierung, die unter Billigung der internationalen Gemeinschaft funktionieren wird - aber den Verlauf der Geschichte täuscht man nicht: ein drittes Mal werden unsere kleinen Kompromisse zusammenbrechen, und wir werden vor einer schrecklichen Prüfung stehen, die wir durch unsere eigenen wiederholten Fehlentscheidungen genährt haben. Je eher nicht nur Indien sondern auch Amerika und Rußland die Irrealität Pakistans und die Höhe des Einsatzes, um den es an den Grenzen Indiens geht, verstehen, desto eher wird der Katastrophe Einhalt geboten, bevor sie total und endgültig katastrophal wird. "Eins ist sicher," schrieb Sri Aurobindo einige Monate vor seinem Dahinscheiden, "und zwar daß Amerika, wenn es zu lange zögert und wenn es jetzt seine Verteidigung Koreas aufgibt [man könnte dasselbe erst recht für die Verteidigung Bangladeshs sagen], gezwungen werden könnte [und Indien um so mehr], eine Stellung nach der anderen aufzugeben, bis es zu spät ist. Früher oder später wird es die Notwendigkeit eines drastischen Eingreifens akzeptieren müssen, selbst wenn dies zum Krieg führen sollte."

Denn die Schlacht Indiens ist die Schlacht der Welt, genau hier bereitet sich das tragische Schicksal der Erde vor - oder ihr letztes Aufflackern von Hoffnung auf eine Neue Welt der Wahrheit und des Lichts, denn, wie es seit jeher heißt, findet sich das Dunkelste stets an der Seite des Hellsten.

Der letzte Asura muß zu Füßen der ewigen Mutter sterben.

(Ein Liebhaber Indiens)

***

19. Mai 1971

Hier ist etwas von Nolini ... Es kam ihm ein Gedanke, und er notierte ihn: Mujibur betreffend, der die Revolution in Bangladesh anzettelte, und den man einsperrte.

Ja, er ist jetzt in Pakistan.

Ich weiß nicht. Nolini kam eine Idee, und er schrieb sie auf:

Mujiburs Bengalen riskierte seinen Körper, rettete aber seine Seele.

Indiras Indien riskierte weder seinen Körper, noch rettete es seine Seele.

Ich will nichts über Indira sagen.

Ja, aber was passierte war folgendes: er schrieb es auf, ließ den Zettel auf dem Tisch liegen, und wie immer kamen Leute vorbei, sahen es, kopierten und verteilten es.

Oh!... Das wird uns in große Schwierigkeiten bringen. Das ist sehr ärgerlich - sehr ärgerlich, ich wollte nichts gegen Indira sagen.

Es ist wirklich schrecklich, daß die Leute in sein Zimmer gehen, Papiere von seinem Tisch nehmen und sie verteilen.

Warum läßt er sie auch auf dem Tisch herumliegen! (Mutter scheint sehr verärgert) So ein Unheil. Eine schreckliche Ungeschicklichkeit. Das wird mich in große Schwierigkeiten bringen - genau das wollte ich vermeiden.

Ich denke oder hoffe jedenfalls, daß das nicht aus der begrenzten Gemeinschaft des Ashrams hinausdringt.

Es dringt immer hinaus. Und jemand (man weiß nicht wer), schickt der Regierung ALLES, was hier erscheint.

Das ist eine Katastrophe.

(Mutter geht lange in sich,
sie stöhnt)

Nichts zu fragen?

Es ist nicht leicht.

(Mutter deutet ein Nein an und geht wieder in sich)

***

22. Mai 1971

Was bringst du?

Und du, was sagst du?

Ich sage nichts ... Das heißt, wenn der Herr uns Erfolg wünscht, kann dieser GEWALTIG sein. Es besteht die Möglichkeit für einen GEWALTIGEN Erfolg - nicht in der Luft: hier. Alles hängt davon ab, ob die Zeit für den Erfolg gekommen ist.

(langes Schweigen)

Offenbar geht es in Auroville viel besser. S ist besonders interessiert und geht dorthin. Sie ließ mir sagen, daß ein Fortschritt in der Atmosphäre stattgefunden habe.

Ach, gut.

Ich sage dir: überall besteht die Möglichkeit für einen außerordentlichen Erfolg. Ist der Augenblick gekommen? Ich weiß es nicht ... Ich mache mich so (winzige Geste), physisch ganz klein, und ich lasse ... (offene Geste dem Herrn gegenüber)

Ich möchte ... Der Wille kommt, doch da sind all die eintretenden Formationen, die seine Ausführung verzögern - ich möchte ... ich möchte, daß meine Atmosphäre ... ein transparenter, ganz lauterer Übermittler sei. Ich versuche nicht einmal zu wissen, was, denn auch das bringt eine gewöhnliche Menschheit herein. Ein völlig lauterer Übermittler: Möge es so kommen (Geste eines direkten Herabstiegs), in aller Reinheit - selbst wenn es gewaltig ist.

Im Grunde wissen wir nicht, warum "dieses so" und "jenes so" ist, und wir haben eine Schau ... selbst, wenn unsere Schau weltweit ist, ist sie noch so klein - so ausschließlich: Wir wollen das eine, aber nicht das andere. ZUERST die Instrumente bauen: man muß LAUTER sein, klar, damit es ohne Entstellung und ohne Hindernis hindurchgeht.

Im Grunde verbringe ich damit meine Zeit: zu versuchen, so zu sein.

Fühlst du diese Möglichkeit des Sieges erst seit kurzem?

Ja.

Das ist neu. Denn allem Anschein nach sind die Umstände nicht so gut.

Oh, weißt du ... Alle Umstände scheinen sich auf eine Katastrophe hin zu bewegen.

Ja.

Erst vor wenigen Tagen schien die Katastrophe nahe. Da war es, als ob mein ganzes Wesen ... wie soll ich sagen?... (Mutter ballt die Fäuste) es war, ja, man könnte es ein Streben zum wahren Sieg nennen - nicht zum Sieg des einen oder anderen: zum wahren Sieg. Dies scheint ALLE Schwierigkeiten herbeigeführt zu haben (diese ausschließlichen Wünsche). Dann erschien plötzlich etwas wie ein Licht: die Möglichkeit des Sieges. Es ist noch ... Es kommt nicht auf wunderbare Weise, doch es ist ein Eingreifen ... ein Eingreifen der Höchsten Weisheit - wird sie konkret sein? Wir werden sehen. Sie scheint so zu kommen (Geste in einer gewissen Höhe, die beiden Handflächen nach unten gewendet), wie eine Möglichkeit.

Ja, es ist neu, ganz neu. Ich kann es nicht genau sagen, denn es kam nicht ganz plötzlich sondern über mehrere Tage hinweg.

Ja, denn seit einiger Zeit fühle ich einen großen Pessimismus kommen.

Das ist eine schlechte Haltung.

Eigentlich hatte ich gar nicht diese Haltung, aber etwas wie eine pessimistische Atmosphäre kam über mich.

Es ist immer das ... Alles, was nicht das Göttliche will, schafft diese Atmosphäre, um jene zu entmutigen, die das Göttliche wollen. Man darf dem keine Aufmerksamkeit schenken. Das ist das Mittel des Teufels. Der Pessimismus ist das Werkzeug des Teufels, und er fühlt, daß seine Lage ... (unsichere Geste). Wenn das, was ich als möglich erachte, sich realisierte, wäre dies wirklich ein entscheidender Sieg über die gegnerischen Kräfte - natürlich verteidigt er sich, so gut er kann. Das ist immer der Teufel. Sobald man auch nur einen Zipfel von Pessimismus sieht, ist es der Teufel. Das ist sein großes Werkzeug.

(langes Schweigen,
Satprem verabschiedet sich,
Sujata nähert sich)

Mein Kind ...

(Sujata:) Liebe Mutter, handelt es sich bei diesen zwei Augen, die ich neulich abends auf deiner Stirn erscheinen sah [[In den letzten Tagen sah Sujata, wie sich zwei Augen auf Mutters Stirn formten (auf einer sehr hohen Stirn), ziemlich weit über ihren physischen Augen. Sie sah deutlich die Pupillen und die halbgeschlossenen Augen, die sich gerade öffneten. ]] (du erinnerst dich, ich erzählte es dir), um die Weisheit, die erschien?

Vielleicht?... Vielleicht ... Es war vielleicht der Sieg ... Wenn es der Sieg war, dann ist es gut.

Siehst du sie immer noch?

Nein, liebe Mutter.

Wir werden sehen.

(Mutter streichelt Sujatas Wange)

***

25. Mai 1971

(Kurze Notiz von Satprem an Mutter)

In bin im tiefsten Dunkel meines Lebens.

S.

(Antwort)

Das ist der Augenblick,

sich ausschließlich

und endgültig

an das Göttliche zu klammern.

M.

***

(Besuch Sujatas bei Mutter)

Er spürt die Notwendigkeit deines Schutzes.

Sich an das Göttliche klammern.

Ich möchte ihn so einhüllen (Geste). Ich bin innen (nicht "ich", aber ...), und ich handle innen.

Tief innen. Das Licht, die Kraft, die Freude, die Gewißheit spüren - die Gewißheit. Der göttliche Sieg ist sicher. Es kann nicht anders sein.

Möge er sich gänzlich vom Göttlichen einhüllen lassen.

***

26. Mai 1971

(Mutter hatte M, einen jungen indischen Mathematikprofessor an der Schule, gebeten, die englische Übersetzung von La Genèse zu lesen und ihr seine Meinung mitzuteilen.)

Nun?

(M:) Meine erste Reaktion war so: Ich fand das Buch sehr poetisch, sehr schön - das Französische.

Es ist gut, ja.

Ja, das Englische erschien mir weniger poetisch. Es ist eine Übersetzung, aber es machte auf mich nicht denselben Eindruck wie das Französische.

Was sollen wir denn jetzt tun? Eine andere Übersetzung?

Ich weiß nicht, Mutter, ich kann es nicht sagen. Ich weiß nicht, ob es eine gute oder eine schlechte Übersetzung ist, aber als ich sie las, spürte ich, daß es eine Übersetzung war. Es war weniger poetisch - das Französische ist viel poetischer.

Gut ... Können wir sie benützen oder nicht?

Ich glaube, sie läßt sich verwenden.

Wenn sie den Gedanken nicht entstellt.

Nein, es scheint den Gedanken nicht zu entstellen.

(Zu Satprem:) Was sagst du denn?

Ich persönlich finde, daß das Wesentliche fehlt.

(Mutter lacht) Ja, genau!

Weißt du, welcher Gedanke mir kam? In Amerika wird D eine Übersetzung für Amerika beginnen, könnten wir die nicht auch für hier verwenden?

Das ist Amerikanisch. Hier sprechen wir Englisch. Da besteht ein Unterschied, oh!...

Aber wenn die Kraft da ist, macht es keinen Unterschied.

Nein, es muß Englisch sein.

Aber von wem? Denn meiner Meinung nach ist es besser, keine Übersetzung zu haben als eine, die nicht die Kraft vermittelt. Es ist besser, nichts zu haben.

(Schweigen)

(Satprem zu M:) Haben Sie die Kraft darin verspürt?

(M:) Ich kann diese Dinge wirklich nicht beurteilen, aber ich kann sagen, als ich das Französische las, schien es mir nicht an den Intellekt gerichtet zu sein, eher an das Herz, ich weiß es nicht - es ist für einen Suchenden.

Ja.

(M:) Ein gewöhnlicher Leser könnte das nicht einmal spüren: es muß ein Suchender sein. Das Englische versteht man besser, weil es den Intellekt anspricht. Aber ... ich bin völlig unfähig zu urteilen.

(Zu Satprem:) Wer hat denn deinen Artikel [über Bengalen] übersetzt?

Das war Z, liebe Mutter.

Ach, ja.

(M:) Das fand ich sehr gut, denn da hatte ich zuerst das Englische gelesen und gedacht, es sei das Original.

Z kann übersetzen.

(Satprem:) Sie versteht es, die Kraft zu erfassen und sie wiederzugeben - darauf kommt es an.

Sie wäre die richtige Übersetzerin für dein Buch ... Nur ist sie beschäftigt und schreibt selbst ... Ich werde sie fragen. Dann wird die andere allerdings verzweifelt sein. (Lachen)

Aber ich hatte T [die englische Übersetzerin] gefragt, gegen welche Sätze sie Einwände habe, worauf ich ihr sagte: "Es tut mir wirklich leid, aber ich sehe, daß du nichts von dem Buch verstanden hast!" Sie weiß es.

(Satprem:) T sagte mir ziemlich vernichtende Dinge über mein Buch ...

Ach? (Mutter lacht sehr)

Das hat mich sehr verstört.

Was hat sie denn gesagt?

Sie sagte mir, sie finde gewisse Dinge "repulsive" [abstoßend].

Wie?

"Repulsive".

Oh!

Da versuchte ich ihr zu sagen: "Hören Sie, ich weiß nicht, das Buch fiel mir so auf den Kopf ...

(Mutter lacht)

... Es ist auf mich herniedergekommen." Daraufhin sagte sie mir mit einer Art Kraft, die mich sehr traf: "Ja, ja, es ist sehr leicht, das, was vom Unterbewußtsein kommt, mit einer Inspiration zu verwechseln."

Oh!

Sie sagte es mit solchem Nachdruck, daß ich in schreckliche Zweifel gestürzt wurde.

Oh, du meine Güte!

Jedenfalls schrieb sie mir diesbezüglich, daß sie in meinem Buch keine Präsenz verspüre. Wörtlich: "In dem Buch ist keine Präsenz."

Sie weiß es wohl besser als ich.

Jedenfalls kann die Kraft unter diesen Bedingungen nicht durchkommen.

Ja, ihre Übersetzung kann nicht verwendet werden.

(Sich zu M wendend:) Ist das alles, was du zu sagen hast?

(M:) Ich habe es nicht mit einem sehr kritischen Geist gelesen, Mutter, aber um es freiheraus zu sagen, ich spürte, daß das, was Satprem sagt, etwas Natürliches ist, so wie es sein soll, einfach. Es schien mir fast wie ein mathematisches Problem, das es zu lösen gilt und das ich äußerst schwierig finde, aber sobald ich dann die Lösung gefunden habe, sage ich mir immer: "Aber es war doch so einfach! Man mußte nur diese Linie ziehen, und alles löst sich!..." So kam mir das Buch vor.

(Mutter stimmt zu)

Aber ich wollte etwas fragen, das ich in dem Buch nicht gefunden habe: Dort ist nie ausdrücklich die Rede von einem Guru. Könnte ein Individuum das ganz alleine tun, ohne Guru?

(nach einem Schweigen)

Es ist möglich. Aber ich kann nur meine Erfahrung anführen - ich kann nur sagen: Es ist möglich. Aber unter welchen Bedingungen, weiß ich nicht.

(Satprem zu M:) In einem Buch kann man nicht direkt von einem Guru sprechen und den Leuten sagen: "Dieser Person müßt ihr folgen." Man kann sie nur etwas fühlen lassen, sie zu etwas hinwenden, aber man kann ihnen nicht sagen: "Sie müssen dieser Person folgen."

Genau.

Das kann man nicht tun.

(M:) Nein, ich sage das, weil ich beim Lesen des Buches fühlte: "Wenn jemand diesen Weg ohne Guru einschlägt, bestehen Gefahren..." Aber es ist ein Buch, das einen anregt, diesem Weg zu folgen.

(Schweigen)

Ich weiß nicht, ich kann es nicht sagen, denn ich kann nur von meiner persönlichen Erfahrung sprechen - das bedeutet nichts.

(M:) Aber es kam mir so vor, als sei es deine Erfahrung, besonders am Ende des Buches.

(Lachend) Ich bin also dafür verantwortlich!

(Satprem:) Jemand muß ja dafür verantwortlich sein!

(Mutter lacht)

(M:) Die Kapitel im Anschluß an "Die Soziologie des Übermenschen": "Nachher" und "Die Überwindung des Todes", usw. beschwörten in mir ganz das herauf, was du in den "Notizen auf dem Weg" sagst.

(Mutter lächelt) Das ist der Yoga des Körpers.

(M:) Aber du allein führst dies aus.

Glaubst du? (Lachen)

(Satprem:) Ich habe den Eindruck, ja! (Lachen)

Ich muß sagen, wenn es so als eine Notwendigkeit über einen kommt, ist es gut, aber man sollte nicht danach streben, es zu tun ... Es ist nicht gerade angenehm!

(Schweigen)

(Sich zu M wendend:) Also wenn es dich freut, mich zu sehen, dann sag es!

(M, lachend:) Das ist sehr schwer.

Ich sehe im Durchschnitt hundert Leute täglich - ungefähr.

(M:) Eben deshalb wird es schwer, dich zu fragen, Mutter.

Aber das macht nichts - nur einer mehr.

(M:) So werden es hundert! (allgemeines Gelächter)

Offensichtlich ... Das macht nichts - ich freue mich, dich zu sehen.

(M verläßt das Zimmer,
Mutter verbleibt lange versunken)

Wie geht es denn, mein Kind?... Geht es besser [[Satprem hatte Mutter ausrichten lassen, daß er sich im größten Dunkel seines Lebens befinde und daß alles wie früher sei, als habe es diese siebzehn Jahre im Ashram gar nicht gegeben. ]] ?

Ich hoffe, mit deiner Gnade.

(Schweigen)

Ein ganzer Teil von mir muß verschwinden.

Ja, aber ich glaubte, er sei schon verschwunden ... Das ist sehr seltsam. Für mich ist das gar nicht du selbst.

Ja.

Ich glaubte, es sei bereits verschwunden. Ich hatte den Eindruck wie von jemandem, der fortgejagt wurde und wiedergekommen ist. Aber das macht nichts ... Du mußt nur ... weißt du, so (Mutter ballt die Fäuste), nicht nachgeben. Das ist alles.

Das bist nicht du.

(langes Schweigen)

Ich ziehe es vor, das nicht zu sagen ... Verstehst du, ich könnte zwei Sachen sagen. Das eine, daß du wirklich etwas zu tun hast, und daß es dabei ist, sich zu kristallisieren - das Gerede der Leute, die nicht verstehen, muß man sich nicht anhören. Das andere ist, daß es einen ganzen Teil deines Wesens gab, der nicht zu deiner leuchtenden Natur gehörte (Atavismus, Erziehung, allerlei), der so weit weg ist und so weit überwunden wurde, daß ich glaubte, er existiere gar nicht mehr. Ich war erstaunt, als man mir sagte, daß er dich wieder belästigte. Das ist ... Das ist nicht Satprem.

Ja, ich weiß.

Dann klammere dich an Satprem.

Nein, ich will mich lieber an dich klammern.

Klammere dich an, so fest du kannst - so sehr du nur kannst!

Man hat den Eindruck, daß nur die Gnade das bewirken kann.

Mein Kind ...

(Mutter drückt Satprems Hände, langes Schweigen)

Etwas fühle ich sehr tief ... (Schweigen) Worte ... Worte (Mutter schüttelt den Kopf) ... Aber um es dir so einfach wie möglich zu sagen, könnte ich es so ausdrücken: "Der Herr liebt Satprem." Das ist etwas überaus Tiefes ... Der Herr liebt Satprem. Voilà.

(Satprem legt seine Stirn auf Mutters Schoß)

***

27. Mai 1971

(Auszug aus Satprems Notizbuch)

Pranab-desh [[Satprem weiß nicht mehr, was ihn veranlaßte, dieses lakonische Wort in sein Notizbuch zu schreiben. Diese Notiz ist wie ein erster Glockenschlag, und wir lassen sie, wie sie ist. Pranab ist Mutters "Wächter". Desh = Gebiet oder Land. ]] .

***

29. Mai 1971

(Das Gespräch beginnt mit fast zweistündiger Verspätung. Mutter entschuldigt sich. Zuerst geht es um die russische Übersetzung von La Genèse. Die Übersetzerin verlangt 2000 Franken.)

Ich weiß nicht, ob ich das Recht habe, Geld auszugeben. Es gibt so viele Vorschriften ...

(Schweigen)

Gibt es etwas anderes?

Nein, liebe Mutter ... Und du, was sagst du?

Oh! Lügen-Lügen-Lügen - alle Leute lügen ... Schrecklich.

Und die Regierung besteuert jetzt ALLES. Die Preise für die geringsten Sachen haben sich verdoppelt ... Die Leute geben mir kein Geld mehr, oder sie geben sehr viel weniger, indem sie sagen: unsere Ausgaben sind gestiegen. Und meine Ausgaben haben sich mehr als verdoppelt. Voilà.

Und überall-überall-überall die Lüge ... entsetzlich.

***

30. Mai 1971

(Besuch Sujatas bei Mutter)

Die Lüge hat sich zugespitzt und ist schrecklich geworden. Sie muß verschwinden, deshalb klammert sie sich so verbissen an. Seit gestern ist es so schrecklich geworden, daß man zu niemandem mehr Vertrauen haben kann.

***

Juni

2. Juni 1971

(Satprems Schwierigkeiten betreffend)

Ich hatte in dir einen Teil des Bewußtseins gespürt - einen sehr äußerlichen, sehr oberflächlichen Teil - der zog.

Ja, das stimmt.

Und ich fragte mich: Wie kann das nur sein?...

Als es kam, sagte ich immer: Die Dinge werden geführt, folglich hat dies einen Grund, und ich muß sicher etwas daraus lernen. Aber ich sehe, daß es wirklich etwas Nichttransformierbares ist.

Es muß aus der Natur zurückgewiesen werden. Siehst du, das ist etwas, das über mehrere Leben hinweg transformiert werden muß - es muß außerhalb deiner Persönlichkeit gehalten werden.

(Satprem legt seinen Kopf auf Mutters Schoß,
die sich vorbeugt, um ihn zu trösten)

Ich habe viel gelitten ... Möge ich fähig sein, dir zu dienen, Mutter.

Das, was aus der Vergangenheit verschwinden soll, klammert sich verzweifelt an - bei jedem in einer unterschiedlichen Form.

(Mutter geht in sich, ihr Atem keucht,
sie versucht halb in Trance zu sprechen, ohne Erfolg)

... Nur wollen, was das Göttliche will.

(Dann schließt Mutter ihre Augen und lächelt, Handflächen geöffnet, und geht in sich)

Sich so an das Göttliche klammern (geschlossene Fäuste). Sich anklammern ... (Mutter hat Tränen in den Augen, sie keucht) ..., damit das Göttliche uns trägt. Das ist alles.

(Mutter versucht zu sprechen, halb in Trance)

... Alles muß eine ständige intensive-intensive Aspiration sein.

***

3. Juni 1971

(Zu Sujata)

Sag Satprem, daß er, was auch immer geschieht, sehr tief ins Herz gehen muß: "Herr, was Du willst; Herr, was Du willst ..." Keine Fragen stellen, sich nicht fragen warum - dies (die Stirn) schweigend, und hier (das Herz) so verbleiben (Geste, geschlossene Fäuste andeutend) mit einem intensiven Gebet: Herr, was Du willst, was Du willst ...

***

5. Juni 1971

Ein wütender Ansturm aller Umstände, um dem Körper beizubringen... ständig, ständig zu rufen - das Göttliche zu rufen. Jetzt hat er sich angewöhnt, sein Mantra zu wiederholen, und er wiederholt es STÄNDIG. Das ist seltsam: Wenn er es wiederholt, geht alles gut; wenn er es nicht wiederholt, kann er z.B. beim Essen nicht schlucken - alles scheint aus den Fugen zu geraten. Dann wiederholt er sein Mantra, und alles geht gut. Wenn er nur noch an das Göttliche denkt, geht alles gut. Heute morgen war das so klar! Als ich frühstückte, war es so. Wenn der Körper ans Essen denkt, geht alles schief; wenn er sein Mantra wiederholt, kann er essen und merkt es nicht einmal - alles wird so leicht. Sehr interessant ... Mit den Leuten ist das auch so: Wenn ich, während sie da sind, an sie denke und wenn ich überlege, daß sie Probleme haben ... (Reibung ausdrückende Geste), wenn ich jedoch so bin (friedliche Geste, reglos im Herrn), geht alles gut, ganz natürlich.

Das ist eine Lektion, aber eine unerbittliche.

(Schweigen)

Auch hat er alte Überbleibsel von Atavismus. Eine Art Furcht kommt auf (Mutter lacht) - eine völlig kindische Furcht: "Wenn ich an das Göttliche denke, wird es Schwierigkeiten geben, die überwunden werden müssen." So ist es in den Zellen (nicht überall, nur ganz wenig, wie ein altes Überbleibsel von etwas, das aus früheren Leben hängenbleibt), und darüber muß ich lachen. Der Körper verlangt nur nach einer Sache, und zwar, sich im Göttlichen aufzulösen, nur Das zu sein, nicht mehr getrennt zu existieren - dann geht alles gut, alles wird ruhig. Das ist sehr interessant. In den Zellen des Körpers. Sehr interessant. Es ist wirklich die Sadhana des Körpers, und die vollzieht sich auf zwingende Weise - absolut gebieterisch. Wenn er diesen Zustand verläßt, hat er den Eindruck, er werde sich in der nächsten Minute auflösen - daß es das Einzige ist, das ihn zusammenhält; ohne Das existiert er nicht mehr.

Das wurde heute ganz konkret.

(Schweigen)

Die Menschheit hat eine Furcht, eine Furcht vor dem Göttlichen (zu einem gegebenen Augenblick vor Tausenden von Jahren muß das wohl notwendig gewesen sein, ich weiß es nicht) - das menschliche Tier. Für ihn entspricht es dem Verschwinden. In der Tat ist es das Verschwinden des Egos. Das Verschwinden dieses [physischen] Egos ... Lange hatte man den Eindruck, mit dem Verschwinden des Egos würde auch das Wesen und die Form verschwinden - aber das ist nicht wahr! Das stimmt nicht. Jedenfalls ist er [Mutters Körper] jetzt bereit, ohne Ego zu leben ... Schwierig ist, daß die gewöhnlichen Gesetze des Lebens nicht mehr gelten. Einerseits besteht da die ganze alte Gewohnheit und andererseits die neu zu lernende Sache.

Es ist, als ob die Zellen - nicht die Zellen des Körpers: sozusagen die Organisation, die eine Form bildet (die alles zusammenhält und die Form bildet, die wir menschlich nennen), als müsse diese lernen, daß sie ohne die Empfindung einer getrennten Individualität existieren kann. Das ist seltsam. Ohne die Empfindung eines Egos. Seit Jahrtausenden ist sie gewohnt, nur getrennt zu existieren: wegen des Egos - doch ohne Ego geht es weiter ... durch ein anderes Gesetz, das der Körper noch nicht kennt und ... das für ihn unverständlich ist. Es ist kein Wille, es ist kein ... ich weiß nicht ... Es ist etwas ... eine Seinsweise. Milliarden von Seinsweisen.

Er muß lernen, eine Seinsweise zu sein.

***

9. Juni 1971

(Zunächst sagt Mutter Satprem, daß der Aufsatz über "Sri Aurobindo und Bangladesh" ins Hindi übersetzt und nach Delhi geschickt worden ist)

Ein Ansturm gegnerischer Kräfte hat eingesetzt. Ein wütender Ansturm. Aber allmählich beginnt eine Antwort zu kommen - es ist erst ein ganz kleiner Beginn. In jedem war es wie ein Orkan, und es ist noch nicht völlig vorbei. Alles, was man besiegt und zurückgedrängt glaubte, stürzt wieder hervor - bei Leuten, von denen man es am wenigsten erwartete - unter allen Formen, aber vor allem, was den Charakter betrifft, oh!... Zweifel, Aufruhr, all das ...

(Schweigen)

Man bat mich um eine Botschaft für ganz Indien (anläßlich der Bangladesh-Krise). Ich habe sie gegeben.

(Mutter reicht den Text)

Supreme Lord, Eternal Truth

Let us obey Thee alone

and live according to

Truth.

Höchster Herr, ewige Wahrheit

Laß uns Dir allein gehorchen

und der Wahrheit entsprechend leben.

Ein schrecklicher Ansturm von Lüge. Als würden alle lügen, selbst Leute, von denen man es am wenigsten erwartet - überall-überall-überall. Für mich war es höchst lebendig (Mutter macht eine Geste des Sehens), einfach schrecklich! Das kannst du dir nicht vorstellen ... Eine kleine Verdrehung nach rechts, eine kleine Verdrehung nach links - überhaupt nichts Gerades mehr. Da sagte sich der Körper: "Wo ist deine eigene Lüge?" Er betrachtete sich. Und er sah diese alte Geschichte: "Man darf den Herrn nur bei wichtigen Angelegenheiten rufen ..." (lachend) "Du kannst nicht hoffen, ständig mit Ihm zu sein." Da erhielt er einen kräftigen Klaps.

Es war nicht aggressiv, es hatte den Anschein von Demut - er bekam eine kräftige Ohrfeige.

Ein verbissener Andrang unangenehmer Dinge - mehr als unangenehm: richtig gemein, schlecht und destruktiv. Ein wütender Ansturm, bis er verstand. Dann kam dieses Gefühl in den ganzen Körper, in alle Zellen, überall, ständig (es ging so weit, daß ich beim Essen nicht schlucken konnte), bis alles versteht: "Ich existiere nur durch das Göttliche, ich kann nur durch das Göttliche weiterbestehen ... und ich kann nur ich selbst sein, indem ich das Göttliche bin." Danach ging es besser. Jetzt hat der Körper verstanden.

(langes Schweigen)

Hast du nichts zu fragen? Nichts zu sagen?

Ich habe den Eindruck, daß ein böses Schicksal auf mir lastet.

Nein, das ist nicht wahr! Das ist Teil der Lüge, das ist diese Lüge - es ist ein Teil der Lüge. Ich hatte das gesehen, ich sah sie; ich versuchte das zu entfernen, es ist mir nicht gelungen ... Es ist kein böses Schicksal, das ist Unsinn! Eine völlige Lüge. Das ist nicht wahr - überhaupt nicht.

Da hast du gerade ein Beispiel: das ist überall so (Mutter deutet Krallen an). Ich selbst habe den Eindruck, kleine Teufel mit gekrümmten Händen zu sehen, die sich an alle ankrallen wollen.

Das ist nicht wahr - im Gegenteil! Im Gegenteil, die Linie, die ich in letzter Zeit für dich gesehen hatte, ist vielmehr ein Zunehmen des positiven Einflusses auf die Leute durch Ideen und etwas (ich sprach davon), das sich ausbreitet, das überall seine Arbeit verrichten wird. Aber das will der Teufel natürlich nicht, deshalb versucht er ... (Geste gekrümmter Finger) Ach! Du mußt ihm ins Gesicht lachen - ihm die Zunge herausstrecken wie ein schlecht erzogenes Kind.

(langes Schweigen)

Jedenfalls werden wir ziemlich geschüttelt.

Oh!... ich sage dir, es ist ein massiver Angriff - aber das macht nichts. Man muß höher gehen und dann ... (Geste eines von oben Betrachtens).

Was ich dir sagte, ist die Wahrheit und das EINZIGE Heilmittel:

nur für das Göttliche existieren

nur durch das Göttliche existieren

nur im Dienst für das Göttliche existieren

nur existieren ... indem man göttlich wird.

Voilà.

Da gibt es kein "du", da heißt es nicht "man muß warten", und "es wird zu seiner Zeit kommen", da gibt es nicht ... alle diese sehr vernünftigen Dinge gibt es nicht mehr - es ist Das (Mutter schlägt ihre Faust nieder) wie eine Schwertklinge. Es ist Das ALLEN HINDERNISSEN ZUM TROTZ. Das Göttliche. Allein das Göttliche. Der ganze Haufen von Böswilligkeit und Aufruhr und von ... all das (Mutter hebt einen unerschütterlichen Finger) muß weggefegt werden.

Nur das Ego sagt, daß wir durch Das untergehen oder zerstört werden - Herr Ego versucht sich als das wahre Wesen auszugeben.

Aber der Körper hat gelernt, daß er auch ohne Ego das ist, was er ist, denn er ist es durch den göttlichen Willen und überhaupt nicht durch das Ego - wir existieren durch den göttlichen Willen und nicht durch das Ego. Das Ego war ein Mittel - in einer Zeit, die Jahrhunderte zurückliegt. Vor Jahrhunderten galt das noch. Jetzt taugt es nichts mehr, seine Zeit ist abgelaufen. Es hatte seine Zeit, es war von Nutzen - das ist vorbei, vorbei, es ist dort unten. Jetzt ... (Mutter schlägt ihre Faust nieder): das Bewußtsein ist das Göttliche; die Macht ist das Göttliche; die Handlung ist das Göttliche; die Individualität ist das Göttliche.

Und dieser Körper hat sehr gut verstanden und gefühlt, er hat "realisiert", wie man auf englisch sagt, realized, understood, daß dieses Gefühl, eine abgetrennte Persönlichkeit zu sein, VOLLKOMMEN nutzlos ist, vollkommen nutzlos, überhaupt nicht unentbehrlich für seine Existenz, es ist völlig nutzlos. Er besteht durch eine andere Macht und einen anderen Willen, der nicht individuell ist, der nicht persönlich ist: das ist der göttliche Wille. Er wird erst dann sein, was er sein soll, wenn er fühlen wird, daß kein Unterschied zwischen ihm und dem Göttlichen besteht. Das ist alles.

Alles Übrige ist Lüge-Lüge-Lüge - eine Lüge, die verschwinden muß. Es gibt nur EINE Wirklichkeit, es gibt nur EIN Leben, es gibt nur EIN Bewußtsein (Mutter schlägt ihre Faust nieder): das Göttliche.

(Mutter betrachtet Satprem mit großer Intensität,
Satprem legt seine Stirn auf Mutters Schoß)

***

12. Juni 1971

(Zu Beginn gibt Mutter Satprem einige Exemplare der schwedischen Übersetzung der Einleitung von La Genèse du Surhomme,
dann liest Satprem einige Zitate von Sri Aurobindo
für das nächste Bulletin vor:)

Jeder Sadhak hat naturgemäß gewisse Charakteristiken, die ein großes Hindernis auf dem Weg der Sadhana darstellen; sie bleiben mit Hartnäckigkeit bestehen und können nur nach langer Zeit durch eine Aktion des Göttlichen von innen überwunden werden. Dein Fehler ist nicht etwa, diese Defekte zu haben; andere haben auch sehr stark Fehler von Wut, Eifersucht, Neid usw., und tragen sie nicht nur in sich selbst, sondern zeigen sie sehr offen -, aber Dein Irrtum ist, daraus einen Grund zur Verzweiflung zu machen und von hier fortgehen zu wollen. Fortgehen hat absolut keinen Sinn, es bringt nichts. Dem, was in einem selbst steckt, entflieht man nicht, indem man den Ort wechselt; die Schwierigkeiten folgen und treten unter anderen Umständen und in einem anderen Milieu wieder auf. Fortgehen und Sterben löst auch nichts, denn unser Wesen und unsere Natur enden nicht mit dem Tod - sie dauern fort. Die einzige Art, sich seiner Fehler zu entledigen, ist, sie hinauszuwerfen, und der einzige Ort, wo Du Dich ihrer entledigen kannst, ist hier. Wenn Du hier bleibst, wird gewiß eine Zeit kommen, wo diese Dinge aus Dir heraustreten. Das Leiden, das sie hervorrufen, kann nicht aufhören, indem Du fortgehst - es kann nur aufhören, indem Du die innere Ursache beseitigst oder indem Du Dich von diesen Dingen zurückziehst und Dein wahres Ich verwirklichst, das durch sie nicht gestört wird, selbst wenn sie aufkommen: es wird sich weigern, sie als Teil seiner selbst anzusehen - auch diese Befreiung kann nur hier kommen durch die Sadhana.

24.5.1937

Sri Aurobindo

Das ist wunderbar! Das könnte man so vielen Leuten sagen.

***

Diese Art Zustand zwischen zwei Welten - eine, die man verlassen hat, aber die ihren Griff nicht lockert, und die andere, die man beinahe greifen kann, aber die man nicht in Handlung umsetzen kann - stellt sich immer ein in einem gewissen Übergangsstadium zwischen dem gewöhnlichen Bewußtsein und dem yogischen Bewußtsein. Das ist offensichtlich sehr beschwerlich. Man muß so fest wie möglich bleiben. Es gibt zwei Möglichkeiten, damit fertigzuwerden. Eine ist, sich ruhig zu verhalten, mit dem schweigenden Willen, diese Passage schnell zu durchschreiten, um zur wahren Sache zu gelangen und die Schwierigkeit durch die Kraft lösen zu lassen. Die andere ist durch Anstrengung, aber diese Anstrengung muß auch ruhig sein - wenn es ein Kampf oder eine zu ungeduldige Anstrengung ist, läuft sie Gefahr, den Konflikt und die Unruhe im Mental oder im Körper zu verschlimmern. Das Beste ist, sich ruhig zu verhalten, zu beobachten, den Willen zur Änderung zu haben, indem man sich der Aktion der Kraft hingibt, aber auch, indem man jedesmal, wenn es möglich ist, eine ruhige Anstrengung macht. Wenn man dies tut, erkennt man nach einiger Zeit, daß ein ruhiges Handeln zur Gewohnheit wird und daß jedesmal, wenn die äußeren Kräfte kommen und das Mental stören, diese ruhige Aktion sie automatisch zurückweist und das Gleichgewicht des Bewußtseins aufrechterhält.

19.1.1937

Sri Aurobindo

Das ist ausgezeichnet!

***

In dem, was Du über den leeren Becher sagst, liegt eine gewisse Wahrheit - ein gewisses Entleeren des Bewußtseins von alten Dingen ist nötig, bevor sich etwas Positives niederlassen kann. Genau das geschieht in Deinem physischen Bewußtsein; die alten Bewegungen sind dabei, sich zu entleeren, und alles wird ruhig, aber sie drängen sich wieder herein, und der Becher muß wiederholt geleert werden. Wenn die Zurückweisung entschieden und ausdauernd ist, hört die wiederholte Rückkehr dieser alte Bewegungen auf, so aufdringlich zu sein; die Perioden der Ruhe können sich einrichten und dauerhaft werden.

Jedoch ist es nicht wahr, daß die gesamte Natur von alten Dingen entleert sein muß, bevor das Licht und die Gnade kommen können. Gewöhnlich vollzieht sich das in verschiedenen Teilen der Natur zu unterschiedlichen Zeitabschnitten. Deine letzten Erfahrungen konnten kommen, weil das Mental und das höhere Vital ausreichend geklärt und ruhig waren, um gewisse Erfahrungen des neuen Bewußtseins zu empfangen. Jetzt müssen das physische Mental, das physische Vital und der Körper entleert werden - diese nehmen stets mehr Zeit in Anspruch als die anderen Teile, denn das Physische ist mehr voller alter Gewohnheiten und langsamer, wenn es darum geht, etwas Neues aufzunehmen oder sich zu ändern. Aber durch Abstandnahme, durch ein regelmäßiges Zurückweisen und mit dem Vertrauen in Mutters Kraft kann diese Widersetzlichkeit überwunden und der Becher geleert werden, um sich mit dem göttlichen Licht zu füllen.

15. Januar 1937

Sri Aurobindo

***

Was die Sadhana betrifft, ist es nicht wahr, daß Du nicht fähig bist, aber Dir ist widerfahren, was vielen anderen geschah: das physische Bewußtsein hat sich erhoben und hat das Psychische, das sich anschickte, in den Vordergrund zu treten, verschleiert. Es erhob sich, indem es auf der Wichtigkeit seiner kleinen unwissenden Ideen und Gefühle bestand, und es weigert sich, sie gehen zu lassen. Wenn das Psychische in den Vordergrund tritt, verlassen diese Dinge allmählich das Bewußtsein und machen größeren und klareren Bewegungen Platz. Aber bevor das geschieht, steigen diese Dinge oft von unten auf und beherrschen das Bewußtsein eine Zeitlang. Das muß kein Dauerzustand sein, und wenn man diese unwissenden Bewegungen klar erkennt und sie bewußt zurückweist, kann man schneller ans Ziel kommen - und selbst, wenn dieser Zustand lange weiterbesteht, kann er auf die Dauer überwunden werden. Das geschieht vielen im Augenblick. Natürlich überredet das physische Bewußtsein das Mental, daß dies ein ewiger Zustand sei und nicht überwunden werden könne, aber das ist nicht wahr.

21. Mai 1937

Sri Aurobindo

Das ist gut. Es scheint genau der richtige Augenblick, dies zu sagen.

***

16. Juni 1971

(Satprem schlägt einige Auszüge aus der Agenda für die "Notizen auf dem Weg" vor, unter anderem das Gespräch vom 22. Mai über das Eingreifen der Höchsten Weisheit: "Die Möglichkeit eines gewaltigen Fortschritts - nicht in der Luft: hier."

Das ist gut. Das beschwört die Atmosphäre ... Ist es zu früh, darüber zu sprechen? Ich weiß es nicht.

Ja, ich hatte denselben Eindruck.

Es ist zu früh. Wir müssen warten.

Es ist für das Bulletin im August.

Ja, aber der August kommt schon bald ... Ich weiß nicht. Wir werden im nächsten Monat sehen, ob wir es drucken oder für später aufheben. Jedenfalls werden wir es eines Tages verwenden. Es scheint ... Ich scheine zu schnell voranzugehen.

Ja, das scheint noch in weiter Ferne zu liegen.

Vielleicht fehlt mir der Glaube, das ist schon möglich.

Ich erinnere mich jetzt (das Lesen brachte die Atmosphäre zurück), ich erinnere mich, in welchem Zustand ich war ... Ich war der Zeit voraus.

***

(Dann schlägt Satprem Auszüge aus dem Gespräch vom 9. Juni über den "Ansturm der Lüge" und den Abschnitt über das Verschwinden des Egos vor.)

Das ist eine ganz aktuelle Tatsache [der Ansturm].

Ach, das [das Verschwinden des Egos] ist perfekt; das müssen wir veröffentlichen, das ist meine tägliche Erfahrung, ständig. ... Das müssen wir jetzt veröffentlichen.

Weißt du, das ist meine Erfahrung in jeder Minute, für alles, ständig: beim Ruhen, beim Handeln, beim Essen, bei allem, bei jeder Handlung mit den Leuten, bei allem, allem, allem; das ist eine Art von ... ich könnte fast sagen: Es ist eine Besitzergreifung durch das Göttliche. Mein Körper fühlt, daß er nur so existiert (Geste geschlossener Fäuste, sich ans Göttliche anklammernd): ohne Das existiert nichts. Ach, das ist eine ständige und totale Erfahrung.

(Mutter geht in sich)

Das ist interessant: ALLES ist nützlich - alles ist nützlich, alles ist notwendig, hat seinen Platz in Zeit und Raum (es ist etwas, das weder Raum noch Zeit ist: in der Manifestation, so könnte man sagen), und es wird zur Lüge, wenn es fortdauern will, nachdem seine Zeit vorüber ist. Man muß in der Bewegung sein können - in der Bewegung eines ewigen Entfaltens -, wo die Dinge ... immer wahrer werden. In der gesamten und ewigen Bewegung werden die Dinge immer wahrer.

(Mutter geht wieder in sich)

Großartig!...

(Mutter geht in sich)

***

23. Juni 1971

(Mutter hört sich die Lektüre verschiedener Briefe Sri Aurobindos für das nächste Bulletin an und hält bei diesem inne:)

Dein Vital scheint die ganze Zeit ein "Feilschen" oder die Haltung einer "Kantine" in diesen Angelegenheiten beibehalten zu haben. Man gibt irgendwelche Waren, die man Hingebung oder Ehrerbietung nennt, und im Gegenzug ist Mutter verpflichtet, alle Forderungen und spirituellen, mentalen, vitalen und physischen Wünsche zu befriedigen, und wenn sie ihrer Aufgabe nicht nachkommt, hat sie den Vertrag gebrochen - der Ashram als eine Art Gemeinschaftshotel oder eine Kantine, und Mutter als Hotel- oder Kantinenleiterin. Man gibt, was man kann oder zu geben wählt, oder es mag auch gar nichts sein außer der vorher genannten Ware; als Gegenleistung müssen der Gaumen, der Magen und alle physischen Forderungen völlig zufriedengestellt werden; wenn nicht, ist man durchaus berechtigt, sein Geld zu behalten und den nachlässigen Hotelier oder Katinenleiter zu beschimpfen. Diese Haltung hat überhaupt nichts mit Sadhana oder Yoga zu tun. Ich streite absolut jedem das Recht ab, dies als Basis meiner Arbeit oder für das Leben im Ashram aufzuerlegen.

Es gibt nur zwei mögliche Grundlagen für das materielle Leben hier. Die eine ist, daß man Mitglied eines Ashrams ist, beruhend auf dem Prinzip der Selbsthingabe und Unterwerfung. Man gehört dem Göttlichen, und alles, was man besitzt, gehört dem Göttlichen; man gibt nicht etwas, das einem selbst gehört, sondern etwas, das bereits dem Göttlichen gehört. Da gibt es keine Frage eines Bezahlens oder Zurückgebens, kein Feilschen, keinen Raum für Forderung oder Verlangen. Mutter allein ist verantwortlich und ordnet die Angelegenheiten, so gut das mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln und den Fähigkeiten ihrer Instrumente möglich ist. Sie ist keineswegs verpflichtet, mentalen Regeln, vitalen Begierden und Forderungen der Sadhaks nachzugeben; sie ist nicht verpflichtet, sich in ihrer Beziehung zu den Sadhaks einer demokratischen Gleichheit zu unterstellen. Es steht ihr frei, mit jedem in der Weise zu verfahren, die ihrer Ansicht nach seinem wahren Bedürfnis entspricht oder am besten für seinen spirituellen Fortschritt ist. Niemand kann ihr Richter sein oder ihr seine eigenen Regeln oder Maßstäbe aufzwingen; nur sie allein kann Regeln aufstellen, und sie kann von ihnen abweichen, wenn sie es für richtig hält, aber niemand kann von ihr fordern, dies zu tun. Persönliche Forderungen und Wünsche können ihr nicht aufgezwungen werden. Wenn irgend jemand ein wirkliches Bedürfnis zu haben glaubt oder im Bereich der ihm zugewiesenen Aufgaben einen Vorschlag zu unterbreiten hat, kann er ihn machen, aber wenn sie ihre Billigung nicht gibt, soll er sich zufrieden geben und es dabei belassen. Dies ist eine spirituelle Disziplin, deren Zentrum diejenige ist, die die Göttliche Wahrheit darstellt und verkörpert. Entweder ist sie das tatsächlich, und dann sind all diese Dinge selbstverständlich, oder sie ist es nicht, und dann braucht niemand hier zu bleiben. Jeder kann seinen eigenen Weg gehen, und es gibt keinen Ashram und keinen Yoga.

Sri Aurobindo

11. April 1930

The Mother, XXV.23

Das wirft kein schmeichelhaftes Licht auf den Ashram ... Aber es ist wahr, es ist schrecklich wahr. Man könnte sagen, genau das spielt sich gerade ab. Das könnte jetzt geschrieben sein.

Was denkst du darüber [über die Veröffentlichung]?

Ich denke gar nichts.

Was empfindest du?... Aber du wirst mir sagen, daß du nichts empfindest ... Wenn das (auf den Körper deutend) nicht das wäre, was die Leute "Mutter" nennen, wenn es sich nicht um mich handelte, würde ich ja sagen. Genau das ist nötig.

Dann muß es veröffentlicht werden.

Ich möchte nicht den Anschein erwecken, mich rechtfertigen zu wollen.

Aber das tust du nicht. Jedenfalls spielt das keine Rolle.

Gut, so gefällt es mir besser.

Laß es uns veröffentlichen. Die anderen Zitate [[Satprem hatte noch andere Briefe Sri Aurobindos über den Ashram vorgelesen. Mutter hatte beim oben zitierten innegehalten. ]] geben ein etwas düsteres Bild vom Ashram, vor allem, wenn sie zusammen wiedergegeben werden.

Ja, eines genügt.

Er verließ uns vor zwanzig Jahren - 1950, vor zweiundzwanzig, dreiundzwanzig Jahren.

Vor einundzwanzig Jahren.

Trotzdem ging es weiter.

(Mutter geht in sich)

Dein Artikel [über Bangladesh] scheint eine große Wirkung gehabt zu haben - wirklich [[Dieser Artikel wurde in zehn- oder zwanzigtausend Exemplaren gedruckt, in alle indischen Sprachen übersetzt und u.a. an alle Parlamentsmitglieder verschickt. ]] . Eine allgemeine Umwälzung findet statt. Man erwartet Krieg.

Aber weißt du, daß die Amerikaner Waffen an Pakistan liefern?

Es scheint so. Man sagt, es sei nicht offiziell die amerikanische Regierung gewesen.

Ja, das läßt sich leicht behaupten!

Jedenfalls sind die Fabrikanten Amerikaner.

Das ist leicht - sie können alles sagen, was sie wollen.

Hier macht man sich auf Krieg innerhalb einer Woche gefaßt.

Die Inder werden sich nicht rühren, wenn man sie nicht auf den Kopf schlägt!

Aber die indische Regierung sagte dies - sie bereiten sich vor. Sie waren nicht bereit [im März].

Bah! Vor einem Monat waren sie nicht bereit, jetzt sind sie plötzlich bereit.

(Mutter nickt) Ich habe Neuigkeiten von den Leuten, die die Truppen organisieren und bereit sind, morgen in Pakistan einzufallen, wenn man es ihnen sagt.

Wenn man es ihnen sagt.

Wenn man es ihnen sagt.

Ja.

Ein Minister [[Swaran Singh, der Außenminister, unternahm gerade eine Reise nach den U.S.A., England, Moskau, Paris usw. ]] hat gerade verschiedene Länder besucht, um ihnen zu sagen, daß sie beabsichtigten, einen Krieg zu beginnen.

Ach?

Er kommt, glaube ich, heute oder morgen mit den Reaktionen zurück. Dann wird man sehen. Es ist eine Frage von Tagen. Ich habe die letzten Neuigkeiten von der Regierung - die Regierung schickte sie mir [[Indien wird erst im Dezember in Aktion treten. ]] .

Ich bin skeptisch.

Was man sagt, ist immer schlechter - schlechter oder besser - als das, was tatsächlich geschieht. Voilà.

Jedenfalls hat man mich offiziell informiert.

Wir werden sehen.

Wir werden sehen.

(Schweigen)

Da sind die Flüchtlinge [[Es sind schon acht Millionen Flüchtlinge von Bangladesh. ]] - die Flüchtlinge bedeuten eine größere Last als der Krieg.

Aber ja, natürlich!

Das haben sie gemerkt - sie haben endlich begriffen.

Endlich - wie dickfellig!

Sie wollen all diese Leute nach Hause schicken, mit Schutztruppen.

Ach!

Wir werden sehen.

(Schweigen)

Hast du nichts?

Ich erhielt Neuigkeiten von P.L. Du weißt, daß man das Buch La Genèse du Surhomme gleichzeitig mit dem Sannyasin dem Pariser Verlag Flammarion angeboten hatte. Sie lehnten beide ab.

Ach, sie haben sie abgelehnt.

Soll ich dir vorlesen, was sie sagen?

Ja.

Paris, 14. Juni 1971

"Wir danken Ihnen für die Zusendung der beiden Manuskripte von Sri Satprem Durch den Körper der Erde und La Genèse du Surhomme.

Leider erschien es unseren Lektoren im einen wie im anderen Fall, daß es Sri Satprem nicht gelungen ist, seiner Glaubensüberzeugung, die letztlich sehr vage und jedenfalls schwer mitzuteilen ist, eine Basis zu geben. Was den Stil betrifft, läßt er diese unaussprechlichen und oft verdächtigen Dinge nur selten lebendig werden. Vor allem diese Mängel veranlaßten uns, von einer Veröffentlichung abzusehen."

Gezeichnet: O.L.

Was wollen sie damit sagen?

Sie meinen erstens, daß es mir nicht gelang, meinen recht vagen Glaubensüberzeugungen eine feste Basis zu geben ...

Ja, natürlich!

Und was den Stil betrifft, bringt er nur sehr selten diese sogenannten unaussprechlichen und verdächtigen Dinge zum Leben.

Was bedeutet das?

Nun, es bedeutet, daß diese sogenannten unsagbaren Dinge verdächtig sind, sie sind nicht wahr - sie scheinen Lügen oder Täuschungen oder bloße Einbildung zu sein, oder ich weiß nicht was.

(Schweigen)

Was sollen wir mit den dreitausend Exemplaren [von La Genèse] tun?

Keine Ahnung.

Sollen wir sie trotzdem verschicken?

An wen sollen wir sie denn schicken?

An den Auslieferer, den A getroffen hat.

Aber der nimmt nur zweihundert.

(Mutter lacht)

Er nimmt zweihundert und wird zwei oder drei Jahre brauchen, um sie zu verkaufen.

Bah!

Wenn wir nicht über einen Verlag gehen, gibt es keine Werbung, und ohne Werbung wird nichts verkauft. Ganz einfach.

(Mutter geht lange in sich)

Es muß einen Mann geben. Ich fühle, daß es sicher einen Verleger gibt, der es mit großer Freude nehmen würde. Aber ich kenne seinen Namen nicht ...

Bedeutet das nicht, daß meine Aufgabe beendet ist?

Niemals im Leben!

(Mutter geht in sich)

Nein, ich sehe einen großen Erfolg für das Buch, ich sehe das, es ist konkret ... Ein Verleger wird es mit Freude nehmen, aber ich kenne seinen Namen nicht.

(Schweigen)

Für mich ist das klar, nur liegt es noch in der Zukunft.

(Schweigen)

Wäre es dir möglich, die Namen aller Verleger in Frankreich zu bekommen?

Ja, sicher. Soll ich dir eine Liste zusammenstellen?

Ja, mach das. Ich werde sehen, ob das Licht einen von ihnen berührt.

Ich sehe ... Ich sehe ... Irgendein alter Knabe hat das zum Lesen erhalten - ich meine nicht, alt an Jahren, sondern alt in seinem Geist.

Aber die sind alle so. [[Der Sannyasin war fünf Verlegern angeboten worden. Robert Laffont war noch nicht gefunden worden. ]]

Nein, sie sind nicht alle so. Für manche hat es bloß keine Bedeutung - und er ist einer von ihnen.

(Schweigen)

Vielleicht ist es einer, der nicht viel Geld hat und der froh wäre, unsere gedruckten Bücher zu übernehmen - er würde nur seinen Umschlag darum tun.

Ich spüre das sehr stark, verstehst du.

Gut, ich werde dir die Liste bringen.

Nein, es ist überhaupt nicht blockiert; im Gegenteil, es reicht sehr weit in die Zukunft - es ist überhaupt nicht blockiert, es geht sehr weit, es ist eine Frage von zehn Jahren. In zehn Jahren wird es stark sein. Das sehe ich.

***

26. Juni 1971

Es sieht so aus, als sei der Krieg unvermeidlich.

Ist er unvermeidlich?

Er wird von einem auf den anderen Tag erwartet ... Amerika hat mit Waffen beladene Schiffe nach Pakistan entsandt; vor der Kriegserklärung will die indische Regierung Amerika auffordern, die Waffenlieferungen nach Pakistan einzustellen, die Schiffe aufzuhalten [[Amerika lehnte natürlich ab - einige Tage später sandten sie drei oder vier weitere Schiffe mit Waffen. ]] .

Auf das warten sie, und wenn es entschieden ist, wird man den Krieg erklären. Das habe ich quasi aus erster Hand erfahren

Was siehst du denn?

(Mutter geht in sich)

Es ist sehr konfus. Man kann nicht sagen, daß die guten Kräfte klar auf der einen Seite und der Widersacher auf der anderen steht - so ist es nicht. Pakistan steckt zwar voll in der Lüge, aber selbst da ... Es ist konfus, es ist sehr konfus.

Indien auch.

Die Kraft arbeitet eindeutig zugunsten Indiens, das sehe ich, aber ... Was wolltest du sagen?

Ich wollte sagen, daß Indien ebenso in der Lüge steckt wie Pakistan.

Das ist es ja gerade! Das ist das Unglück. - Aber immerhin nicht ganz so stark.

Nicht ganz, nein.

Indira schickte mir gerade (das gibt dir eine Vorstellung) eine Mitteilung durch J, den Gouverneur, mit der Bitte, wenn es etwas zu sagen gebe, solle ich es ihr in einem doppelten Umschlag durch den Gouverneur schicken, denn es gibt Leute [im Ashram], die ihr in meinem Namen Lügen erzählen, deshalb ... beginnt sie, mißtrauisch zu werden.

(Schweigen)

Es ist wirklich ein Schlamassel, weiß du.

(Schweigen)

Die Leute haben große Furcht vor einer Hungersnot.

Und wir haben Mühe, uns gegen eine Invasion [[Eine Invasion von Flüchtlingen aus Bangladesh, verbunden mit einer Choleraepidemie. ]] zu verteidigen. Man muß äußerst achtsam sein.

(Mutter geht in sich)

Hast du nichts zu fragen?

Ich habe selber das Gefühl, in einem völligen Zusammenbruch zu leben.

(Mutter geht lange in sich)

Ich habe nichts zu sagen.

(Mutter geht wieder in sich,
dann zieht sich Satprem zurück,
und Sujata nähert sich Mutter)

(Sujata:) Liebe Mutter, wenn du so schaust, was siehst du?

(nach einem Schweigen)

Es ist äußerst vermischt. Eben das Gefühl, daß es keine klar abgegrenzte Trennung zwischen der Wahrheit auf der einen und der Lüge auf der anderen Seite gibt, daß alles ein Mischmasch ist.

Ich habe den Eindruck, daß die Dinge so gehalten werden (Bewegungslosigkeit unter einem Druck andeutende Geste): Man will, daß die Jahrhundertfeier für Sri Aurobindo stattfinden kann - wenn es Krieg gäbe, wäre das schwierig. In Delhi meinten sie, daß es in acht Tagen Krieg gebe - heute sagten sie es mir wieder: er steht unmittelbar bevor. Gleichzeitig macht etwas so (gleiche Geste eines immobilisierenden Druckes), um die Dinge in diesem ungewissen Zustand zu halten, bis Sri Aurobindos Jahrhundertfeier ihre volle Entwicklung entfalten kann - ich sehe diese Konfusion. Das Gefühl, daß die Jahrhundertfeier eine vorrangige Bedeutung hat, und zugleich sagt das äußere Bewußtsein, wenn es Krieg gibt, wird es das Ende der Jahrhundertfeier sein. So ist es. Ich sehe nichts Genaues, denn die Dinge sind alle vermischt ... Wenn ich etwas deutlich sehe, werde ich es natürlich sagen, aber ich sehe nichts. Es ist alles sehr konfus - sehr konfus. Und ein hartnäckiger Druck wird auf uns ausgeübt, uns vor allem um die Jahrhundertfeier zu kümmern, daß dies unsere Hauptbeschäftigung sein soll: nicht zu sehr auf die äußeren Ereignisse achten. Das sehe ich - nicht so interessant! (Mutter lacht)

(Sujata:) Aber liebe Mutter, sollte das Problem zwischen Indien und Pakistan nicht gerade für die Jahrhundertfeier geregelt werden?

Das hatte ich gehofft.

(Sujata:) Ja, Mutter.

Aber es gibt keine klaren Zeichen. Das wäre natürlich großartig, aber ... Um die Wahrheit zu sagen, bin ich immer mehr damit beschäftigt, ein vollkommen transparenter Übermittler zu sein, als zu wissen - es bedeutet mir nichts, die Dinge zu wissen; nur so klar wie möglich sein, damit sich Das wenigstens an einem Ort ohne allzu großen Widerstand manifestieren kann. Das ist alles.

Man muß nur Geduld haben.

Keine Ungeduld zu wissen. Man muß sich eher darum bemühen, ein Übermittler ohne Hindernisse zu sein, als zu wissen - verstehst du? Es ist wichtiger, die Atmosphäre so klar und transparent wie möglich zu halten. Das ist wichtiger, als im voraus zu wissen, was geschehen wird. So sehe ich das.

***

30. Juni 1971

Es herrscht eine schreckliche Konfusion; alle streiten sich ... Vorher waren sich wenigstens Indira und N.S. einig, jetzt ... Indira ließ mir durch den Gouverneur mitteilen, daß ich, wenn ich ihr etwas zu sagen hätte, es durch ihn tun solle - ich habe nichts zu sagen.

Man erhält Briefe von überall mit dem "wahren Wissen" dessen, was man Sri Aurobindo zufolge tun müsse, und dann ... Eine solche Vermischung, die Dinge sind unglaublich verflochten, ach!...

Es ist eine Lüge, die sich in einen Mantel der Wahrheit hüllt, um glaubhaft zu erscheinen.

Jetzt verstehen sich die beiden nicht mehr, denn Indira sagt, daß ich ihr dies gesagt habe, und N.S. sagt: "Nein, Mutter hat jenes gesagt." Voilà [[Und was haben Mutters "Abgesandte" dem einen und dem anderen zugetragen? ]] .

Dann mußt du einfach selber sagen, was du gesagt hast!

Ja, aber sie interpretieren es auf ihre Art ...

Auf der einen Seite sagt man, der Krieg stehe vor der Tür; auf der anderen heißt es, der Krieg sei unnütz - all dies gestützt auf das, was ich gesagt haben soll.

Nun, ja ...

Warum schickst du Indira nicht meinen Artikel [über Bangladesh]?

Aber ich glaube, man hat ihn ihr gegeben.

Das würde mich sehr erstaunen ... Laß ihn doch durch J [den Gouverneur] schicken!

(nach einem Schweigen schüttelt Mutter den Kopf)

Sie haben den Augenblick verpaßt. Sie haben die Chance verloren.

Ja, das denke ich auch.

(langes Schweigen)

Stell dir vor, zusammen mit den Flüchtlingen sind Agenten von Pakistan nach Indien gekommen, die die Brunnen und Flüsse vergiften. Man hat sie auf frischer Tat erwischt. Schrecklich ...

Aber die Inder bekommen das, was sie verdienen. Sie wollen wie weise kleine Heilige sein, nicht eingreifen und nichts unternehmen. Als Resultat gibt es Millionen Flüchtlinge, man vergiftet ihre Brunnen, und alles ist nur schlimmer geworden. Sie wollen keinen Krieg führen, verstehst du!

(Mutter geht lange in sich)

Es scheint, das Parlament ist für den Krieg - das Parlament will Krieg, und die Regierung nicht.

Ja.

(Mutter geht in sich)

Aber eine Krankheit hat die ganze Welt erfaßt. Eine Amerikanerin kam hierher und sollte wiederkommen. Sie wurde nachts erstochen, auf ihrem Nachhauseweg in New York. Scheinbar kann man abends in New York nicht mehr ausgehen, wenn man nicht mindestens zu dritt oder viert ist ... Die Welt ist verrückt geworden - überall.

***

Juli

3. Juli 1971

Weißt du, die beiden Extreme - ein wunderbarer Zustand und ein allgemeiner Zerfall - sind so dicht beieinander (Geste eines unentwirrbaren Miteinandervermischtseins). Alles, alles gerät in Unordnung: die Leute, auf die man sich verläßt, lassen einen im Stich. Eine allgemeine Unehrlichkeit scheint sich zu verbreiten, die Leute werden ständig krank ... Die Schwierigkeiten waren noch NIE zuvor so zahlreich und gebündelt: gewaltige und ruinöse Schwierigkeiten. Und gleichzeitig ... blitzartig (das kommt für einige Minuten und verschwindet wieder) ... ein wunderbarer Zustand (der Körper selbst fühlt das), unvorstellbar, wie das äußerste Gegenteil davon. Als wolle genau das den Platz des alten einnehmen - aber der Rest verteidigt sich auf schreckliche Weise. Alle Umstände sind so, alle Leute sind so, angefangen von der Regierung bis zu den Leuten hier. Und dann dieser wunderbare Zustand: für einige Minuten kommt das in meinen Körper, um wieder wegzugehen.

Die Dinge sind derartig ... abscheulich - alle, alle Leute, auf die man zählt, alles-alles-alles stürzt ein; dies geht so weit, daß das Bewußtsein sich fragt: "Aber was soll diese Hölle, das ist doch kein Leben!" Im nächsten Augenblick - aber nur für einige Minuten - ein unvorstellbar wunderbarer Zustand. Das ist es, was ich lebe seit ... Tag und Nacht, unaufhörlich.

Heute morgen war es einige Minuten lang absolut wunderbar, und die übrige Zeit ist es höllisch. So ist das Leben jetzt. Scheinbar gerät alles-alles in Unordnung; die Leute, auf die man sich verläßt, lassen einen im Stich, gleichzeitig kommt plötzlich ... Zu 90% ist das so, aber die anderen 10% sind unvorstellbar wunderbar.

Alle Ideen eines persönlichen Willens, einer einzunehmenden Haltung ... Mein Körper sagt andauernd, Tag und Nacht, bei allen Schwierigkeiten einfach: "Mein Gott, möge Dein Wille geschehen!" Die Haltung des Körpers ist unbeirrbar: völlig so (Hände offen in Darbietung). Und das Gefühl seiner Unfähigkeit ... Nein: soweit das Gefühl der Persönlichkeit bestehen bleibt (nicht viel, es bleibt nicht viel davon), aber das wenige, das noch bleibt, ist von einer solchen Machtlosigkeit, einer solchen Unfähigkeit, einer solchen Unwissenheit!... Unwissenheit, schrecklich, von allem. Das ist etwas ... Man fragt sich, warum er so ist (Mutter berührt ihren Körper). Und dann ... (Geste eines wunderbaren Blitzes).

Die andere Seite macht kein Aufhebens. Es ist ... als sei man schwer krank, ein völliger Zerfall, und ganz plötzlich fühlt man sich wunderbar wohl und kräftig. Dies kommt ganz natürlich, ohne Aufsehen zu erregen. Es bleibt, und dann pfft!

Alle unsere vernünftigen Begründungen, alle unsere ... Alle zunichte - sie sind nichts mehr wert.

Alle Leute, die nötig sind, damit die Organisation läuft, alle Leute, auf die man zählt, paff! versagen.

So sehr, daß sogar das Essen ein Problem wird, und das Schlafen und das Sprechen - alles wird zu einem Problem -, und gleichzeitig ... es geschieht, man weiß nicht wie: die Dinge ordnen sich, man ißt und ruht sich aus ... Ein Beispiel: man liegt und hat solche Schmerzen, daß man sich sagt: "Das ist unmöglich, in dem Zustand kann ich nicht bleiben", und plötzlich, paff! nichts mehr: eine wunderbare Ruhe. Es gibt weder den Körper, noch Probleme. Dann, ohne zu wissen warum oder wie, kehren alle Schwierigkeiten wieder zurück. So ist es, und das ganze Leben ist so.

Die Leute kommen und sagen mir: "Ich habe diese und jene Schwierigkeit ..." "Ach", sage ich ihnen (in einem verzweifelten Tonfall), "was wollt ihr, die ganze Welt ist so! Sie kann untergehen, dies würde mir ... es wäre eine Erleichterung." Und dann ... (Geste eines wunderbaren Blitzes). Drei Minuten einer Pracht für zwölf Stunden Elend. In so einem Verhältnis steht das. Und für einen Körper, der wirklich aufrichtig ... Er denkt nur an das Göttliche und will nur das Göttliche. Aber er ist sich seiner Unfähigkeit voll bewußt.

Wie eine konkrete Demonstration der Existenz des Göttlichen und dessen, was die göttliche Existenz ist - eine absolute Existenz und was sie ist -, und auf der anderen Seite das, was aus ihr geworden ist.

(Schweigen)

Ich höre nicht, ich sehe nicht, ich kann nicht essen, ich kann nicht sprechen - all dies ist wie eine Zerstörung - ich begreife nicht, ich erinnere mich nicht mehr; und gleichzeitig plötzlich das Gefühl einer ... überlegenen Allmacht in ... so etwas wie einer Glückseligkeit, für die es in unserer Welt nichts Vergleichbares gibt. So ist das. Wie um mir zu sagen: "Ja, es ist wahr: es ist Das. Das wollen wir, Das soll sein ..." Aber wann? Das ist die Frage.

Das läßt einen ... Alle beklagen sich, alle stöhnen, alle erzählen sie von ihrem Elend - das läßt einen indifferent werden und ihnen sagen: "Was wollt ihr, so ist die Welt!"

"Die Welt ist so", aber das ist nicht wahr! Sie ist NICHT so - nur für unser Bewußtsein ist sie so ... Einen Moment lang fragte ich mich heute morgen: "Wie mag es wohl für das Bewußtsein der wilden Tiere sein?..." Da sah ich, daß das Bewußtsein, das fähig ist, das Ganze zu sehen, für die Tiere nicht existiert, sie haben es nicht - sie leben von Tag zu Tag und von Minute zu Minute das, was ihnen geschieht. Das ist alles. Ich verstand das, ich sah es, dies ist ... (Geste zur Stirn als Zeichen, daß das Mental alles verdirbt.)

(Schweigen)

Das heißt, es spitzt sich äußerst zu: Wie sehr die Welt nicht das ist, was sie sein soll. Immer heißt es: "Ja, ja, es ist eine Mischung von guten und schlechten Dingen"; aber all dies sind Kindermärchen - die guten Dinge sind nicht mehr wert als die schlechten. Es ist nicht DAS. Das Göttliche ist etwas anderes.

(Mutter geht in sich)

Und du, was bringst du?

Nichts Besonderes.

Nichts?

Ich möchte etwas wissen: Habe ich noch eine Arbeit zu verrichten?

Oh, nonsense! [Unsinn] Das ist Teil der gegnerischen Kräfte. Wenn das kommt, mußt du nur sagen: "Ah! Gut, da ist die Lüge wieder ..." Du hast ein ganzes Leben der Verwirklichungen vor dir.

Ich will sagen: etwas zu schaffen?

Aber ganz bestimmt!

(Schweigen)

Sobald ein niederziehender Einfluß da ist - sei es eine Empfindung, ein Gedanke oder irgend etwas - sag dir: das ist der Teufel.

Aber es ist keine Niedergeschlagenheit, tatsächlich ist ALLES ZERSCHLAGEN.

Aber ja! So ist es. Genau dies nenne ich einen niederziehenden Einfluß.

Aber es ist keine Empfindung sondern eine Tatsache.

Ja, eben das meine ich: alles gerät in Unordnung - alles-alles, die ganze Welt. Das ist eine Tatsache - nun gut, diese Tatsache ist da, um uns zu sagen: "Genau dies soll nicht mehr sein!" Für das gewöhnliche menschliche Bewußtsein ist es eine Realität - aber es ist nicht wahr, das ist alles. Man muß sich nur sagen: das ist nicht wahr.

Ich will sagen, daß zum Beispiel das, was ich geschrieben habe, keine lebendige Realität mehr für mich hat.

Ja, nun ... Das ist so, weil du dabei bist, auf die andere Seite überzuwechseln wie ich. Das ist alles.

Nichts hat Realität.

Nichts, ja.

Nichts, nichts ...

Du sagst mir "das Göttliche" oder du sagst mir "Dieses" ... - für mich hat nichts Wirklichkeit.

Oh, pardon! Ich sage dir und bestehe darauf: für mich ist das Göttliche ebenso konkret geworden - konkreter und zwingender - als ... Nur sind wir nicht fähig, Es zu fühlen: eine Minute, mehrere Minuten, ganz plötzlich, und dann, prrt!

Hast du nie plötzlich gespürt ...

Ich spüre die Kraft.

Ja, so ist es.

Dies allein hat Realität.

Ja.

Denn alles andere erscheint mir wie ein Machwerk des höheren Mentals.

Ja, genau.

Willentlich kann man sich denken oder vorstellen, in unermeßliche Bewußtseinszustände zu tauchen, und dann nichts, rein gar nichts.

Ja, genau. Das ist eine andere Art, das auszudrücken, was ich sagte.

Aber dann plötzlich ... plötzlich die Kraft ... eine Kraft ... - wir sagen "Kraft", denn ... wir wissen nicht, was es ist - eine allmächtige Kraft. Aber auf die Weise: es kommt und verschwindet wieder.

Mein Körper hat die Erfahrung, mein Körper weiß, daß es nicht fortgeht; er weiß, daß er zwar unfähig ist, es zu spüren, aber er weiß, daß es nicht fortgeht.

Für mich ist es wie ein Zusammenbruch aller Lehren. Jegliche Lehre erscheint mir wie ein Machwerk des höheren Mentals und sonst nichts - etwas, das keine konkrete Realität hat.

Mein Kind ...

Ich will nichts mehr davon wissen. Das Mental will NICHTS MEHR damit zu tun haben.

Das Mental sind wir leid - es müßte still sein und sich ruhig verhalten.

Ja, gleichzeitig ist es aber auch ein Instrument - jedenfalls WAR es eine Stütze. Ich selbst bediente mich seiner, es war eine Art Basis im Hintergrund - eine Basis für die dahinterliegende Erfahrung. Nun ist es so, als sei diese Basis verschwunden.

Ja, aber es gibt eine andere, die ... Eine andere, von der ich dir gerade sprach, und diese, mein Kind, ist unvorstellbar. Das gewöhnliche Bewußtsein kann sich nicht vorstellen, was das ist. Es sind so wunderbare Augenblicke, daß alles andere einem noch schlimmer erscheint.

(Mutter geht in sich)

***

10. Juli 1971

(Einige Worte Mutters betreffend, die eine Schülerin aus dem Gedächtnis notiert hatte:)

Der harmonische Lauf des Lebens ist keine Belohnung, die vom Göttlichen gegeben wurde. Wenn das Leben in seinem Normalzustand das wäre, was es sein sollte, wäre alles immer harmonisch ...

Ja, wenn es harmonisch ist, glaubt man immer: "Das Göttliche ist mit mir zufrieden." Die Leute glauben das, aber es ist nicht wahr: das ist der NORMALE Zustand.

... Nur wegen unserer Unvollkommenheiten ist das Leben nicht so, und wenn die Unvollkommenheiten verschwinden, verschwinden gleichzeitig die Schwierigkeiten.

***

Etwas später

Die Erfahrung im Körper ist sehr interessant. Alle sogenannten moralischen, intellektuellen, psychologischen Leiden, das heißt alle Dinge, die nicht vom rein materiellen Bewußtsein stammen, erscheinen dem Körper wie Kindergeschichten. Gestern hatte er ... Wie soll ich sagen? Ich kann es nicht erklären. Er fühlt die Dinge nicht in Bezug auf sich selbst, er fühlt sie ... (Schweigen) IN den anderen, aber mit einem allgemeinen Bewußtsein, nicht mit einem persönlichen Bewußtsein. Und das physische Leiden, das heißt die Krankheiten, die Unfälle, sind ihm so zuwider, daß er sich fragt, warum die Welt auf diese Weise besteht [[Es sei bemerkt, daß Mutter am selben Tag in indirektem Kontakt (durch Familienmitglieder) mit einem an Krebs erkrankten Schüler war. ]] . Er hat also verstanden, warum die Leute keinen Körper mehr haben wollen (vorher erschien ihm das immer lächerlich), er verstand warum. Das war eine so intensive Erfahrung! Er hatte eine Aspiration, so etwas wie ein Gebet (aber es ist kein Gebet): "Möge sich die Welt ändern! Möge sich die Welt ändern, sie muß sich ändern - oder verschwinden!" Aber die Idee zu verschwinden ist ihm nicht gekommen, sie erschien ihm ... Er hatte den Eindruck, daß die Welt zu einer harmonischen Vervollkommnung hin tendiert, aber es dauert lange - diese Zeitdauer ist schrecklich. Er empfand eine unglaublich intensive Aspiration für die Transformation. Alles erschien so schrecklich, denn ... denn die Transformation ist UNERLÄSSLICH. Man kann unmöglich mit solch einer Welt zufrieden sein - das ist unmöglich für ein physisches Bewußtsein, das sich des Göttlichen bewußt ist. Das ist unmöglich, es muß sich absolut ändern. Und das war derartig akut ... Es hielt mich so die ganze Nacht und den ganzen Tag fest, während ich die Leute sah, mit großer Intensität: es muß sich ändern, es muß sich ändern ...

Das Wesen, das innere Bewußtsein kann sagen und sich dessen bewußt sein, daß dieses Leiden unwirklich ist, aber das physische Bewußtsein kann dies nicht, folglich MUSS sich das ändern. Es geht nicht darum, in ein Bewußtsein einzutreten, wo man dieses physische Bewußtsein verschwinden läßt: es muß sich ändern, es muß sich ändern ... Ich kann mich nicht ausdrücken, ich kann es nicht sagen.

Doch, doch, ich verstehe.

Er ist sich so sehr bewußt, daß in allen Welten, selbst in der vitalen Welt, alles von der Haltung abhängt. Wenn man in Vereinigung mit dem Göttlichen ist, kann alles gut gehen, das hat keine Bedeutung, aber dies (Mutter berührt ihren Körper), dieses physische Leiden - der Krebs, all diese Dinge -, das ist so konkret: es MUSS sich ändern, es muß sich ändern. Es kann nicht als etwas betrachtet werden, daß man "anders sehen" muß. Es muß sich wirklich ändern. Verstehst du, was ich sagen will?

Ja, liebe Mutter.

In allen anderen Bereichen hängt es von der Haltung ab; hier hängt es nicht von der Haltung ab - man kann mehr leiden oder weniger leiden, aber ... die TATSACHE muß sich ändern. Die Welt, die materielle Welt, so gesehen, wie sie ist, ist eine SCHRECKLICHE Sache.

Sie ist erträglich wegen des mentalen Einflusses (vital und mental), aber dieser Einfluß genügt nicht, sie muß transformiert werden.

Ich werde es auf ganz gewöhnliche Weise ausdrücken: Wenn zum Beispiel der Körper eines supramentalen Wesens, das das supramentale Bewußtsein hat, an Krebs erkrankt, wird es ein Krebs bleiben, verstehst du? Möglicherweise fühlt es ihn nicht, aber unter der Bedingung, daß es sich von seinem Körper loslöst. Damit die Transformation wahr sei, muß aber AUCH der Körper eine höhere Harmonie erreichen - über allen Krankheiten, allen Unfällen stehend.

Das ist der einzige Teil. Die anderen Teile des Wesens können sich transformieren, ihr Bewußtsein transformieren, während sie bleiben, was sie sind - der physische Körper aber muß sich selbst ändern.

Ich weiß nicht, ob dies eine vorübergehende Erfahrung oder eine endgültige Erfahrung ist - das weiß ich nicht. Wir werden sehen.

Aber mit einem supramentalen Bewußtsein sollte es doch zum Beispiel unmöglich sein, an Krebs zu erkranken.

Ja, aber das bedeutet ... das bedeutet, daß die materielle Substanz transformiert ist.

Nein, ich meine nur das Bewußtsein: wenn jemand das supramentale Bewußtsein hat, sollte dieses Bewußtsein den Körper ausreichend beschützen können, oder nicht?

Ich weiß nicht - früher glaubte ich das auch.

Das scheint mir unmöglich. Es scheint mir unmöglich, daß jemand, der ein Bewußtsein der Wahrheit hat, von der Lüge befallen sein kann.

(Schweigen)

Wenn eine Lüge im Körper vorhanden ist, bedeutet es, daß eine Lüge im Bewußtsein ist.

(Schweigen)

Ich kann mir bei dir nicht vorstellen, daß du von Krebs befallen wirst! Das scheint mir unmöglich.

Das ist es ja gerade.

Das erscheint mir unmöglich.

Vorher war es so, vorher dachte ich, daß es unmöglich sei. Aber ich bin mir nicht mehr ganz so sicher.

Ich weiß es nicht.

Nur wenn es als eine Erfahrung auf dich zukäme, die zu machen ist, wie etwas, das für die Erde erobert werden muß.

Ja, vielleicht.

Aber es könnte nur ein vorübergehendes Phänomen der Arbeit sein, nicht etwas, das deinen Körper wirklich befällt. Das scheint mir unmöglich.

Ja, davon war ich überzeugt ... Es ist wahrscheinlich eine nötige Erfahrung, eine notwendige Phase.

Ich hatte immer den Eindruck: Wenn etwas schlecht geht, bedeutet es, daß dieses Etwas nicht wirklich dem Göttlichen zugewendet ist. Wenn alles zum Göttlichen gewendet ist und nur dem Göttlichen gehorcht, wird es notgedrungen harmonisch sein. Das war meine Überzeugung. Erst gestern ist die Erfahrung anders geworden.

Wahrscheinlich ist es eine notwendige Erfahrung.

Ja, es ist wahrscheinlich so, weil dein Körper universell ist (jedenfalls weltumfassend), das kann vorübergehend als ein Phänomen der Arbeit auftreten - es kann kein persönliches Phänomen deines Körpers sein.

Nein, mein Körper ist immer weniger persönlich.

Ja, das scheint mir unmöglich, verstehst du.

Wahrscheinlich ist es eine Phase, die durchgemacht werden muß.

Dein Körper geht willentlich in allerlei Leute, da kann er auch in einer Person sein, die einen Krebs hat ...

(Schweigen)

Nein, wahrscheinlich ist das, um ihm die nötige Intensität der Hingabe zu geben.

(Schweigen)

Er hatte weder Furcht noch Angst, das ist es nicht, es war ... Es kam wie eine Erfahrung (ich kann es nicht erklären), aber wahrscheinlich ... Es ist eine Frage der Worte ... Mit der Transformation muß sich automatisch die Unmöglichkeit gewisser Störungen ergeben.

(Mutter geht lange in sich)

Wir sind gerade in der schwierigsten Periode.

Ja.

Denn es ist nicht mehr das eine und noch nicht das andere.

Der Körper macht seltsame Erfahrungen: plötzlich spürt er einige Minuten lang, daß die Festigkeit der Materie eine Illusion ist und daß sie imstande ist ... Ich gebe dir ein ganz praktisches Beispiel: Nimm eine innere Sache, zum Beispiel irgendeine Entzündung. Solange man im gewöhnlichen physischen Bewußtsein ist, bleibt sie da, sie ist konkret und tut weh, aber es gibt ein Bewußtsein, wo sie nicht mehr existiert - physisch. Wenn es einem gelingt (wie soll ich sagen?) ... um es einfach auszudrücken: sich auf richtige Weise dem Göttlichen zu nähern, mit dem Göttlichen in Beziehung zu treten, dann verschwindet die Entzündung. Ich sah es in diesen Tagen. Und nachher setzt der gewohnte Ablauf wieder ein.

(Mutter wendet sich um) Ist er da?

Pranab ist da.

Oh! Auf Wiedersehen!...

***

14. Juli 1971

Die Erkältung dauert hartnäckig an, sie will mich nicht loslassen ...

Und was bringst du?

Eine von Z gestellte Frage. Sie hat einen Freund in Kalkutta, der ihr über eine heimliche Guerillaorganisation in Bangladesh geschrieben hat. Er sagt ihr, daß sie für die Ausbildung der Guerillas Geld benötigen, um ihnen Waffen, Kleidung und alles Notwendige zu beschaffen. Er bittet sie, ihren Freunden in der Schweiz, in Frankreich und in Deutschland zu schreiben, um Geld zu sammeln. Aber sie fragt, ob sie es tun soll. Sie will nichts ohne deine Erlaubnis tun.

Sie kann es tun, nur darf sie meinen Namen nicht erwähnen. Ich selbst bitte um nichts. Verstehst du, wenn sie fragt und wenn jemals ... Sie kann es in ihrem eigenen Namen tun, wie ein Wohltätigkeitswerk, aber ich erscheine nicht, ich bitte um nichts.

(Schweigen)

Das bringt mich in eine schwierige Situation ... Das ist sehr schwierig.

Inwiefern?

Die Leute sagen mir: Alle Kosten haben sich verdoppelt, wir sind erbärmlich dran, wir können nichts geben. Für mich hat sich auch alles verdoppelt, und ich erhalte kein Geld mehr.

Die Situation ist sehr schwierig geworden.

(langes Schweigen)

Meine Erkältung hält hartnäckig an, sie will nicht fortgehen.

Wodurch wird sie verursacht?

Ich persönlich halte es für eine Mischung - eine Kombination aus einer Ansteckung von Leuten, die kamen und mir dieses Geschenk machten, und gleichzeitig sind es Dinge, die sich ändern wollen ... Du kannst dir die Formationen (Geste um Mutter herum) nicht vorstellen, unglaublich - die Formationen, die um mich herumwirbeln ...

Ich fand Briefe von Sri Aurobindo an mich wieder, in denen er die aktuelle Situation beschreibt - man könnte sagen, das spiele sich jetzt ab [[Wir veröffentlichen im Addendum die Briefe, auf die Mutter sich bezieht. ]] !

Sind es gegnerische Formationen?

Ja, natürlich! Alles, was verschwinden soll und sich nun verbissen anklammert.

Für mich sind alle diese Formationen (sie sind mehr als katastrophal, verstehst du) für mich ist das nichts, sie spielen keine Rolle, aber es beeinträchtigt die Leute, sie stellen sich quer und dann ... Man kann sagen, daß die Auswirkungen auf meinen Körper ein Minimum von dem sind, was sie sein könnten.

Der Körper sieht sehr deutlich den wunderbaren Schutz, der über ihm steht, sonst würde er wirklich zerrissen.

(Mutter tritt in Kontemplation)

***

Addendum

(Einige Abschnitte aus Sri Aurobindos Briefen an Mutter,
als sie noch in Frankreich war)

6. Mai 1915

Alles geschieht immer zum Besten, aber manchmal ist es von außen gesehen ein unbequemes Bestes ...

Die gesamte Erde steht jetzt unter einem einzigen Gesetz und antwortet auf dieselben Schwingungen. Ich bezweifle, daß man noch einen Ort finden kann, wo der Zusammenprall des Kampfes uns nicht einholt. Jedenfalls scheint eine tatsächliche Zurückgezogenheit nicht meine Bestimmung zu sein. Ich muß mit der Welt in Kontakt bleiben, bis ich entweder die gegnerischen Umstände gemeistert habe oder ihnen unterlegen bin oder den Kampf zwischen dem Spirituellen und Physischen so weit ausgetragen habe, wie es mir bestimmt ist. So habe ich die Dinge immer gesehen und sehe sie weiter so. Was Niederlagen, Schwierigkeiten und scheinbare Unmöglichkeiten betrifft, bin ich zu sehr an sie gewöhnt, um von ihrer ständigen Selbstdarstellung beeindruckt zu werden, außer in vorübergehenden Augenblicken ...

Man muß ein ruhiges Herz, einen festen Willen, eine totale Selbstaufgabe haben und die Augen ständig auf das Höherliegende gerichtet halten, um in solchen Zeiten, die wahrhaft Perioden eines universalen Zerfalls sind, weiterzuleben, ohne sich entmutigen zu lassen. Ich selbst folge der Stimme und schaue weder nach rechts noch nach links. Das Ergebnis liegt nicht in meiner Hand, nicht einmal die Arbeit.

***

28. Juli 1915

Alles Innere ist reif oder dabei zu reifen, aber es findet eine Art unentschiedener Kampf statt, in dem keine Seite einen sichtbaren Fortschritt machen kann (etwa wie der Grabenkrieg in Europa), wobei die spirituelle Kraft sich gegen den Widerstand der physischen Welt vorankämpft, und dieser Widerstand jeden Zentimeter streitig macht und mehr oder weniger wirksame Gegenangriffe unternimmt ... Wären nicht die innere Kraft und das Ananda gegenwärtig, wäre es eine lästige und abscheuliche Arbeit; aber das Auge der Erkenntnis schaut darüber hinaus und sieht, daß es nur eine sich hinziehende Episode ist.

***

16. September 1915

Nichts scheint in der Lage, die Unbeweglichkeit der Dinge zu stören, und alles, was außerhalb unserer selbst tätig ist, ist eine Art Aufruhr von dunkler und düsterer Konfusion, aus dem nichts Geformtes oder Leuchtendes hervorkommen kann. Es ist ein eigentümlicher Zustand der Welt, die Definition des Chaos selbst, während die äußere Form der alten Welt oberflächlich unbeschädigt bleibt. Aber handelt es sich um das Chaos eines langen Zerfalls oder das einer baldigen neuen Geburt? Diese Frage wird von Tag zu Tag ausgefochten, bis jetzt jedoch, ohne sich einer Entscheidung anzunähern.

Sri Aurobindo

On Himself, XXVI.424 ff.

***

17. Juli 1971

Vorgestern war ich fast geheilt, ich glaubte, es sei vorbei, dann kam gestern eine Lawine von Dingen ... oh! Böswilligkeiten, Zänkereien ... Das war so schrecklich, daß die Erkältung wieder anfing. Genau deshalb geht sie nicht weg. Ich sehe, wenn die Dinge sich hier beruhigen und ich in meine normale Atmosphäre eintreten kann, ist es, als ob alles verschwände - ich habe keine Erkältung mehr, ich leide nicht mehr. Das kommt von außen wie eine wütende Attacke: Leute, die sich zanken und streiten, Umstände, die fehlgehen, alles. All das wirft man auf mich ...

Gestern abend fing es wieder an. Es war schon weg: meine Nase, mein Hals waren frei, es war vorbei. Das geht wirklich nicht von mir aus: es kommt von außen. Ein verbissener Ansturm. Natürlich halten mich alle für verantwortlich! Ich sage ihnen etwas, sie tun etwas anderes; ich schreibe ihnen etwas, sie verdrehen es und tun etwas anderes, und nachher sagen sie, es sei meine Schuld. Voilà (Mutter beginnt zu husten).

Wirklich ganz reizend.

Im Grunde war es wie eine Darstellung - wie ein Theaterstück, weißt du, um deutlich zu machen, wie die Menschen sich dem Göttlichen gegenüber verhalten. Das war wirklich komisch. Man kann wütend werden und sagen: "Es ist eine Schande" - aber es war komisch. Es war komisch: alles ist die Schuld des Göttlichen! So sind die Leute gewöhnlich: das Göttliche mißhandelt sie, das Göttliche handelt gegen sie, das Göttliche gestaltet die Umstände schlecht ... So ist es. Sie sind alle so.

Eine Art halbbewußter Böswilligkeit: man macht etwas, sie machen nur so (leichte Verdrehung), sie verdrehen ein wenig, und alles wird entstellt; man sagt etwas, sie fügen ein Wort hinzu oder lassen eins weg, und alles ist entstellt. Selbst das Geschriebene lesen sie auf ihre Weise. Das ist verblüffend.

Und dies im großen Maßstab, auf einem fast globalen oder zumindest landesweiten Maßstab ... es hat Folgen in China, in Rußland, in Europa und Amerika. Und sie machten ... weißt du, a mess [einen Schlamassel] aus der ganzen Angelegenheit [in Bangladesh] auf eine schreckliche Weise - schrecklich. Jetzt haben sie sich arrangiert: die Amerikaner versuchen, sich mit den Chinesen zu einigen - das ist der Gipfel -, um den Pakistani zu helfen, die Leute niederzumetzeln.

Ja, man hat den Eindruck, daß Amerika die Politik der gegnerischen Kräfte betreibt. Sie scheinen für die gegnerischen Kräfte zu arbeiten ...

(Schweigen)

Weißt du, daß der Präsident der Vereinigten Staaten [Nixon] nach China gehen wird?

Aber ja!

Und sie versuchen nicht, sich Rußland anzunähern, im Gegenteil.

Nein, oh, nein!

Das heißt, sie tun das genaue Gegenteil.

Ja.

(Schweigen,
dann hebt Mutter die Arme in
einer Geste der Machtlosigkeit)

Hast du etwas mitgebracht?

Ja, hier ist deine Botschaft für April, die wir für das Bulletin ins Französische übersetzen müssen.

Wir sind in einer dieser "Stunden Gottes", wo die gesamte Grundlage erschüttert wird ...

Genau das ist es.

... und es herrscht große Konfusion. Aber das ist eine wunderbare Gelegenheit für jene, die einen Sprung nach vorn machen wollen; die Möglichkeiten für den Fortschritt sind außergewöhnlich.

Gehört ihr nicht zu jenen, die die Gelegenheit nutzen wollen?

1.4.1971

***

Z will ihre Kinder wieder hierherbringen [[Eine Schülerin, die mit ihren Kindern nach Europa gegangen war und dann zurückkam. ]] .

Ja, sie erzählte mir, daß du ihr gesagt habest, sie solle bleiben.

Oh!... Nein, das ist fürchterlich!... Sie fragte mich: "Könnten meine Kinder hierher zurückkommen?" Die Bitte ging von ihr aus. (Etwas verschweigt sie.) Und natürlich antwortete ich ihr sofort mit ja: "Wenn du willst, kannst du bleiben." Sie sagte mir: "Ach, ich möchte gern bleiben ..."

So läuft das (Geste der Verfälschung), alle sind so.

Ja, alles wird verdreht.

(dann geht es um den Schüler im Vatikan)

Z sagt, daß P.L. sich sehr schlecht aufführe, daß er in einer Welt des Geldes gefangen sei, in einer Welt der Macht, der Frauen, der ... ich weiß nicht genau, was - daß er völlig unter dem Einfluß von Monsignore R stehe, weißt du, der Millionen handhabt.

Ja, er sollte hierher kommen.

Ja, das stimmt. P.L. verwaltet seine Geldgeschäfte, diese enormen Millionenbeträge. Jedenfalls wirft Z ihm vor, in dieser Welt dort zu sein, und sie hat mit ihm gebrochen.

Aber auf der okkulten Ebene muß ich dir sagen, ich hatte gesehen, daß durch P.L. viel Geld hierher kommen könnte. Natürlich verstärkte ich seine Beziehung [mit der Kraft]. Eigentlich müßte es kommen.

Seine Haltung ist grundsätzlich so geblieben, wie sie war.

Ja, liebe Mutter, da bin ich sicher. Und selbst, wenn die äußeren Anzeichen jetzt so sind, bin ich sicher, daß er im Grunde deine Arbeit tut oder sie tun wird oder daß das Feld sich vorbereitet.

Ja, ja, so ist es. So ist es. Ich habe den Eindruck, daß er eine beachtliche Arbeit verrichten kann.

Das fühle ich auch.

Nur nicht offen.

(Schweigen)

Es gibt einen Ansturm von Lüge. Man spürt, daß nur das wirklich Wahre die Kraft hat standzuhalten - etwas oberhalb des Mentals.

Aber das [die Worte Zs] gibt dir ein Beispiel davon, wie die Dinge sind - es ist wirklich eine Art Entgleisung. Hat sie dir wirklich gesagt: "Mutter bat mich"?

Ja: "Mutter sagte mir, ich solle bleiben."

Sagte sie "sagen" oder ...

Sie sagte mir: "Mutter sagte mir." Jedenfalls bedeutet die Art, in der es ausgesprochen wurde ... Ja, "Mutter sagte mir, ich solle bleiben", als sei es ein Befehl oder ein Rat, den du ihr gegeben hast.

Ja ... so ist das.

(Schweigen)

Ach, wenn du von diesen Erfahrungen wüßtest ... Gerade so etwas [die Worte Zs], überall, überall, ständig, alle - immer so (Geste einer Verdrehung) ach!... Und dann sagt mein Körper: "Aber ich bin auch so." Er sah seine ... Oh, mein Gott ... (Mutter faltet ihre Hände). Ich verstand: Wenn das Höchste Bewußtsein nur eine einzige Minute lang diese Art von Bewußtsein hätte, das die Menschen haben, würde die Welt aufgelöst werden. Ganz spontan ist unsere spontane Reaktion gegenüber den Stößen und allem, was uns schlecht erscheint, immer: die Lüge auflösen. Die spontane Reaktion ist nicht transformieren sondern auflösen. Verstehst du, zwischen den beiden liegt ein Abgrund.

Ja.

Und es ist spontan, die Idee des Beseitigens - die Lüge beseitigen. Hätte der Höchste Herr eine einzige Sekunde lang diese Anwandlung gehabt, bestünde die Welt nicht mehr ... Ich glaube also, daß der Körper verstanden hat. Ich glaube, er hat verstanden, das war außerordentlich... Was sind wir schon! Was sind die Menschen! Sie halten sich für, mein Gott (Mutter macht die Geste eines sich Aufblähens), sie halten sich für ... Ach!... Wenn sie eine kleine Willensanstrengung machen oder ein wenig Verständnis haben oder eine kleine Anstrengung in Richtung Vervollkommnung unternehmen, oh! (die gleiche Geste) sie halten sich für außergewöhnlich. (Mutter nimmt ihren Kopf zwischen die Hände und lacht)

Irgendwo sagte Sri Aurobindo, wenn man das göttliche Bewußtsein berühre, gebe es einem plötzlich das Gefühl ... in welchem Maße die Welt lächerlich ist in ihrer Überheblichkeit - die Überheblichkeit des Menschen. Aber selbst (ich hatte Kontakt mit Tieren), selbst bei den Tieren fängt es schon an: Eitelkeit - Eitelkeit - Eitelkeit - Eitelkeit ...

Ja, es gibt nichts, dessen man sich rühmen könnte.

Oh, nein.

Das ist sicher.

Oh, nein - nicht, daß sie sich so sehr brüsten, aber sie HALTEN SICH FÜR ETWAS.

(Schweigen)

Weißt du, die Täuschung und die Täuschungsversuche werden fast überall für guten Willen gehalten. Und diejenigen, die nicht absichtlich täuschen wollen und sich nur selbst täuschen, sind schon außergewöhnliche Wesen.

Das sind keine Entdeckungen, es sind Dinge, die ich sah; aber normalerweise sieht man sie nur gelegentlich, ausnahmsweise oder für diese oder jene Sache, aber da hatte ich die Schau der ganzen Welt, der ganzen Erde, der ganzen menschlichen Anstrengung, aller Menschen, aller ... Wir leben in einer Täuschung. Schrecklich!

Vor allem täuscht man sich selbst - mehr, als daß man die anderen täuschen will.

(Schweigen)

Das bedeutet, daß wir NICHTS so sehen, wie es ist.

Ja, ja ... ja.

(Schweigen)

Nachts gehe ich auf Wegen aus Erde, die zusammenfallen.

Ach!

Ja, Einstürze.

Die alten Anschauungen.

(langes Schweigen)

Es gibt nur eine Rettung: sich so an das Göttliche klammern (Geste wie mit zwei Fäusten).

Nicht an das, was man sich als das Göttliche vorstellt, nicht einmal an das, was man als das Göttliche fühlt ... an eine Aspiration ... an eine Aspiration, die so aufrichtig wie möglich ist ... Sich daran festhalten.

(Schweigen)

Ich werde dir etwas sagen, denn das ist interessant: Vor einiger Zeit, bevor Z zurückkam, sah ich plötzlich, daß Zs Beziehung mit P.L. ihn davon abhielt zu tun, was er zu tun hatte. Und ich wünschte wirklich, sie möge keinen Einfluß mehr auf ihn haben. (Ich hatte es vergessen, es war einige Zeit, bevor sie zurückkam, recht lange vorher.)

Ja, ich erinnere mich, du hattest es mir gesagt.

Das ist seltsam.

Weißt du, ich hatte schon früher mit dir darüber gesprochen, daß der Körper - das Bewußtsein des Körpers - jetzt im voraus weiß, was geschehen wird. Es weiß im voraus, was die Leute ihm sagen werden. Aber es weiß nicht ... (wie soll ich sagen?) wie das genau materiell geschehen wird, es kennt aber den GEIST, in dem es getan wird ... ständig. Das ist ganz komisch. Ich bin reglos da und versuche nur dem Göttlichen anzugehören. Dann kommen Dinge - sie kommen so (Geste wie auf einem Bildschirm vor Mutter), sie ziehen vorbei: Dinge, Tatsachen, Leute, die sprechen ... Zuerst glaubte ich, es sei mein materielles Bewußtsein, das nicht stillhalten konnte, dann merkte ich, daß es von außen auf mich zukam und sich auf der materiellen Ebene niederschlug. Wenn ich jetzt die Dinge mentalisierte, könnte ich deshalb voraussehen und sagen, was geschehen wird ... Diese Geschichte von Amerika und China und allerlei solche Dinge kamen auf diese Weise. In der gewöhnlichen Menschheit zieht das Mental daraus Nutzen, um Prophezeiungen zu machen - glücklicherweise gibt es bei mir kein Mental, es ist ruhig, abwesend. Und wenn man mir Dinge sagt, sie mir berichtet, erstaunt den Körper nichts mehr, er scheint zu wissen. Das ist seltsam.

Eine Art Universalisierung.

Und wenn du wüßtest, wie sehr er seine eigene Dummheit spürt - beides zugleich.

***

21. Juli 1971

Was hast du zu sagen?

Und du?

Ich bin immer noch erkältet. Ich war geheilt, ich war dabei, gesund zu werden, aber ... (Geste einer herabstürzenden Lawine). Aber das ist nicht interessant.

Das Interessante ist, daß der Körper immer bewußter wird, aber auf eine höchst interessante Weise.

Zum Beispiel?

Dafür müßte ich mentalisieren, was ich nicht kann.

(Schweigen)

Ich beginne im voraus zu wissen, was geschehen wird, was die Leute mir sagen werden, all das. Wie soll ich das erklären?...

Es ist, als sei ich die Umstände, die Leute, die Worte GEWORDEN ...

Der Körper ist immer bewußter, aber überhaupt nicht auf mentale Weise: wie ... wie gelebte Dinge. Ich kann es nicht erklären. Es ist schwierig zu sagen ... Es bedeutet zu fühlen oder das Bewußtsein zu haben (ich kann nicht erklären, was es ist), wie in der Manifestation das menschliche Bewußtsein die göttliche Aktion entstellt (Geste eines direkten Stroms). Unsere Konstitution ist miserabel. Wir verkleinern, wir entstellen, wir vermindern ALLES, alles. Wir wissen die Dinge (das Wissen ist da, um uns herum, in uns), und wir sind derart kompliziert, daß wir es entstellen. Alle sind so ... Gleichzeitig ist da die sehr präzise Empfindung von allem, was durch das innere Göttliche von innen heraus organisiert wurde, und in dem Maße, wie es an die Oberfläche kommt, entstellt es sich (diese Worte sind idiotisch, und doch kommt es dem am nächsten). Es ist unsere idiotische Weise, etwas auszudrücken, das ... so einfach und so wunderbar ist!... Und wir sind so entartet, daß wir immer das Entstellte wählen.

Ich weiß nicht, meine Worte selbst entstellen die Angelegenheit, aber es ist ... ich fühle es als etwas so Einfaches, Leuchtendes, so rein - so absolut. Und wir machen daraus, was wir sehen: ein kompliziertes, fast unverständliches Leben.

Bringst du denn keine Neuigkeiten?

Ich mache eine Zeit durch, die ich nicht sehr gut verstehe.

Ach!... Erkläre mir, was es ist, dann können wir es herausfinden.

Da gibt es nichts zu erklären ... Es ist wie der Zusammensturz von allem oder die Zerstörung von allem. Es gibt keinerlei Basis mehr. Es gab sozusagen eine Anzahl von "Wahrheiten" ...

Aah!

... die für mich klar waren, wie das, was ich in meinen Büchern ausdrückte - all das ist gleichsam zu Staub zerfallen. Als hätte all das keine ... ja, es ist wie Staub. Ich bewege mich in keiner einzigen sicheren Idee mehr. Es gibt keine Bezugspunkte mehr.

Aber dasselbe habe ich dir gerade mit anderen Worten gesagt! Alles, was wir denken ... (schon seit langem habe ich keine Ideen mehr), aber das ist es, all dies erscheint derart vergeblich, ich weiß nicht.

Ja. Ich verstehe gut, daß alles Denken vergeblich und irreführend ist, das verstehe ich gut. Aber man hätte gern einen Lichtstrahl ... ein konkretes Licht: verstehen.

Für mich ist der konkrete Lichtstrahl sehr einfach: es ist das Göttliche. Das ist für mich das einzig Konkrete.

Ja, sicherlich, die Kraft ist da. Ich spüre die Kraft immer, und ... das ist sehr angenehm, wenn ich so sagen kann.

Ja, ja, aber das ist es, es gibt nur das!

Aber ich habe das Gefühl, wie ein Blinder in dieser Kraft zu gehen.

Ja ...

Nun, der Zustand eines Blinden ist nicht angenehm.

Ja. Ja, aber ... Warum nicht! (Mutter lacht) Das geht so weit, daß ... Nicht wahr, ich bin da, es gibt zahllose Umstände, Komplikationen, Leute ... alles-alles derart verheddert; und dahinter steht etwas ... nicht bloß eine Kraft, eine BEWUSSTSEINSKRAFT - ein Bewußtsein -, und es ist wie ... wie ein Lächeln - ein Lächeln ... ein Lächeln, das alles weiß. Das ist es. Wenn ich still bin (Geste offener Hände), ist es, als existiere nichts anderes mehr, und alles ist wunderbar. Sobald die Leute mit mir sprechen oder sobald ich jemanden sehe, treten all die Komplikationen auf - sie machen aus allem einen Schlamassel.

Ich bin sicher, daß es der Übergang von diesem Leben zu jenem Leben ist. Sobald wir ganz auf der anderen Seite sind, ach, dann werden wir aufhören zu spekulieren, "erklären" zu wollen, ableiten zu wollen, Schlußfolgerungen ziehen zu wollen, anordnen zu wollen - all das wird vorbei sein ... Wenn wir es verstünden ... zu sein, einfach zu SEIN, sein. Aber ich habe bemerkt, wenn man nicht spricht, nicht denkt, nicht entscheidet, dann glaubt man, außerhalb des Lebens zu stehen ... Auch ist es nicht immer das gleiche Schweigen. Es ist nicht das Schweigen unausgesprochener Worte sondern das Schweigen einer ... aktiven Betrachtung. Das Schweigen einer aktiven Kontemplation. Das ist es.

Sicherlich bereitet sich so diese neue Lebensweise vor. Die andere muß eben weichen.

Ich sehe (wie durch einen Schleier oder wie etwas, das in sehr großer Ferne ist) eine Macht, eine AUSSERORDENTLICHE Macht. Aber wir sind so dumm, daß wir sie nicht einmal annehmen. Ich weiß, ich habe die Erfahrung in diesen Tagen gemacht ... Ich habe die Vision, in der das psychische Bewußtsein sieht, daß durch dieses Instrument, durch dies (Mutter kneift die Haut ihrer Hände) - (aber das ist nur dazu da, die Beziehung zwischen den Dingen, so wie sie sind, und den Dingen, die sein sollen, herzustellen), daß durch dies eine MENGE Wunder geschehen, die vollbracht werden, die so außergewöhnlich sind (in diesen Tagen), daß niemand jemals dachte, es seien Wunder ... Man weiß es nicht. Nicht ein Wunder, wie wir es kennen: ein außerordentliches Wunder ... Aber ... es ist ihnen nicht möglich, das zu verstehen.

(Schweigen)

Dieser Körper ist eben nicht mehr "dies" und noch nicht "das". Er ist so (Geste, zwischen den beiden Zuständen schwebend), und deshalb ... Es ist keine Erkältung, es ist ... Manchmal bin ich absolut geheilt, alles geht gut. Eine Minute später ist alles in Unordnung geraten. Es ist keine Erkältung, die man "heilen" kann: man nimmt eine Medizin, aber das nützt nichts. Tritt man hingegen in das wahre Bewußtsein, ist alles vorbei. Aber er ist unfähig, darin zu bleiben. Es ist nicht eigentlich der Kontakt mit den Leuten, sondern er ist unfähig, darin zu bleiben; darauf läuft es hinaus. Er kann niemandem die Schuld zuschieben.

Er ist nicht mehr dies, er ist noch nicht "das" - nicht mehr dies, noch nicht "das". Folglich ... (gleiche Geste eines Hin- und Herwippens).

Er hat "das" Bewußtsein, aber nur flüchtig: gerade so viel wie nötig, um die Kontinuität zu sichern.

(Schweigen)

Der einzige Unterschied ...

Man kann sagen: nichts und niemand weiß - nirgendwo; aber es gibt jene, die streben (wie soll ich sagen?), die den Willen haben, die Tendenz, die Aspiration, das Bedürfnis zu wissen - zu wissen und zu sein -, und dann all jene, denen es egal ist ... die einfach ihr kleines oder großes Leben dahinleben - sei es ein Staatschef oder ein Straßenkehrer, das spielt keine Rolle. Es ist dasselbe, die Schwingungen sind die gleichen. Ich kann das nicht erklären. Ich erkläre schlecht.

Nein, ich verstehe.

Es ist so unvollkommen, daß ...

(Mutter gibt es auf zu sprechen und geht in sich)

***

24. Juli 1971

Es ist noch nicht vorüber (Geste von Reibereien) ... Und du?

Ich weiß nicht, liebe Mutter.

Wie geht es dir?

Ich weiß nicht ... es geht.

(Mutter lacht)

Du weißt es sicher besser als ich.

Ich sage dir: Wir sind nicht mehr hier und noch nicht da ... Das ist eben idiotisch. Der Körper wird immer bewußter; so ist er sich der alten Gewohnheiten bewußt, die einen zurückziehen, und er ist sich der neuen Möglichkeiten bewußt, die da sind, die wollen ... Es gibt nur eine Bewegung zu tun, die des Festhaltens, und so ... ginge alles gut, auf WUNDERBARE Weise gut. Und die alte Sache ist wie eine alte einstürzende Mauer. Eine völlig lächerliche Situation.

Der Körper spürt, daß er nicht mehr hier ist: das hat für ihn keine Realität mehr, aber er ist noch nicht DORT. Er ist so (schwankende Geste zwischen den beiden Zuständen). Er strebt danach. Er hat gelernt, ständig das Göttliche anzurufen, ständig, ständig, ständig - was immer er tut: ob Leute da sind, ob er spricht, ob er nicht spricht, was immer er auch tut, eine ständige Anrufung. Auf diese Weise geht es. Aber ... es ist noch nicht definitiv. (Mutter hustet) Und diese Erkältung scheint wegzugehen, nur um wiederzukommen. Es ist keine gewöhnliche Erkältung.

Sobald ich in ein tiefes Schweigen eintrete, kann es für jemanden, der aufnahmefähig ist, sehr hilfreich sein. Sobald ich in tiefes Schweigen eintrete, wird die Gegenwart konkret und offensichtlich. Das ist nützlich. Sobald ich spreche, bin ich ... (Geste eines Zerbröckelns)

Ich biete dir das an, es sei denn, du hättest etwas zu sagen.

(Meditation)

***

28. Juli 1971

(Mutter betrachtet Satprem lange und lächelt dann.)

Ooh!...

Als du da saßest [vor Mutter] und ich dich anschaute, hast du deinen Körper genommen und ihn so geöffnet (Geste als zerrisse Satprem seinen Körper in zwei Teile, vom Bauch nach unten), alles, all das.

Hat es dir weh getan?

Nein, liebe Mutter, ich hatte keine Schmerzen, aber ich kämpfe sehr mit meiner Natur.

(Mutter lacht) Du hast alles weit geöffnet.

(Schweigen)

Das ist seltsam, es war, als sei da ... hier [Unterleib] etwas wie ein schwarzer Punkt, so (Geste). Als wolltest du mir diesen schwarzen Punkt zeigen ... Jetzt ist der schwarze Punkt allmählich verblichen. Er ist fort.

(Schweigen,
Mutter schaut immer noch)

Jetzt ist alles in Ordnung.

(Schweigen)

Weißt du, es gibt ein interessantes Phänomen: der amerikanische Botschafter in Indien [Kenneth Keating] ist für Bangladesh, und der Präsident der Vereinigten Staaten [Nixon] ist für Pakistan. (Mutter lacht) Jetzt heißt es, es gebe zwei Amerikas! Das pakistanische Amerika und das Amerika von Bangladesh ... Die amerikanische Botschaft ist vollkommen einverstanden mit dem, was du geschrieben hast.

Hat er den Artikel bekommen?

Ja, ich nehme es an. Ich glaube ja; ich glaube, man hat ihn ihm geschickt. Jedenfalls ist er völlig einverstanden. Er sagt: "Ich lebe hier, ich sehe die Dinge, ich weiß, wie sie sind." Er ist absolut gegen Pakistan. Und die anderen ...

Weißt du, gestern fand ich einen Aphorismus von Sri Aurobindo für das nächste Bulletin. Während ich ihn las, sagte ich mir: Das trifft genau auf Bangladesh zu! - Tatsächlich ist es genau für Indira Gandhi.

Ach!

Er lautet:

"He who will not slay when God bids him, works in the world an incalculable havoc." [[Wer nicht tötet, wenn Gott ihn dazu auffordert, richtet in der Welt einen unabsehbaren Schaden an. ]]

Das ist interessant. Das muß veröffentlicht werden.

(Mutter geht in sich,
taucht wieder auf und reicht einen Zettel)

Das will ich für den 15. August veröffentlichen:

Ein Schleier hinter dem Herzen und ein Schirm über dem Mental trennen uns vom Göttlichen. Liebe und Hingabe zerreißen das Netz. In der Stille des Mentals wird der Schirm dünner und verschwindet zuletzt.

9.9.1936

Sri Aurobindo

On Himself, XXVI.215

Dort oben herrscht ein schreckliches Durcheinander [in Delhi].

(Mutter geht wieder in sich)

***

31. Juli 1971

(Einen Brief Sri Aurobindos betreffend, in dem er sexuelle Beziehungen zwischen den Schülern ausdrücklich verbietet. Mutter ließ diesen Brief in mehreren Tausend Exemplaren drucken mit dem Titel: "Bedingungen für ein Leben im Ashram und um ein Schüler zu werden.")

... Man muß den sexuellen Impuls meistern - so sehr Meister des sexuellen Zentrums werden, daß die sexuelle Energie nach oben gezogen wird, anstatt nach außen geschleudert und verschwendet zu werden -, so kann sich die Kraft des Samens (retas) in eine ursprüngliche physische Energie (ojas) verwandeln, die alle anderen unterstützt. Kein Irrtum ist gefährlicher, als das Eindringen des sexuellen Verlangens oder irgendeine subtile Befriedigung der Begierde zuzulassen und als Teil der Sadhana anzusehen. Dies wäre das beste Mittel, geradewegs auf den spirituellen Niedergang zuzugehen und Kräfte in die Atmosphäre zu schleudern, die das supramentale Herabkommen blockieren und im Gegenteil eine Herabkunft gegnerischer vitaler Kräfte einladen, die Störungen und Unheil aussäen. Diese Abweichung muß absolut zurückgewiesen werden, falls sie aufzutreten versucht, und sie muß aus dem Bewußtsein ausgelöscht werden, wenn die Wahrheit herabsteigen und die Arbeit getan werden soll.

Sri Aurobindo

Letters on Yoga, XXIV.1507

Diese Botschaft verteile ich heute.

Es gibt viele Fälle von Leuten, die fortgehen sollten, aber ... Verstehst du, sie sind hier, und wenn das Baby kommt, gehen sie einfach nach Auroville. Ich selbst "glaube, daß sie in Auroville sind". Mehrere Fälle. So beschloß ich, das zu veröffentlichen. Ich sollte die Botschaft hinzufügen, in der ich sage: "Unnötig zu betonen, daß es für jeden nach Wahrheit Strebenden unerläßlich ist, keine Lügen zu erzählen." (Mutter deutet einen Keulenschlag an)

Viele, viele, wirklich.

Sie sagen: "Mutter ist alt, sie geht nicht mehr aus, sie sieht nicht mehr, sie weiß nicht mehr, was geschieht." Aber ich weiß, was vor sich geht - ich sehe mit anderen Mitteln! (Lachen)

***

Etwas später

Ich hatte dir einen Aphorismus Sri Aurobindos vorgelesen, worauf du mir sagtest: "Ja, das muß veröffentlicht werden." Sollen wir ihn im August-Bulletin veröffentlichen?... Es handelt sich um diesen Aphorismus:

228 - Wer nicht tötet, wenn Gott ihn dazu auffordert, richtet in der Welt einen unabsehbaren Schaden an.

Das dürfen wir nicht drucken. (Mutter nimmt ihren Kopf zwischen die Hände) Ein Menge Leute haben die Dreistigkeit zu behaupten, daß sie Gottes Auftrag erhalten haben - eine Schar von Mördern.

Offensichtlich.

Das würde sie noch ermutigen.

Es ist ein zweischneidiges Schwert, das ist wahr.

Das würde viele Dinge rechtfertigen. Sie töten jetzt so leichtfertig!... Oh, wir dürfen das nicht einfügen.

Sie entstellen den Sinn meiner Worte ... Ständig erhalte ich Briefe von Leuten - das scheint eine verbreitete Krankheit zu sein. Leute, die eintreten und sagen: "Ihre Stunde ist gekommen." Sie drangen bei jemandem ein, der uns kennt, und sagten ihm: "Ihre Stunde ist gekommen, rücken Sie ihre Pistole heraus." Da sagte er: "Gut, ich hole meine Pistole und gebe sie euch." Er öffnete eine Schublade, und einige Kugeln fielen hinunter; einer der Übeltäter beugte sich nieder, um die Kugeln aufzulesen, da schoß der Mann mit seinem Revolver auf ihn. Die anderen flohen. Aber meistens endet es anders: es gibt einen Mord. Dies geschah bei ihm zuhause. In Amerika wird man auf offener Straße erschossen. Überall. Der Wahnsinn geht um. Man wird erstochen - grundlos, niemand weiß warum. Einige behaupten: ich bin inspiriert ...

(Schweigen)

Weißt du, es ist wie ein allgemeines Aufplatzen der Lüge. Schrecklich. Sie nehmen die Lehren und verdrehen sie - sie rechtfertigen sich damit.

(Schweigen)

Hast du etwas?

Die russische Übersetzerin gibt auf.

(Mutter geht in sich)

***

August

4. August 1971

(Mutter macht mehrere vergebliche Versuche, ihre Botschaft für "All India Radio" anläßlich des 15. August auf Band zu sprechen:)

Heute beginnt das Jahr der Jahrhundertfeier Sri Aurobindos. Obwohl er seinen Körper verlassen hat, ist er stets lebendig und aktiv bei uns.

Sri Aurobindo gehört der Zukunft an: er ist der Botschafter der Zukunft. Er zeigt uns weiterhin den Weg, um die Verwirklichung einer glorreichen Zukunft, geprägt vom göttlichen Willen, zu beschleunigen.

Alle, die am Fortschritt der Menschheit und an der wahren Bestimmung Indiens mitarbeiten wollen, sollen sich in einer klarsichtigen Aspiration und einer inspirierten Arbeit zusammentun.

(Mutter gibt auf, Satprem macht die Aufnahme an ihrer Stelle)

Ich stehe mitten in der Transformation, deshalb habe ich die Beherrschung über die Stimme verloren. Ich kann nicht mehr, was ich vorher konnte. Ich sehe sehr deutlich, in welche Richtung das gehen wird, doch es ist noch nicht da. So tauge ich zu nichts.

Die Stimme ist völlig ruiniert.

Nur in dokumentarischer Hinsicht ist das interessant [die aktuellen Bedingungen]; wenn diese Erfahrung abgeschlossen ist und das Supramental wirklich zu kommen beginnt, werden die Dinge sich nämlich ändern, und die gegenwärtige Zeit wird nur noch einen historischen Wert haben.

Jetzt ist gerade der unangenehmste Moment ... Die Macht ist da, doch das Ausdrucksmittel wurde noch nicht geschaffen.

(Schweigen)

Die alte Kontrolle ist dabei zu verschwinden. Das ist sehr störend für mich - besonders zum Beispiel beim Essen: da ist es sehr schwer zu schlucken, zu ... ach!

Der Körper hat einfach eine Art ... Wahrnehmung - eine ferne Wahrnehmung -, wie die wahre supramentale Kontrolle sein wird, aber nur so (in die Ferne weisende Geste), fast wie ein Versprechen, nicht mehr.

Es ist wirklich ein Übergang zwischen zwei Welten.

***

7. August 1971

(Mutter hat erneut ein geschwollenes Auge)

Hat A dir nichts gegeben?

Nein, liebe Mutter.

(Mutter versucht sich zu erinnern)

Ich habe gar kein Gedächtnis mehr. Ich habe Eindrücke, aber kein Gedächtnis mehr. Eindrücke, die alles unterstützen [[Das Wort "unterstützen" ist fast unhörbar und mehr erraten. ]] - vermutlich wird das irgendwann das Gedächtnis ersetzen.

Aber ich habe das starke Empfinden, daß A dir etwas zu sagen hatte ...

(langes Schweigen)

Ich habe einen seltsamen Eindruck von einer Art Netz - einem Netz aus Fäden ... sehr lose, d.h. nicht fest angezogen, das alle Ereignisse vereint, und wenn man eine Macht über eines dieser Netze hätte, gäbe es ein ganzes Feld von Umständen, die dem Anschein nach nichts miteinander zu tun haben, die dort aber verbunden sind und von denen eines notwendigerweise die Existenz des anderen miteinbezieht ... Und ich habe den Eindruck, daß dies die ganze Erde umhüllt.

Das ist nicht mental. Es umfaßt Umstände, die voneinander abhängig sind, aber auf eine äußerlich völlig unsichtbare Weise, die keiner mentalen Logik folgt - irgendwie sind sie miteinander verbunden.

Wenn man sich dessen wirklich bewußt ist, kann man so die Umstände verändern.

Und fühlst du die Macht über eines dieser Netze?

Nein, es ist andersherum: als ich auf eines dieser Netze einwirkte, wurde ich erst darauf aufmerksam.

Ach!... Ja.

(Mutter geht in sich)

Hast du nichts zu fragen?

Nein, liebe Mutter.

(Schweigen)

Werden sich die Umstände ändern?

(Mutter geht in sich und scheint nicht verstanden zu haben;
später versucht sie mehrmals zu sprechen,
ohne aus ihrem Zustand herauskommen zu können)

Schwierig zu sagen.

(Mutter geht wieder in sich)

Wenn man die Macht hätte, eines dieser Netze durch ein anderes zu ersetzen, könnte man auf diese Weise alles verändern.

(Mutter schüttelt den Kopf)

Das läßt sich nicht in Worte fassen.

Auf welches Netz wirkst du augenblicklich?

Aber ich weiß es nicht ... Diese Netze umgeben die Erde.

Da ist eines ... ich sehe ... Die ganz kleinen Umstände des Lebens sind darin, und wenn ich so schaue (Geste von oben), sehe ich, daß es sich über das ganze Land erstreckt, und nicht nur über dieses Land, über die ganze Erde.

(Schweigen)

Gibt es mehrere?... Ich weiß es nicht.

Ich weiß nicht.

(Satprem legt seine Stirn auf Mutters Schoß
und schickt sich an wegzugehen)

Verstehst du, ich versuche ... Es geht durch das Bewußtsein, aber meine ganze Anstrengung besteht darin, nichts Persönliches hinzuzufügen - damit es so ist (Geste eines ungehinderten Fließens durch einen Kanal).

In kleinen Punkten bin ich mir der Aktion bewußt, aber einen Augenblick hier, einen Augenblick da (über den Raum verstreute Geste); nichts ... es hat nichts Beständiges wie im Mental.

Es ist unaussprechlich.

***

11. August 1971

(Mutter gibt Satprem eine Notiz, die sie gerade geschrieben hat:)

Wenn die Leute von der Lüge, in der sie leben, angeekelt sind, wird die Welt für das Reich der Wahrheit bereit sein.

***

(Dann eine andere Notiz, die sie K.K. Birla,
einem der einflußreichsten Industriellen Indiens, zu lesen gab.)

Die Wahrheit liegt in Reichweite der Menschen,

aber sie scheren sich nicht um die Wahrheit.

***

Hast du etwas zu sagen?

Was geschieht im Augenblick?

(Mutter verharrt mit geschlossenen Augen,
versucht mehrere Male zu sprechen,
geht dann wieder in sich
bis fast zum Ende des Gesprächs)

Hast du nichts zu sagen?

Wie siehst du dieses Abkommen [[Das indisch-russische Abkommen, das gerade in Delhi zwischen Gromyko und Swaran Singh abgeschlossen wurde. Es ist auch die Zeit des Prozesses gegen Mujibur in Pakistan. ]] ?

(Mutter schüttelt heftig ihre Hände,
dann, nach einem Schweigen:)

Es ist, als ob du mich fragtest: Was braucht die Menschheit, um Abscheu vor ihrer Lüge zu empfinden?

Schrecklich.

(langes Schweigen)

Es gibt nur EIN Heilmittel - ein einziges: sich nur noch auf die göttlichen Gnade zu verlassen.

(Mutter nimmt Satprems Hände)

Das einzige Heilmittel: sich ganz in die Hände der göttlichen Gnade zu geben.

***

14. August 1971

(Es ist der Vorabend des 15. August. Mutter empfängt Satprem, ohne die Zeit zu haben, vorher alle anderen Besuche abzuschließen.)

Hast du etwas zu sagen?

Nein, gar nichts!

Es geht - es geht sogar gut.

Es geht gut. Der Körper beginnt zu ... ich könnte sagen, die wahre Haltung zu kennen. Das heißt, er spürt mehr und mehr auf konkrete und AKUTE Weise, könnte ich sagen, daß es nur EIN Mittel gibt zu existieren, und zwar im göttlichen Bewußtsein. Alles übrige erscheint ihm gefährlich und unbekannt.

Gleichsam ständig im göttlichen Bewußtsein gebadet zu sein, das erscheint ihm die einzige Art zu existieren. Es gibt nichts anderes. Das ist die Haltung des Körpers. Er hat ... es ist mehr als ein Eindruck, es ist ... ich weiß nicht, fast ein akutes Gefühl, daß man nur im Göttlichen existieren kann und indem man sich ständig auf das Göttliche konzentriert. Und daß dies noch ein Übergang ist, um auf etwas zuzugehen, das noch ... ich möchte nicht sagen, ein Traum, aber ein Wunder ist. DAS ...

Er möchte immer weniger sprechen.

Ja.

Alles, was man sagt, erscheint ihm wie Kindereien.

Er hat kein Bedürfnis zu wissen: sein einziges Bedürfnis ist es, geformt, in Bewegung gesetzt und in jeder Weise gebraucht zu werden [vom Göttlichen], und er hat nur einen Traum, und zwar zu vergessen, daß er existiert - spontan der Ausdruck von etwas zu werden ... (Mutter hat ein glückseliges Lächeln), das er das Göttliche nennt, das das einzig Wahre ist.

(Schweigen)

Und was tut Sri Aurobindo?... Siehst du ihn?

Ich "sehe" ihn nicht: ich fühle seine Gegenwart.

Ich hatte Gelegenheit, seine Briefe über mich zu lesen ... Wie ... Es ist wirklich ein Wunder, daß ich überlebte [nach seinem Weggang] ... Mein ganzes Wesen ... [brach zusammen]. Der Schutz und die Unterstützung waren so wunderbar!

Das innere Wesen war nicht betroffen, denn es blieb so, wie es war - diese Nähe, diese Vertrautheit blieben gleich -, aber das physische Wesen ... Es ist ein Wunder, daß es überlebte.

Vor einigen Tagen sah ich Sri Aurobindo, und er beschäftigte sich mit Geld - er erhielt Geld, er erhielt sogar Dinge aus Gold [[Satprem weiß nicht, ob es ein Zufall war, aber zwei Tage später (am 16. August) wurde der Dollar entwertet, und die Geldabkommen von Bretton-Woods brachen zusammen. ]] .

(Mutter lacht)

Das überraschte mich.

Warum?

Ich weiß nicht, ich stellte ihn mir nicht in dieser Art Beschäftigung vor.

Es war nicht notwendig, weil ich da war [[Mutter will sagen: Zu Lebzeiten Sri Aurobindos brauchte er sich nicht mit Geld zu befassen, weil Mutter da war. ]] .

Aber ich weiß, daß es ihn interessierte, in dem Sinne, daß er dachte, daß das Geld sehr frei und reichlich kommen sollte. Er dachte immer, daß die Leute alles, was sie hatten, geben sollten - und das war für ihn eine absolute Regel. Man hatte nicht zu fragen: sie sollten spontan alles geben, was sie hatten.

(Schweigen, Mutter nimmt Satprems Hände)

Nächsten Mittwoch werden wir mehr Ruhe haben.

Der Körper hat nur einen "Ehrgeiz", möchte ich sagen: daß nur noch das Göttliche existiert, und daß er etwas sei, das das Göttliche benutzt und daß er absolut plastisch und ausdrucksvoll sei. Das ist es. Bis zu dem Moment, wo er nur noch im Göttlichen existieren wird.

Es gibt eine Art Vorwissen eines Zustandes, wo allein das Göttliche Bewußtsein ist. Das ... (Mutter schließt die Augen mit einem ekstatischen Lächeln)

Allein das Göttliche Bewußtsein.

***

18. August 1971

Der Körper hat den Eindruck, daß es eine neue Lebensart gibt, die er erlernen muß, und ständig lernt er etwas hinzu. Aber es sind ganz kleine Dinge, d.h. eine Art Geheimnis muß gefunden werden, eine Haltung, die beständig sein muß, aber die bewirkt, daß die Dinge so gut sind, wie sie nur sein können.

Eine Art Gegenstück zum Mantra. Im Augenblick wiederholt der Körper das Mantra, aber er weiß, daß es ... Etwas muß erlernt werden, das physisch das Mantra ersetzt.

(Mutter geht in sich)

Hast du etwas?

Was ich schwierig finde, ist die Beständigkeit - eine Beständigkeit einzurichten. Das ist sehr schwierig.

Eine Beständigkeit von was? Des Bewußtseins?

Ja.

Das Bewußtsein ist doch beständig.

Ja, aber das äußere Bewußtsein ist nicht permanent [[Satprem will sagen, nicht beständig in seinem Kontakt mit dem Inneren. ]] . Das physische Mental kann zum Beispiel weiterhin allerlei unnütze Dinge herunterleiern.

Oh!...

Außerdem gibt mir das Mantra den Eindruck einer mentalen Auferlegung, verstehst du? Es ist nicht etwas, das vom Grunde der Körperzellen aufspringt: es ist etwas, das man auferlegt. Für eine gewisse Zeit prägt es sich ein, und es wiederholt sich - so, wie das physische Mental Blödsinn wiederholt, kann es auch das Mantra wiederholen, aber nach einer gewissen Zeit kommt wieder etwas anderes.

(Mutter verharrt schweigend)

Man hat den Eindruck, daß nichts zu machen ist, wenn nicht eine Art Besitzergreifung durch etwas anderes stattfindet - wirklich wie eine Art Besitzergreifung.

Ja, die Besitzergreifung des Göttlichen. Das ist völlig richtig.

Nur das kann.

(langes Schweigen)

In diesen Tagen (und sehr stark heute morgen) hatte ich den Eindruck: das Göttliche ist alles, aber wir sind geboren, damit jeder seine Wahl trifft und eines dieser Dinge manifestiert - eines oder mehrere ... Da stellt sich die Frage der Wahl, aber dann muß man sich gänzlich hingeben und die Wahl ganz dem Göttlichen überlassen. Wir sind so geschaffen worden, und deshalb gab es all diese Unschlüssigkeit, diese Komplikationen - und es geht gerade darum, es hinzugeben ... d.h. kein Verlangen, keinerlei Vorlieben zu haben, und die Wahl ganz dem Göttlichen zu überlassen.

(Mutter geht in sich)

***

21. August 1971

Hat du etwas zu fragen?

Ich frage mich häufig, was eine Macht über das physische Mental ausüben könnte?

Wie das?

Man prägt ihm zum Beispiel das Mantra ein, so wiederholt es das für eine gewisse Zeit, und dann hoppla! verschwindet es wieder wie in einer Tangente, und man rattert etwas anderes vor sich hin. Ich erlange keinerlei Beständigkeit. Oder ich muß durch das Mental die Bewegung wieder verstärken. Es gelingt, wenn ich das Mental einsetze.

(nach einem Schweigen)

Ich weiß nicht, für mich kommt es spontan. In manchen Augenblicken ist es sehr intensiv, sehr im Vordergrund (das hängt stark von den Umständen und den anwesenden Leuten ab); in manchen Augenblicken ist es sehr ... wie etwas sehr Weites - sehr weit - und sehr ruhig (Mutter breitet ihre Arme aus in einem großen Rhythmus). Wenn das da ist, sind die Umstände unwichtig, die Leute unwichtig, alles ist ... alles ist von einer göttlichen Ruhe. In anderen Augenblicken wird es mächtig und aktiv; das hängt von den Leuten und den Umständen ab, oder etwas geschieht irgendwo, und ich erfahre es nachher.

Ich weiß es nicht, ich kann es nicht sagen ... Das Göttliche scheint direkt mit allem-allem "verbunden" zu sein, mit dem gesamten physischen Bewußtsein, so sehr, daß es scheint, als könne das Physische nur auf diese Weise eine Basis und Beständigkeit haben. Ich kann deine Frage also nicht beantworten.

Tatsächlich bin ich mir überhaupt nicht über meinen Zustand im klaren, ich habe einfach den Eindruck eines Wartens auf etwas.

(Mutter stimmt lebhaft zu) Ach! Das glaube ich auch.

(Schweigen)

Ich habe nachts jetzt völlig neue Aktivitäten, wie ich sie vorher nie hatte, die extrem konkret sind und bei denen die Lebenden und sogenannten Toten vermischt sind - und sie sind GLEICH, dort sind sie gleich. Zum Beispiel fand letzte Nacht eine sehr lange Aktivität statt, wo viele Leute zugegen waren, und unter den Leuten befand sich Purani (ich sehe ihn häufig), Purani, der eine entscheidende Rolle spielte, und M und ... (wie heißt er?) D - D und M zankten sich [[Purani starb im Dezember 1965, M und D "leben". ]] . (Lachen) Und ... viele Leute. Ich war wie sie, seltsam gekleidet.

Ich entdecke gerade eine Welt, die ich nicht kannte, eine Welt, die ... ich weiß nicht, ob es das physische Vital ist. Da gab es Tänze und Bewegungen ... Um es auf gewöhnliche Weise auszudrücken: ich habe Träume, wie ich sie nie zuvor hatte, aber es sind keine "Träume": es ist eine Aktivität. Das ist eine Welt, die mir völlig unbekannt war und die so ist (Mutter verflechtet die Finger ihrer Hände, um eine Art gegenseitiger Durchdringung des Physischen und dieser Welt zu zeigen)

Es gibt sehr viel zu lernen.

Ja.

(Schweigen)

Nur Leute mit einem physischen Körper haben eine solche Reaktion - Vergnügen, Mißfallen -, wie man sie im physischen Leben hat. Die anderen haben das nicht.

Das scheint mit dem rein physischen Bewußtsein zu verschwinden.

(Schweigen)

Mehr und mehr habe ich den Eindruck, daß wir nichts wissen. Daß es eine unendliche Vielfalt von Dingen gibt und wir nichts wissen.

Aber nachts beklage ich mich oft, denn ich habe den Eindruck, von zwei oder drei Uhr morgens an eine Vielzahl von Tätigkeiten zu haben, die mir völlig idiotisch erscheinen, mit allen möglichen Dingen und Menschen oder ...

Das ist es.

Und das erscheint mir idiotisch, verstehst du, bar jeden Sinns und über alle Maßen ermüdend. Was ist das? Ich weiß es überhaupt nicht.

Das ist es vielleicht. Vielleicht ist das diese Welt.

Was haben wir dort zu suchen?

Für unser physisches Bewußtsein wirkt das idiotisch [[Aber was würde für jemanden auf der anderen Seite ein Mensch bedeuten, der einen Wasserhahn öffnet und sich die Zähne putzt? ]] .

Ja, es erscheint idiotisch.

Genau das hatte ich letzte Nacht. Und es war völlig natürlich und ... ohne Reaktion [[Wie Vergnügen oder Mißfallen. ]] .

Ich glaube, daß das Mental den Dingen einen Sinn gibt und daß ohne Mental die Dinge einfach SIND, ohne daß man ihnen eine Bedeutung zumißt - sie sind, weil sie sind. Für uns, für unser Bewußtsein, wie es hier entwickelt ist, wirkt das völlig schwachsinnig. Und dort erscheint es ganz natürlich.

Das muß es sein, was manche Leute "verrückt" macht. Wenn sie innen keine "göttliche Unterstützung", wie man es nennen könnte, keinen unerschütterlichen Glauben an die Wahrheit und die göttliche Gnade haben - wenn man das nicht hat ...

(Mutter geht bis zum Ende der Gesprächszeit in sich)

Dies ist ein Augenblick, den wir durchstehen müssen. Wir müssen hindurchgehen ... go through [hindurchgehen].

***

25. August 1971

(Mutter scheint Satprem lange zu "betrachten".
Ihr linkes Auge ist wieder geschwollen)

Was hast du zu sagen?

Siehst du etwas?

Bei mir gibt es nichts.

(Mutter geht für vierzig Minuten in sich)

Hast du nichts zu sagen?

Was absorbiert dich so? [[Zu dieser Stunde liegt eine alte Schülerin, Rani Maitra, die Frau des früheren Rektors der Universität Benares, im Sterben (ohne daß Mutter in ihrem äußeren Bewußtsein etwas weiß). ]]

(nach einem Schweigen)

Ständig, ständig ist da der "Gedanke" an das Göttliche, aber ... wie eine Art Durst, zu sein und zu verstehen. Alle mentalen Auffassungen erscheinen mir künstlich ... In manchen Fällen ist es eine schreckliche Angst; in anderen Fällen ist es ein vollkommener Friede.

(langes Schweigen)

Merkwürdig, in manchen Fällen habe ich das Gefühl, daß der Tod eine viel kleinere Veränderung bedeutet, als man glaubt, und in anderen Fällen ist er etwas völlig Unverständliches ... Seltsamerweise ist es wie zwei Extreme: einmal macht er kaum einen Unterschied; ein andermal ist er eine ... etwas ... Was bedeutet das, der Tod?

Ich will lieber nicht sprechen, denn ... Dies ist gar nicht mentalisiert, es hat also keine ...

(Schweigen)

Ich sagte dir, daß ich nachts Tätigkeiten nachgehe (ich habe nicht das Gefühl zu schlafen, aber der Körper ruht tief). Dort sind lebende Leute und solche, die wir gewöhnlich als "Tote" bezeichnen - sie sind absolut gleich, außer daß die Lebenden noch egoistische Reaktionen zu haben scheinen und die anderen nicht. Aber es ist ... (fließende Geste) ... Was für uns wirklich ist, existiert dort nicht mehr. Das ist sehr konkret.

Ich bin in einem Zustand, wo man nichts weiß.

Meine einzige Zuflucht ist, mich gleichsam an das Göttliche zu schmiegen. Als ob ...

Du sein, das ist alles. Mach mit mir, was Du willst, das ist alles ... Nicht einmal so [mit Worten oder Gedanken], nicht einmal das.

(Schweigen)

Es ist der Übergang von der alten Seinsart, die immer weiter in die Ferne rückt, zum ... Göttlichen hin, das alles tut. Sogar das Essen ist sehr schwierig geworden, denn die alte Essensweise erscheint immer ferner, und sie wird durch etwas ersetzt ... unaussprechlich. Es ist unaussprechlich. Als befinde man sich auf einem Grat (Geste), und der geringste Fehltritt schleudert einen in den Abgrund.

(Schweigen)

Alles erscheint anders, alle die ... alles erscheint anders. Die Beziehungen zu den anderen werden anders, alles verändert seine Natur, aber was? Was?

(langes Schweigen)

Es ist, als befände man sich mit einem Fuß in oder kurz vor ... oder in der Schwebe zwischen einer unglaublichen Macht (einer gewaltigen Macht, ich habe Beispiele) und gleichzeitig einer unglaublichen Machtlosigkeit.

Ich möchte lieber nicht sprechen, denn ... es ist nicht das. Was man sagt ... (Mutter schüttelt den Kopf)

(Schweigen)

Weißt du, als hinge man in der Schwebe zwischen dem Wunderbarsten und dem Abscheulichsten.

(Mutter geht lange in sich)

Ich weiß nicht, wieviel Zeit das erfordern wird ...

Ich weiß nicht einmal, worauf ich zugehe - ob ich auf die Transformation zugehe oder auf das Ende. Das Bewußtsein ist da (Geste oberhalb), es ist nicht beeinträchtigt ... Aber ... ich weiß nicht ... ich werde in diesem Körper gehalten (Geste eines Festgehaltenwerdens), als ob man wollte, daß ich in diesem Bewußtsein bleibe. Alle Zellen werden bewußt, aber ... Hängt es von der Form ab oder nicht? Ich weiß es nicht.

Ich bin nicht in einem Zustand, wo ich den anderen äußerlich helfen kann.

(Mutter nimmt Satprems Hände)

In manchen Fällen hat der Körper das Gefühl, daß es eine Ewigkeit so weitergehen könnte; in anderen Fällen hat er den Eindruck, daß er sich in jedem beliebigen Augenblick auflösen kann ... Und alles-alles geht so.

Nun denn, wir werden sehen.

Die Kraft und die Macht werden immer größer, aber ... (ich kann es nicht erklären) es ist überhaupt keine persönliche Macht.

***

28. August 1971

Was gibt es denn Neues?...

Was möchtest du oder hast du mir zu sagen?... Nichts?

Nichts oder immer dasselbe.

Was?

Ich warte.

Ach! du wartest - ich auch. (Lachen)

(Schweigen)

Alle Anschauungsweisen der Welt ziehen gleichsam eine nach der anderen an mir vorbei: die abscheulichsten und die wunderbarsten - so, so, so ... (Mutter dreht ihre Hand wie ein Kaleidoskop) und alle kommen, um zu sagen: "Man kann es so oder so ansehen, man kann ..." Und die Wahrheit ... Was ist wahr?... Was ist wahr?... All das (gleiche Bewegung eines Kaleidoskops), und "etwas", das man nicht kennt.

Vor allem bin ich der Überzeugung, daß diese Notwendigkeit, die Dinge zu betrachten und sie zu durchdenken, rein menschlich und ein vorübergehendes Mittel ist. Es ist eine Übergangszeit, die uns äußerst lang erscheint, in Wirklichkeit aber recht kurz ist.

Selbst unser Bewußtsein ist eine Abänderung des wahren Bewußtseins. DAS Bewußtsein, das wahre Bewußtsein, ist etwas anderes.

Die Schlußfolgerung für meinen Körper ist ... (was mir als die beste Annäherung erscheint): sich an das Göttliche schmiegen. Nicht zu verstehen versuchen, nicht zu wissen versuchen: versuchen ZU SEIN ... Und sich anschmiegen. So verbringe ich meine Zeit.

Nicht "versuchen": eine Minute davon genügt (gelassene Geste, zurückzutreten). Und die Zeit zählt nicht mehr. Das ist sehr merkwürdig, ich mache Erfahrungen bei all den kleinen Bewegungen des Lebens wie zum Beispiel die Mahlzeiten. Und wenn ich mich so anschmiege und aufhöre zu denken, einfach im Bewußtsein (Geste einer Verinnerlichung), erscheint alles unmittelbar. Es gibt keine Zeit. Wenn ich mich im äußeren Bewußtsein befinde ("äußerlich" nenne ich ein Bewußtsein, das die Schöpfung sieht), dauert es mehr oder weniger lang, je nach aufgewendeter Aufmerksamkeit. Alles-alles erscheint ... Nichts erscheint absolut im Sinne von wirklich - wirklich, von einer konkreten Wirklichkeit - nichts erscheint so. Außer bei Unannehmlichkeiten im Körper, zum Beispiel eine Funktionsstörung - da nimmt man immer noch eine Unvollkommenheit wahr. Die Unvollkommenheit macht die Sache spürbar, sonst ist es so (gleiche Bewegung einer Verinnerlichung, an den Höchsten geschmiegt). Und "so" ist die Macht gewaltig, in dem Sinne ... Zum Beispiel verschwindet bei den Leuten eine Krankheit (und in der Tat, ohne daß ich äußerlich etwas tue, ohne daß ich auch nur zu der Person spreche, gar nichts: geheilt). Für eine andere Person... ist es das Ende, sie landet auf der anderen Seite. Die andere Seite ist zugleich völlig vertraut geworden und ... absolut unbekannt.

Es gab eine Zeit, wo die Erinnerung an vergangene Leben oder an nächtliche Tätigkeiten überaus konkret war; die sogenannte unsichtbare Welt war völlig konkret - jetzt ... jetzt ist alles wie ein Traum, alles; wie ein Traum, der eine Wirklichkeit verschleiert ... eine unbekannte Wirklichkeit, und dennoch fühlbar. Ich scheine dummes Zeug zu reden.

Nein, nein!

Es läßt sich nämlich nicht ausdrücken.

Neulich fragtest du mich (die Frage blieb), du fragtest: Was geschieht, wenn ich so still und reglos bin ... Es ist eben ein Versuch ... ich kann nicht sagen, ein Bestreben, man kann nicht sagen eine Anstrengung - es ist das Wort urge im Englischen, ein Drang: die Wahrheit, wie sie ist. Das ist es. Und nicht zu wissen oder zu verstehen versuchen (all das ist völlig egal): sein, sein, sein ... Und dann ... (Mutter lächelt voller Sanftheit)

(Schweigen)

Ganz merkwürdig: gleichzeitig - gleichzeitig - weder eins im anderen noch eins mit dem anderen, sondern eins UND das andere, zugleich (Mutter verschränkt die Finger ihrer rechten Hand zwischen denen ihrer linken): wunderbar und schrecklich. Das Leben, wie es ist, wie wir es in unserem gewöhnlichen Bewußtsein empfinden - so wie es für die Menschen beschaffen ist -, scheint etwas ... so Schreckliches, daß man sich fragt, wie man auch nur eine Minute darin leben kann; und das andere, GLEICHZEITIG: ein Wunder. Ein Wunder an Licht, an Bewußtsein, an Macht - wunderbar. Oh, eine solche Macht!... Und es ist nicht die Macht einer Person (Mutter zwickt die Haut ihrer Hände), es ist etwas ... etwas, das alles ist ... Aber es läßt sich nicht in Worte fassen.

Das Interessanteste ist natürlich, Das zu finden. Ganz natürlich, wenn ich nichts zu tun habe ... (Geste einer Verinnerlichung, an den Herrn geschmiegt). Deshalb frage ich dich immer, ob es Fragen gibt oder ob da etwas ist, denn in mir ist keine "Person" mehr, um aktiv zu sein, das sind nur Dinge ... (Geste, daß nur die Bewegungen und Schwingungen der Leute oder Dinge Mutters Aktivität auslösen). Wenn das nicht da ist ... (Geste in der Schwebe, Schweigen) ... Sehr weit, sehr weit ... ganz nah am anderen Bewußtsein, gibt es Augenblicke (Mutter spricht mit ernster tiefer Stimme): OM Namo Bhagavaté ... Das ist das Materiellste. Das ist schon ... das erscheint so ... lifeless [leblos]. Das gibt einem ein Gefühl wie ein Holzscheit. Und dennoch ist es ... Man kann zugleich in einem schmerzlichen, unverständlichen und absurden Leben sein und absolut zur selben Zeit ... unbeschreiblich wunderbar.

Natürlich kann ich mit niemandem mehr sprechen, ich sage das nur dir, denn die Leute würden glauben, ich werde verrückt.

(langes Schweigen)

Nur "Du" - voilà.

Und es ist ganz offensichtlich, daß die Schöpfung Das als Ziel hat, diese wunderbare Freude ... sich als Du zu fühlen.

(Mutter geht lächelnd in sich)

Was wünschst du denn? Willst du Das?

Ja, liebe Mutter.

Oder willst du mich etwas fragen?

Nein, nein, Das ist gut!

(Mutter lacht)

(Mutter nimmt Satprems Hände und verharrt mit geschlossenen Augen, dann zeichnet sich ein Lächeln auf ihren Lippen ab,
sie geht in sich)

***

September

1. September 1971

(Die Jahre 1946-48 betreffend, als Satprem zum ersten Mal nach Pondicherry gekommen war, um einen Posten in der Regierung "Französisch Indiens" unter dem Gouverneur Baron anzutreten.)

Ein Bild ist mir geblieben, ein Bild, das ich nicht vergessen kann. Pavitra und ich hatten den neuen Gouverneur besucht, den Nachfolger Barons [1949], und beim Hinausgehen, im Salon oder auf der Veranda oder auf dem Balkon, ich weiß nicht mehr, saßest du da - erinnerst du dich nicht?

Nein, liebe Mutter.

Ihr wart zu dritt oder viert - du saßest da. Ihr wart noch nicht abgereist. Und das ist mir geblieben - noch jetzt, nach wie langer Zeit?

Fünfundzwanzig Jahre.

Es blieb klar-klar-klar: ich sehe dich dort sitzen, im Gegenlicht (dahinter war der Himmel). Das frappierte mich sehr - ich weiß nicht warum, es blieb mir. Noch jetzt sehe ich dasselbe Bild. Seltsam ... Wir waren gekommen, um diesen Leuten einen Höflichkeitsbesuch abzustatten. Sie interessierten mich überhaupt nicht, aber als ich dich dann sah: "Ach!" Das war wie ... weißt du, wie etwas, das mir sagte (Mutter senkt den Zeigefinger): "Der da."

Das blieb bestehen. So viele, viele Dinge habe ich völlig vergessen, aber das ist mir geblieben. Erinnerst du dich nicht?

Nein, liebe Mutter ... Ich habe andere Erinnerungen an dich aus jener Zeit, aber nicht diese [[Tatsächlich erinnerte Satprem sich sehr gut an diese Begegnung, wollte Mutter aber den Bericht über seinen Geisteszustand in diesen Tagen ersparen. In Wirklichkeit war er Mutter gegenüber zornerfüllt, weil sie den Mann besuchte, der alles getan hatte, um den Platz des Gouverneurs Baron zu übernehmen. So verlaufen die kleine und die große Geschichte nebeneinander. ]] .

Seltsam, noch jetzt sehe ich es. Da war der Himmel ... Du saßest auf einem Hocker oder einer Art Bank; zwei oder drei Personen (ich weiß nicht) waren mit dir zusammen, aber ich bemerkte sie nicht, doch dich sah ich so (Mutter senkt einen Finger), als ob ... : "Der da!"

Seltsam. Das ist interessant.

Ein Glück, daß du mich gesehen hast!

(Mutter lacht und nimmt Satprems Hände)

Es war so: (Mutter macht eine Geste, als würde sie Satprem am Handgelenk fassen).

(Schweigen)

Dem Körper bringt man bei, nur durch das Göttliche zu existieren, sich nur auf das Göttliche zu stützen, bei allem-allem-allem, ausnahmslos. Ein Druck, damit ... Nur wenn das Bewußtsein so sehr wie möglich an das göttliche Bewußtsein geschmiegt ist, hat es das Gefühl zu existieren. Das wurde außerordentlich intensiv. Wenn das Physische umgewandelt worden ist, wird es etwas SOLIDES sein: unveränderlich und vollkommen. Und wirklich konkret ... Der Unterschied zwischen einem Sein im Göttlichen, einem Existieren nur durch Ihn und für Ihn, und dann einem Sein im Bewußtsein (natürlich nicht im gewöhnlichen Bewußtsein, aber im noch menschlichen Bewußtsein) ... Die Diskrepanz ist so groß, daß das eine im Vergleich zum anderen der Tod zu sein scheint. Das heißt, die physische Verwirklichung ist wirklich eine konkrete Verwirklichung.

Eine solche Konzentration von Energie setzt ein. Oh, es ist noch nicht "das", bei weitem nicht, aber es ist der Beginn der Wahrnehmung dessen, was sein wird. Das ist ... wirklich wunderbar. Es ist von einer solchen Macht! Von einer Macht und Wirklichkeit im Bewußtsein, die einem nichts anderes geben kann - alles Vitale, Mentale usw. erscheint verschwommen und ungewiß. Dies ist konkret (Mutter ballt die Fäuste). Und so stark!

Es bleiben noch Probleme zu lösen, aber nicht mit Worten und Gedanken. Die Dinge kommen wie Darstellungen - nicht nur persönliche Dinge, sondern auch Dinge der Umgebung: Leute, Dinge, Umstände, all das will dem Körper beibringen, das wahre Bewußtsein zu haben. Das ist ... wunderbar.

(Mutter geht in sich)

Das Problem bestand scheinbar darin, ein Physisches zu schaffen, das die Kraft ertragen kann, die sich manifestieren will - das gewöhnliche körperliche Bewußtsein ist stets zu schwach und zu zerbrechlich, um diese gewaltige Macht zu ertragen, die sich manifestieren will. Der Körper ist nun dabei, sich daran zu gewöhnen, und er ist ... weißt du, als ob er plötzlich einen so unglaublich wunderbaren Horizont wahrnähme, und dann läßt man ihn nur so weit gehen, wie er es ertragen kann.

Eine Anpassung muß sich vollziehen.

Für das Ruhen und Essen ist das deutlich sichtbar (besonders für das Essen). Es ist ganz seltsam ... Der Übergang ... mitten im Übergang.

Wird er genug Plastizität haben? Ich weiß es nicht.

Es ist eine Frage der Plastizität. Ertragen und weiterleiten können (Geste eines Fließens durch Mutter hindurch). Der Macht, die sich manifestieren will, nicht das geringste Hindernis entgegenstellen.

Die äußeren Erscheinungen werden sich später als Konsequenz ergeben. Deshalb wird sich die äußere Erscheinung als letztes ändern.

***

4. September 1971

Was hast du? Hast du nichts?... Haben dich Leute besucht?

Nein, außer ein oder zwei Ausnahmen lehne ich es ab, Leute zu sehen. Ich weiß nicht, aber ich finde es jetzt besser, ruhig zu bleiben.

Nein, man hat mir von jemandem erzählt, der dich besucht hat.

Die einzige Person, die ich gesehen habe, war E.

Ach! Er ist nett. [[Tatsächlich verdanken wir diesem sehr netten Deutschen eine beträchtliche Anzahl Tonbänder, auf denen diese Gespräche aufgezeichnet wurden. Mit Dankbarkeit möchten wir auch ein amerikanisches Ehepaar erwähnen, M.R., das uns den Großteil der Bänder gegeben hat. ]]

Aber sonst weigere ich mich, Leute zu sehen.

Das ist besser.

Eine Zeitlang sah ich jeden Tag viele Leute, doch jetzt finde ich ... ich weiß nicht, ich habe das Bedürfnis, allein zu sein.

Ja.

(Schweigen)

Ich habe etwas bemerkt - schon seit langem, aber nun ist es sehr ausgeprägt geworden. Wenn ich spreche, ist ein Bewußtsein da, und das drückt sich auch in Worten aus, aber das Wichtige ist das Bewußtsein - die Leute hören jedoch nur die Worte und erfassen das Bewußtsein nicht. Das bewirkt eine schreckliche Verwirrung. Deshalb ist es besser, nicht zu sprechen.

Ach, für gewisse Leute ist es vielleicht ein Durcheinander, aber nicht für alle - nicht für alle.

Auch sehe ich: Ich wollte Auroville zu einem Zwischenstadium zwischen der alten und der neuen Seinsweise machen, aber sie versinken alle in ... D.h. sie nutzen die Freiheit, die ihnen gewährt wird, um auf völlig ordinäre Weise zu leben. Das ist entmutigend. Einige sind gut, aber die meisten repräsentieren eine Untermenschheit, eine rein animalische Menschheit.

Nun, ja ... Wir haben genug damit zu tun, uns selbst zu ändern!

Das kann man wohl sagen!

(Schweigen)

In jedem Augenblick das Göttliche Bewußtsein so gut wie möglich ausdrücken. Nur darauf kommt es an.

(Schweigen)

Ja, wenn man bei dir ist, wird man gleichsam von einem absoluten Strahl ergriffen. Das ist ... Ich erinnere mich an meine früheren Meditationen "dort oben", das war weit und recht angenehm, aber hier ist es eine Art ABSOLUTHEIT, man sagt sich: Es ist DAS. Es ist DAS, verstehst du, es ist nichts anderes, das Absolute ist da und packt einen. Aber wenn man nicht mehr in deiner Nähe ist ... Wenn man sich konzentriert, kann man das auf gewisse Weise erfassen ...

Ja.

Aber sobald man in seiner Konzentration nachläßt, ja, dann muß man wieder ... Das ist das Schwierige, es müßte eine Art Besitzergreifung stattfinden. Aber wie vorgehen?

Ich weiß es nicht.

Es ist die Gnade, kurzgesagt!

(nach einem Schweigen)

Der Körper versucht, so gut er kann, nur noch im Göttlichen zu existieren. Wenn er sich gar nicht mehr abgetrennt fühlen könnte (Mutter berührt die trennende Haut ihrer Hände), wäre er vollkommen glücklich.

Aber so (Geste einer Verinnerlichung), wenn ich nichts sage, geht es gut.

(Mutter geht in sich)

Hast du nichts zu fragen?

Wird mir eine neue Inspiration kommen? Etwas anderes [ein anderes Buch]?

Die Leute sind nicht bereit, mein Kind! Jeden Tag entdecke ich ... Diejenigen, denen man Freiheit gewährt, sinken auf das tiefste Niveau. Sie haben ein unglaublich ordinäres Bewußtsein, schrecklich - da ist keine Aspiration, kein Bedürfnis nach Vervollkommnung, überhaupt nichts.

Ich selbst ... Dieser Körper tut sein Möglichstes. Er kann nicht viel. Er versucht ... er versucht, keinen Widerstand zu leisten. Zeitweise - zeitweise - erfährt er etwas wie ein Entzücken, das einige Sekunden anhält. Aber das ist ... (Mutter schüttelt den Kopf). Entweder müssen wir erreichen, daß der Körper plastischer wird und sich transformieren kann, oder es wird eben für ein anderes Leben sein.

Aber ich gestehe, daß ich ... Sri Aurobindo sagte mir: "Ach, all das von vorn zu beginnen, die Kindheit und diese ganze Unbewußtheit - nein." Bevor er wegging, sagte er nein. "Nein, ich werde erst wiederkommen, wenn es in einem supramentalen Körper sein kann."

(Schweigen)

Aber es muß Körper geben, die beliebig lange fortbestehen können. Er hatte gesagt: Das Zwischenstadium wird eine beliebige Lebensdauer sein. Ich habe den Eindruck, daß dies möglich ist. Aber unter der Bedingung, daß ... der Körper selbst darf nur eine Idee haben: die Transformation. Daß er nur so ist (ruhig, konzentriert), dann ... Auf die Weise kann ich stundenlang verharren - in einer Art aufnahmebereiter Andacht, und es geht wie eine Sekunde vorbei. Die Zeit ist seltsam. In einer gewissen aufnahmebereiten Andacht, da ... (Geste, wie in einem Lächeln zu schweben) ... da existiert die Zeit nicht mehr.

Ich fühle, daß ich an der Schwelle eines großen Geheimnisses stehe, aber ... (Mutter schüttelt den Kopf) nicht mental - keine Gedanken. Es ist ... "etwas".

(Schweigen)

Gib mir deine Hände!

(ein Lächeln zeichnet sich auf Mutters Lippen ab)

***

8. September 1971

(Nach einem langen kontemplativen Schweigen)

Es ist wirklich eine Übergangszeit für den Körper.

Der Körper ist dabei zu sehen und sich bewußt zu werden, was ihn innerlich daran hindert, unsterblich zu sein, und zugleich, was in ihm unsterblich sein kann. Er erlebt Augenblicke einer Beklemmung, wie er sie noch nie zuvor in seinem ganzen Leben hatte - den Tod betreffend, was ihm noch nie widerfahren ist. Er verstand, daß ihm das aufgrund seiner eigenen Verfassung zustößt und daß er sich ändern muß. Ich bin ... wie an der Schwelle einer außerordentlichen Entdeckung, aber ...

(Schweigen)

Ich könnte folgendes sagen: Das Warum des Todes ist klar geworden, und das Wie der Unsterblichkeit ist ... (Schweigen) ... Da ist etwas Seltsames, der Eindruck, daß da (Geste eines Abtastens) etwas zu BERÜHREN ist.

(Mutter schaut weiter, mit strahlend geöffneten Augen,
und geht dann für eine halbe Stunde in Meditation)

Das kann endlos dauern ... Der Eindruck, etwas zu berühren und ... (Geste von etwas, das sich entzieht).

Was hast du gefühlt?

Sujata half mir zu verstehen, was ich in deiner Nähe fühle; sie sagte: "Wenn man in deiner Nähe ist, ist es als ob der Körper zum Beten veranlaßt würde." Genau das fühle ich, es ist eine Macht, die alle Teile des Körpers erfaßt und sie ... ich weiß nicht, sie mit einer intensiven Aspiration erfüllt.

Ja, genau das fühlt mein Körper.

Es veranlaßt den Körper zu beten. Und das erfüllt ihn mit einer Macht, die ... Ich weiß nicht, es ist wie warmes Gold, das alles emporhebt.

Ja, so ist es ständig.

(Schweigen)

Ich fühle, daß Das ständig so fließt (Geste durch Mutter hindurch).

Vielleicht ist das die göttliche Liebe in der Materie!

(Mutter lacht sehr)

Es ist so intensiv und warm zugleich - warm. Aber es ist stark ... so stark, daß es einem schwerfällt, das Wort "Liebe" auszusprechen, denn es entspricht nichts uns Bekanntem.

Ja, mir geht es auch so ... Hier (Geste zur Stirn): nichts-nichts-nichts, leer-leer-leer ... Dort (hohe und weite Geste), dort ist es ... ja, eine goldene Unermeßlichkeit.

Ja.

(Schweigen)

Ich habe ein seltsames Gefühl: wie Schuppen oder Baumrinde oder ein Schildkrötenpanzer, die schmelzen, und daß der Körper selber gar nicht so ist. (Mutter deutet mit einer Geste an, als ob der Körper sich aufblähte und in der Sonne zerplatzte.) Was dem Menschen die Materie zu sein scheint, ist wie etwas Verhärtetes, das wegfallen muß, weil es nicht empfängt. In diesem Körper (Mutter berührt die Haut ihrer Hände) versucht es ... versucht das (gleiche Geste eines Anschwellens und Entfaltens). Seltsam. Eine seltsame Empfindung.

Wenn man lange genug durchhalten könnte, damit all das sich auflöst, dann wäre es der wahre Beginn. [[Mutter hatte ganz zu Anfang gesagt: "Dann wäre es geschafft." Als dieses Fragment in den "Notizen auf dem Weg" veröffentlicht wurde, berichtigte sie sich und sagte: "Dann wäre es der wahre Beginn." ]]

***

11. September 1971

Alle zanken sich. Alle, überall. Streitereien über Streitereien - ständig, Tag und Nacht.

Auch nachts?

Ja! (Lachen)

Gleichzeitig zeigt sich die Lösung: eine unerschütterliche Ruhe. Als wolle man dem Körper eine Lektion erteilen. Aber lächerliche Streitereien, bei allen Leuten. Die einen beschuldigen die anderen - sie beschuldigen sich gegenseitig -, und alle erzählen Lügen. Alles wird verdreht, nichts ist klar. Noch nie zuvor habe ich so etwas gesehen (und weiß Gott, ich bin schon lange hier). Ein wutentbrannter Ansturm. Und mein Körper ist sich bewußt, daß er, wenn er auch nur eine Minute diese innere Ruhe verliert, sehr krank wird. Er ist genau so (Geste auf einem Grat), als riskierte er, in einen Abgrund zu stürzen.

Widerlich.

Eine einzige Lösung: (Mutter breitet ihre Arme aus) eine unerschütterliche Ruhe.

Eine konkrete Ruhe. Seltsam. Es ist konkret. Als könne man es berühren (Mutter läßt ihre Handflächen auf einem unsichtbaren Fels ruhen) ... Seltsam.

(Mutter verharrt eine halbe Stunde lang in dieser Ruhe,
während sie Satprems Hände hält)

Fühlst du, wie konkret das ist?

Ja, es ist massiv.

***

14. September 1971

(Ein Besuch Sujatas bei Mutter. Am Vortag war Sujata zu den "Casanova"-Gärten in der Nähe von Pondicherry gefahren, um die Gräber Pavitras und Amritas zu besuchen.)

(Sujata:) Gestern besuchte ich Casanova.

Ach, warum?

Um Amrita und Pavitra zu besuchen ... Weißt du, seit zwei Jahren wurde nichts getan, nicht die geringste Arbeit, um die Gräber zu schmücken.

Wie sieht es denn aus?

Sie waren mit "Sri Aurobindos Mitgefühl" bedeckt, und am Kopfende war ein etwas brüchiger Topf mit "Neue Schöpfung" und bei den Füßen "Hingabe" [[Potulaca, Tuberose, und Basilikum. ]] , bei beiden ... Das fand ich gut, aber man hat noch nichts getan.

Pavitra ist nie gekommen, um sich darüber zu beklagen! (Lachen)

Pavitra sehe ich sehr häufig, fast jede Nacht.

Vielleicht gefällt ihm das so.

Selbst letzte Nacht sah ich ihn: er war in Japan.

Wann waren sie fortgegangen?

Amrita ging am 31. Januar 1969 und Pavitra im Mai, am 16. Mai.

Ach! Pavitra ging später.

Weißt du, die Zeit und ich ...

Pavitra ist hier, er ist sehr aktiv, er bleibt bei mir, ich sehe ihn sehr häufig. Amrita sehe ich nicht oft. Pavitra ist in mich eingegangen. Und nach und nach habe ich ihn neu geformt. Als er völlig geformt war, ließ ich ihn wieder heraustreten, und er bleibt ganz nah.

Was tut er?

Er trifft Leute, er tut alles mögliche.

Woran arbeitet er?

Er trifft Leute, er spricht, aber er ist da, er hat die irdische Atmosphäre nicht verlassen. Amrita ist fortgegangen, um sich auszuruhen. Pavitra ist hier, im Subtilphysischen - da, wo Sri Aurobindo ist, und dieses Physische hat eine starke Tendenz, sich zu materialisieren.

Wir werden sehen ...

***

15. September 1971

Hast du etwas zu sagen? Nichts?

Nein, liebe Mutter, nichts Ermutigendes.

(Mutter verharrt eine halbe Stunde in Meditation)

Sieh an! Neben dir ist ein Kind, ein Kind von ein oder zwei Jahren - blond. Es schaut, es legt seine Hand auf deine Schulter ... Es ist ... es scheint hoch intelligent zu sein.

(Mutter geht wieder in sich)

Keine Fragen?

Wer ist dieses Kind?

Ich weiß es nicht. Ich schaute es an, dann wuchs es bis zu zehn Jahren heran. Es blieb so. Erst war es ganz klein, zwei Jahre, dann wuchs es immer mehr bis zum Alter von ungefähr zehn Jahren. Es hatte seine Hand auf deine Schulter gelegt und betrachtete dich immer so (weit aufgerissene Augen mit einer Art Hingabe oder Bewunderung)

Ich weiß nicht.

Ein europäisches Kind, kein Inder.

Ist das vielleicht mein Bruder ... der seinen Körper verlassen hat?

Ach, wohl möglich!

Ist dein Bruder denn blond?

Ja, als er klein war, war er blond.

Ach! Dann muß er es sein.

Bedeutet es, daß er seinen Körper verlassen hat?

Nein.

Er ist nämlich auf Abwege geraten - äußerlich jedenfalls.

(nach einem Schweigen)

Es war bewußt, das Kind war bewußt ... Vielleicht ist sein psychisches Wesen fortgegangen? [[Satprems Bruder wird sich zwei Jahre später das Leben nehmen, kurz nach Mutters Weggang. ]] ... Ein totales Vertrauen (derselbe weitgeöffnete Blick).

Das ist seltsam, denn er war blond als er klein war [in Mutters Vision], und als er größer wurde, wurden seine Haare dunkler - das war mir aufgefallen. Er war ungefähr ... vielleicht um die zehn Jahre herum.

Ein totales Vertrauen. Er blieb ganz ruhig und betrachtete dich unentwegt ... ein totales Vertrauen.

Aber es war nicht das physische Wesen.

Ja, ja, ich verstehe.

(Schweigen)

Ist es jetzt Nacht in Frankreich?

Jetzt muß es ... Es sind die ersten Morgenstunden, es muß fünf oder sechs Uhr morgens sein.

Glaubst du, daß er zu dieser Zeit noch schläft?

Ja, sicher.

Demnach hätte er ein psychisches Wesen von ungefähr zwei Jahren (sie haben natürlich kein eigentliches Alter, aber in ihrer Entwicklung). Durch den Kontakt mit dir ist es gewachsen [[Vor mehreren Jahren hatte Mutter Satprem mit seinem Bruder empfangen, und sie saßen nebeneinander vor ihren Füßen. Nachher sagte Mutter zu Satprem: "Es ist seltsam, man könnte ihn für eine Emanation von dir halten." ]] . Das ist interessant.

(langes Schweigen)

Ist er jünger als du?

Ja, ich glaube, er ist fünf oder sechs Jahre jünger als ich ... Aber er hat einen ganz schlechten Weg eingeschlagen.

Ja. Hat sein psychisches Wesen ihn verlassen?... Vielleicht.

Das ist gut möglich ... Einmal habe ich ihn in zwei Teile geschnitten gesehen.

Ach!

Nur die untere Hälfte blieb übrig.

Das muß es also sein.

Und das letzte Mal sah ich ihn mit dem Kopf nach unten und den Füßen nach oben.

Oh!...

Es schien ganz unabhängig zu sein [das psychische Wesen]. Und als er kam - ich sah ihn kommen -, stellte er sich neben dich und legte seine Hand - eine kleine Hand - auf deine Schulter und schaute dich so an (dieselben großen, weit geöffneten Augen). Langsam wuchs er, und dann, als er acht bis zehn Jahre alt war, blieb er so. Es ist kein voll ausgeformtes psychisches Wesen ... Vielleicht hat es ihn verlassen.

(Schweigen)

Bedeutet es, daß er ein anderes Leben durchmachen muß, um sein psychisches Wesen wiederzufinden?

Oh, ja.

Aber wenn das psychische Wesen jemanden verlassen hat, kommt es nicht wieder?

Ach, es kann wiederkommen, aber eine Wandlung ist nötig.

Ja, eine Wandlung.

Daß das psychische Wesen zu dir gekommen ist, ist ein gutes Zeichen - ein sehr gutes Zeichen, auch für ihn. Denn gewöhnlich, wenn das psychische Wesen so fortgeht, kehrt es in die psychische Welt zurück und schläft dort bis zu einem neuen Leben. Aber hier blieb es bewußt, und es kam zu dir. Das ist außergewöhnlich.

(Schweigen)

Wir werden sehen, was geschieht ... Ist er vielleicht krank? Ich weiß es nicht.

Oder wenn das vitale Wesen (das vitale und physische) es heftig zurückgestoßen haben, ist das Psychische fortgegangen.

Ja, es ist eher das ... Er hat sich auf ziemlich schreckliche Dinge eingelassen.

(nach einem Schweigen)

Ich sehe ihn jetzt nicht mehr, aber ich habe den Eindruck, er ist da und verläßt dich nicht.

Aber man kann nicht sagen, es sei dein "Bruder", denn das psychische Wesen wurde in anderen Leben geformt - es war in deinen Bruder EINGETRETEN.

Ja.

(Mutter geht in sich)

Wir werden sehen.

***

18. September 1971

Was hast du zu sagen?

Neulich gabst du mir durch Sujata eine "Neue Schöpfung" [Tuberose] ...

Sie ist für DICH.

Bedeutet es, daß ...

Ja.

... etwas kommen wird?

Das bedeutet, daß du nicht am Ende bist! (lachend) Du bist nicht am Ende deiner Schreibtätigkeit [[Satprems nächstes Werk wird die Trilogie über Mutter sein: 1975 (auf deutsch erschienen beim Verlag Hinder + Deelmann). ]] .

(Mutter schaut Satprem lange an
und geht dann in sich)

Hast du etwas zu fragen?

Nein, und du?

Etwas zu sagen?

Nein, liebe Mutter ...

(Schweigen)

Seit einigen Tagen habe ich den recht starken Eindruck, daß wir voller Gespenster sind, das heißt, daß es nicht wirklich Schwierigkeiten, Probleme, Widerstände oder sonst etwas gibt, sondern daß da ein Haufen von Phantomen und alten Dingen ist, und nur unsere Erinnerung an sie belastet uns.

Ja, das ist wahr. Das ist wahr, ich habe die gleiche Erfahrung. Wir selbst (wir, ich meine alle menschlichen Wesen) schaffen die Probleme.

Und diese Erinnerung - ein sehr lästiges Phänomen -, die Erinnerung an einen Haufen alter Dinge läßt die alten Mächte fortbestehen; aber in Wirklichkeit existiert nichts mehr - nur die Erinnerung daran ist noch da.

Ja, ja, so ist es. Das ist wirklich wahr.

(Mutter geht in sich)

Etwas zu fragen?

Nein, wie stehen die Dinge?

Welche Dinge?

Nun, die Welt und du?

Bah!... Alles ist so (Geste in der Schwebe) - alles. Sie sind bereit, sich dort oben zu schlagen [an der Grenze zwischen Indien und Bangladesh], und sie warten endlos darauf, daß man ihnen den Befehl gibt zu kämpfen. Die Armeen sind bereit, alles ist bereit, und man wartet. Alles ist so (die gleiche Geste).

Auf was wartet man denn?

Auf den Befehl der Regierung.

Aber die Regierung wird sich nie rühren!

Doch (Mutter lächelt), sie wird sich rühren. Sie wird gezwungen sein, sich zu rühren. Aber es zieht sich hin.

Jemand von der Regierung kam hierher, geschickt von einer "Kommission", aber durch ihn ist der General, der den Befehl über die Armeen hat, mit mir in Verbindung getreten, und er bittet um meine Segenswünsche. Sie sind bereit. Sie warten - man sagt ihnen "morgen, morgen, morgen" ... immer morgen. Ich habe Neuigkeiten von dort.

(Schweigen)

Vor ein paar Tagen sah ich im Traum Indira Gandhi. Sie schien hier zu sein, und sie versuchte uns von etwas zu überzeugen. Was mich vor allem verblüffte, war, daß alles, was sie sagte, auf einem sehr gewöhnlichen Niveau lag, und sie erschien sehr blaß.

Sie ist beeinflußbar. Deshalb gibt es ... (Geste eines Hin- und Hergezerrtseins)

Ja, sie richtet sich nicht nur nach deinem Einfluß.

Nein. Sie hört mich an, und dann vermischt es sich mit dem, was ihr die anderen sagen. Deshalb bewirkte es ... (Geste eines konfusen Gedränges).

(Mutter geht lange in sich)

Wir befinden uns mitten im Übergang: es ist nicht mehr dies und noch nicht das.

Und die Konzentration der Kraft wird immer größer.

(Schweigen)

Eine seltsame Erfahrung. Der Körper fühlt, daß er nicht mehr der alten Seinsweise angehört, aber er weiß, daß er noch nicht in der neuen ist und daß er ... Er ist nicht mehr sterblich und noch nicht unsterblich. Ein sehr seltsamer Zustand. Und manchmal geht man vom schrecklichsten Unwohlsein über zu ... einem Wunder - wirklich seltsam ... eine unbeschreibliche Glückseligkeit. Es ist nicht mehr dies, und es ist noch nicht das.

Sonderbar. (Mutter schüttelt den Kopf)

(Schweigen)

Etwas wie das Versprechen einer unglaublichen Macht und gleichzeitig die Anzeichen einer solchen Schwäche - nicht Schwäche: Störungen. Störungen und zugleich das Gefühl einer unglaublichen Macht. Beide sind so (Geste, auf der Kippe zu sein). Eine Störung in dem Sinne, daß ich, wenn ich nicht aufpasse, zum Beispiel nicht mehr essen kann. Ich muß aufpassen, ich muß mich ständig konzentrieren, um die Dinge tun zu können. Manchmal ist kein einziges Wort mehr in meinem Kopf, nichts; andere Male sehe und weiß ich, was überall geschieht.

Es ist so (dieselbe Geste wie auf einem Grat).

Ich muß aufpassen, wenn ich mit Leuten zusammen bin, sonst würden sie denken, ich werde verrückt! (Lachen)

Es ist wirklich seltsam. Zur gleichen Zeit eine totale Machtlosigkeit und eine unglaubliche Macht. Die Ergebnisse der unglaublichen Macht werden manchmal bei den Leuten hier und da sichtbar: plötzlich geschehen wunderbare Dinge. Und gleichzeitig ... kann ich manchmal nicht mehr essen. Seltsam. (Mutter lacht)

***

22. September 1971

Es geht weiter - nichts Neues zu sagen. Es ist so: mal wunderbar, mal wirklich unangenehm ... Aber der Körper macht Fortschritte, das heißt, es gelingt ihm besser, sich ständig an das Göttliche zu klammern. Dann geht es gut. Das ist alles.

Außen ist es so (chaotische Geste).

Ich könnte sagen, daß das göttliche Eingreifen immer sichtbarer wird (Worte sind idiotisch, das ist es nicht; aber es ist alles, was man sagen kann, alle Worte sind dumm).

Was hast du denn zu sagen?

Nicht viel. Es gibt eine interessante Neuigkeit. Hast du schon von André Malraux, dem französischen Schriftsteller, gehört?

Ja.

Ich glaube, einmal kam er sogar nach Pondicherry, um dich zu sehen. Er gab eine Erklärung im Radio ab. Weißt du, er ist ein Mann, der international viel Gewicht hat: Wenn er etwas sagt, wird das in der ganzen Welt gehört. Im französischen Radio gab er eine Erklärung ab (du weißt, daß er lange Minister unter de Gaulle war), eine Erklärung zugunsten Bangladeshs.

Er sagt:

Indian Express, 20. September 1971

Im Alter von 69 Jahren bot Malraux an, für Bangladesh zu kämpfen.

Er sagt: "Ich erhalte viele Briefe von jungen Leuten, in denen es heißt: Wenn Sie eine Fremdenlegion aufstellen, sind wir bereit, für Bangladesh zu kämpfen."

Malraux gesteht ein, daß er zu alt ist, um als Infanterist zu dienen, aber er erklärt, er könne in einem Panzer dienen.

"Niemand kann ernsthaft Bangladesh helfen, indem er mit Worten um sich schlägt", sagt er, "sondern nur, indem er dort hingeht und kämpft."

Malraux stellt fest, daß Indien zwar durch Gewaltlosigkeit gegründet worden war, daß diese Art Taktik diesmal jedoch nicht möglich sei. "Ihr steht vor einem Vietnam. Entweder kämpft Ihr und habt die gesamte Welt mit Euch, oder Ihr kämpft nicht, und die Sache ist verloren."

"Während die Intellektuellen gutgläubig Bittschriften unterschreiben, schicken die Pakistani Panzer in die Schlacht. Folglich ist das einzig Glaubhafte die Verteidigung Bangladeshs. Macht es auf intellektuelle Weise, wenn Ihr wollt, aber mit Unterstützung des Kampfes."

(Mutter nickt mehrmals und geht für eine halbe Stunde in sich.
Dann macht sich Satprem zum Gehen bereit,
und Sujata nähert sich Mutter)

Das kann Stunden dauern ...

(Sujata:) Liebe Mutter, was bedeutet ein weißer Pfau mit goldenem Schwanz?

Ooh! Das muß der supramentale Sieg sein. Ein weißer Pfau bedeutet der integrale Sieg; ein goldener Schwanz bedeutet die supramentale Verwirklichung ... Hast du das gesehen?

Satprem sah das.

(Satprem:) Ich sah es letzte Nacht.

Sieh an! Das ist großartig. Das kündigt den Sieg an. Worüber hattest du meditiert?

Ich weiß nicht, ich sah es zwischen anderen Dingen.

Ach!... Das ist gut. Das bedeutet der supramentale Sieg (Mutter scheint begeistert), das ist gut [[An dem Tag trug Mutter "zufällig" ein Gewand aus weißer Seide, auf dem Pfauenfedern gemalt waren. ]] .

***

29. September 1971

(Die letzten Tage der "Durga"-Feier, der "Vijaya dashami", die den Sieg der universellen Mutter über einen Asura kennzeichnet.)

Möchtest du ein Päckchen [mit "Segnungen"] haben?

Gestern hast du mir eins durch Sujata geben lassen.

Noch eins!

Wenn du willst.

Es ist nicht das gleiche!

Heute war es sehr klar - ein starker Druck, um zu sagen: Der Sieg bedeutet Harmonie, der Sieg bedeutet das Göttliche, und für den Körper bedeutet der Sieg gute Gesundheit. Jedes Unwohlsein und jede Krankheit sind eine Lüge. Das kam heute morgen. Und es war sehr KLAR. Es war überzeugend.

Es geht also gut.

Als sei durch den Druck die ganze Lüge herausgeplatzt (Geste eines Hervorquellens von unten). Völlig unerwartete Dinge - bei den Leuten, den Dingen, den Umständen. Das ist wirklich ... Jenseits von allem Vorstellbaren. Unglaublich.

Aber das ist doch ein gutes Zeichen, oder?

Oh, ja! Nur sind die Erscheinungen hier im Ashram ... (Mutter schüttelt den Kopf), als sei da ein Gift, und durch den Druck quillt das Gift hervor, um fortzugehen - und wie es kommt!

Später wird man darüber sprechen können. Aber es ist wirklich interessant, wirklich. Ja, das ist ein gutes Zeichen, ein sehr gutes Zeichen.

Das bedeutet, daß alle diese Kräfte, die während Tausenden von Jahren unten verborgen waren ...

Ja.

... ihr Versteck verloren haben.

Ja, genau, das stimmt.

Wir werden sehen. Nur kann man noch nicht darüber reden - später.

Unglaublich, mein Kind!

Aber eine Kraft! Kraft, oh!... (Mutter schließt die Augen und lächelt)

***

Oktober

2. Oktober 1971

(Im vorigen Jahr, nach dem Tod General de Gaulles, hatte unsere Freundin Y.L. André Malraux in Verrières getroffen; jener hatte sie sofort gefragt: "Lebt Mutter noch?", und da unsere Freundin etwas erstaunt war, fügte er hinzu: "Ich bin vor Ihnen dort gewesen, vor 33 Jahren ... Sie wissen also, was sie in Indien suchten ..." Dann traf Y.L. vor einigen Tagen Malraux erneut nach seinem Aufruf "Freiwillige für Bangladesh". Er sagte ihr: "Es ist sehr wichtig für den Kampf, den ich für Bengalen führen werde, die Haltung und die Aktion Pondicherrys zu kennen." Unsere Freundin Y.L. kam, um Mutter die Frage zu stellen. Mutter wollte wissen: "Wann trifft André Malraux Indira Gandhi?" - "Im November in Paris." Mutter fragte weiter: "Wann gedenkt André Malraux, nach Indien zu kommen?" - "Ich weiß es nicht" ... Dann verblieb Mutter lange in sich gekehrt und sagte: "DIE Antwort wird er erst erhalten, wenn er in Indien angekommen ist, denn die Antwort ist in ihm ..." Nach dem Treffen mit Indira in Paris gab André Malraux seinen Aktionsplan auf. Es sei bemerkt, daß er an dem Tag, als Y.L. ihn traf, das "Pressbook" von Auroville durchblätterte und sagte: "All dies ist mir vertraut - ich bin darinnen - ich kenne es." Und, das Buch schließend: "Es ist, als sei die Sonne aufgegangen. Und sie geht unter ... Und man beginnt aufs neue ..." Y.L. antwortete ihm einfach: "Und wenn die Sonne tatsächlich aufgegangen wäre?") [Diese Notizen sind Auszüge aus Y.L.s "Reisetagebuch"]

Und dann?

Du weißt, daß Y.L., die du vor einigen Tagen gesehen hast, Malraux in Paris getroffen hat. Und sie gab ihm meinen Artikel über Bangladesh und La Genèse du Surhomme. Heute morgen erhielt ich eine Mitteilung von Malraux.

Ach!

Eine Karte. Sehr nett. Er sagt einfach:

"Ich danke Ihnen für La Genèse du Surhomme, von dem mir einige unserer Freunde schon erzählt haben - und ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit, es mir zu schicken."

Gut ...

Er sagte, du seist "mein Sohn"!

Nun, das ist nicht ganz falsch!

Ich sagte, ja! (Mutter lacht sehr)

Es scheint, er genießt dort Autorität.

Oh, sehr, und nicht nur in Frankreich sondern in der ganzen Welt. Wenn er nur ein Wort sagt, ist das ein Weltereignis.

Ach, dann ist es ja gut.

Daraufhin wollte ich ihm einen kurzen Brief schicken ...

Ja.

... wo ich ihm folgendes sage:

Sehr geehrter Herr Malraux,

Ich bin sehr gerührt, daß Sie die Güte hatten, mir für La Genèse du Surhomme zu danken. Vor fünfzehn Jahren gab ich den jungen Indern in diesem Ashram Französisch-Unterricht und versuchte ihnen klar zu machen, wer Malraux ist, dessen Aktion ich sehr bewunderte - heute erinnern sie sich, und so wie ich sind sie bewegt von Ihrem Einsatz für Bangladesh.

Das Problem liegt sicherlich tiefer, wie Sie wissen. Es geht darum, in diesem Ende des mentalen Zyklus einen neuen Menschen zu schaffen - genau das versuchen wir hier mit Mutter und Sri Aurobindo. Große Kräfte sind hier bescheiden am Werk. Und es berührt mich, daß mein Buch Sie nicht gleichgültig läßt. Sein Aufruf bedarf Ihrer Hilfe und Ihrer Fähigkeit, den tiefen Sinn unserer menschlichen Krise zu erfassen.

Möge Sri Aurobindos und Mutters Kraft Sie begleiten.

Brüderlich verbunden mit Ihnen

in diesem großen zu vollendenden Werk.

Das ist sehr gut.

Wenn ein solches Individuum direkt von dir angerührt werden könnte, wäre das ein phantastischer Hebel. Zwei Worte dieses Mannes, und man horcht in der ganzen Welt auf.

Ach!

(Mutter geht lange in sich)

Was sagst du, Mutter?

Ich sage nichts.

(langes Schweigen)

Ich spreche immer weniger.

Ja, liebe Mutter ...

Ständig wirkt die Kraft auf diese Weise (Geste eines erbarmungslosen Druckes). Sie drückt auf die Materie für die Transformation.

Ich weiß nicht, ich habe den Eindruck, die Stunde rückt näher, wo große Veränderungen in der Welt stattfinden werden.

Ja, ja.

Sichtbare Dinge.

Ja. Aber dies ist eine sehr bewußte Aktion der Kraft (gleiche Geste eines Druckes), sehr bewußt. Im geringsten Detail wie auch auf die Gesamtheit wirkend, sehr bewußt.

Wenn ich mich so verhalte (reglose, verinnerlichte Geste), habe ich einfach das Bewußtsein dieser Kraft (die gleiche Geste eines Druckes). Manchmal geht ein Punkt (Bewegung wie ein Strahl, der sich auf etwas richtet), ein Detail bewußt durch ... durch die Persönlichkeit (ich weiß nicht, wie ich sagen soll), und dann ... scheint es allmächtig: jemanden heilen, selbst einen Dieb erwischen helfen (!), Dinge dieser Art.

Seltsam.

Und immer unpersönlicher (Mutter berührt ihre Hände).

***

6. Oktober 1971

(Das nächste Bulletin betreffend)

Ist es interessant?

Aber ja, liebe Mutter! Weißt du, ich sehe das Bulletin von A bis Z durch, jedes Komma. Niemand anders ...

Gut ... Hast du die Synthese beendet?

Nein, wir haben noch Stoff für zwei oder drei Jahre ...

Oh, so viel!

... nein, Entschuldigung! Wir hatten ausgerechnet, daß es noch bis 1975 dauert.

1975!... (Mutter lacht)

Was sollen wir danach nehmen?

Was haben wir denn schon veröffentlicht?

"Der Zyklus der menschlichen Entwicklung", "Die menschliche Einheit", einige Kapitel aus dem "Göttlichen Leben" ...

Oh, wir müssen das ganze Buch bringen.

Das ganze Buch!... (Lachen)

Das ist eine unterhaltsame Arbeit.

Ja, das reicht für dreißig Jahre Bulletin.

(Mutter lacht)

Ja, das Beste ist, wir nehmen Das Göttliche Leben.

Und Savitri? Deine Übersetzung von Savitri?

Ach, das ... Dazu müßte man ein Dichter sein ... Sprichst du von meiner Übersetzung?

Ja.

Sie taugt nichts.

Doch, liebe Mutter! Vielleicht müssen gewisse Dinge korrigiert werden, aber ... Nein, nein, sie ist gut.

Aber ich habe sehr wenig getan.

Du mußt sie "vervollständigen"! (Lachen)

Habe ich das Ende übersetzt?

Etwas vom Anfang und dann das Ende.

Ich sehe nicht mehr gut ... Aber ich müßte mich wieder daran machen ... Wie viele Jahre wird Das Göttliche Leben dauern?

Ich weiß nicht, vielleicht dreißig Jahre [im Rhythmus von einem Kapitel pro Bulletin-Ausgabe].

Was! (Lachen) Dreißig!... Das würde also bis zum Jahr 2000 gehen.

Ja.

(Lachend) Gut, dann haben wir ja Zeit!

Nein, die Dinge werden zwangsläufig zur einen oder zur anderen Seite gehen, das heißt, entweder muß sich mein Körper erneuern und stärker werden (meine Sicht muß sich verbessern usw.), und es wird leichter sein, oder es geht zu Ende.

Nein.

Oder ich werde ihn gehen lassen müssen.

Nein, nein. Nein, es ist sicher, daß er sich ändern muß. Das ist gewiß.

(Mutter lacht)

Das ist fast mathematisch, verstehst du.

Er selber FÜHLT so ... Man weiß es nicht. Das ist der göttliche Wille.

Denn ein Teil wird zwangsläufig einem Wunder gleichen.

Ja.

Wenn kein Wunder geschieht ... Das Wunder hängt eben vom Herrn ab.

Gut. Wir haben ja Zeit, darüber nachzudenken! (Lachen)

Aber es MUSS so eintreten, liebe Mutter. Das ist nicht nur glaubensbedingt, sondern es liegt in der Logik der Ereignisse.

Das hängt ab (Mutter berührt ihre Hände) vom Ausmaß dessen, was eliminiert werden muß, und von der Fähigkeit zur Transformation.

Aber, liebe Mutter, ich glaube, es hängt noch mehr von der Notwendigkeit für die Welt ab - von der Notwendigkeit deiner Transformation für die Welt.

Glaubst du, sie ist notwendig?

Selbstverständlich!

(Mutter lacht)

Das ist die einzige Chance, die wir haben.

Ach ...

Wenn es sich nicht in dir vollzieht, bedeutet es, daß die Sache wieder für Jahrhunderte zurückgestellt wird. Das ist doch nicht möglich. Das ist unmöglich.

(nach einem Schweigen)

Ich selbst bin völlig einverstanden mit allem, was der Herr will - was immer es sei, selbst die schwierigsten Dinge. Vollkommen in Übereinstimmung, so (Mutter öffnet die Handflächen nach oben): Was Du willst, Herr, was Du willst - das ist meine Freude.

Das ist mein LEBEN. Das ist die Lebensessenz in mir, im Körper. Er ist so: Was Du willst - mit Freude, mit einer unvermischten Freude.

(Schweigen)

Möchtest du etwas Konzentration haben?

(Mutter geht in sich)

***

9. Oktober 1971

Hast du deinen Brief abgeschickt an ... wie heißt er? In Frankreich ...

Mein Brief ... An Malraux, meinst du? Ja, ja, ich habe ihn abgeschickt.

Durch wen?

Direkt an seine Adresse in Paris.

Eingeschrieben?

Nein, liebe Mutter.

Die Post funktioniert heute so schlecht ... Hast du eine Kopie aufbewahrt?

(Mutter geht für 25 Minuten in sich)

Hast du eine Frage?

Ich glaube, ich habe das innere Wesen Malrauxs gesehen.

Sieh an!

Ja, in der Nacht vor dem Tag, an dem ich seine Karte erhielt, sah ich ein Wesen in goldenen Kleidern, ganz golden, und er trug sogar einen goldenen Turban. Er kam zu mir und bot mir etwas auf einem Tablett an ... Aber die Bekleidung war sehr wichtig [[Das war sehr verblüffend: Die Kleider hatten die höchste Wichtigkeit. Die literarische Bekleidung wahrscheinlich. ]] .

(Mutter lacht sehr)

Aber er war schön ... mit einem Turban!

Es ist seine Absicht, nach Indien zu kommen.

Vielleicht hatte er ein früheres Leben in Indien?

(Mutter geht in sich)

***

13. Oktober 1971

(Mutter reicht Satprem eine ungewöhnliche "Transformationsblüte".)

Neun Blütenblätter ... Das ist die neue Schöpfung - die Transformation für die neue Schöpfung.

Gut!

Was bringst du?

Oh, nichts Interessantes ... Ich stehe etwas unter dem Druck materieller Probleme.

Oh, ja ...

Hast du nichts zu fragen, nichts zu sagen?

Was sagst du denn, liebe Mutter?

Ich?

(Mutter geht für eine halbe Stunde in sich)

Sagst du nichts?

Nein, nichts zu sagen.

Nähert sich etwas?

(nach einem Schweigen)

Kennst du die Geschichte vom neuen Mond?... Man hat einen neuen Mond entdeckt. [[Ein neu entdeckter Asteroid namens Toro. Obwohl er die Sonne umkreist, nähert er sich der Erde in einem Zyklus von acht Jahren bis auf ca. 15 Millionen Kilometer. Seine nächste Passage nahe der Erde ist für August 1972 vorgesehen. ]]

Ja, einen ganz kleinen. Bedeutet das etwas?

Man sagt, es sei die supramentale Schöpfung.

Sieh an!

Und daß sie sich der Erde nähert.

Und was dann?

Wenn er darauf fällt ...

Ganz klein - was bedeutet das? Kleiner als die Erde?

Ja, ich glaube, er hat einen Durchmesser von einer Meile.

Das ist ganz klein.

Anscheinend nähert er sich der Erde alle acht Jahre ... Aber was hat das mit dem Supramental zu tun?

Ich weiß nicht! (Mutter lacht) Keine Ahnung. Eine Meile ..., dann kann er irgendwohin fallen ...

Ja, das gibt eine Beule ... Aber man hat den Eindruck, daß all das aufgerüttelt werden muß, oder?

(Mutter macht eine Geste des Nichtwissens)

Du bist nicht fürs Aufrütteln?

(Die gleiche Geste mit einem Lächeln) Als man mir das sagte, hatte ich den Eindruck, daß es sich mit der Erde verbinden würde ... Aber das gäbe eine Katastrophe, oder?

Vielleicht keine so große. aber es würde sicherlich eine ziemliche Erschütterung bewirken.

Es sei denn, er würde den Nordpol wählen oder ...

Würde das den Angelegenheiten der Erde helfen?

(negative Geste)

Du magst es nicht, wenn die Dinge zu sehr aufgerüttelt werden.

(gleiche Geste, Schweigen)

Ich habe immer mehr den Eindruck, daß wir nichts wissen, daß wir nichts können, daß wir ... Wir sind wirklich ... (machtlose Geste) - wir wissen nichts. All unser angebliches Wissen ist ...

Wir kennen nicht einmal unsere eigene Bestimmung.

Ja.

Das ist beklagenswert.

(Schweigen)

Und materiell, im materiellen Leben hat man den Eindruck, in eine Situation verwickelt zu sein, wo alle Lösungen falsch sind.

Ja, ja, genau.

Im praktischen Leben weiß man nicht, was man tun soll ... Man kann sich in alle Richtungen wenden, und alles ist falsch.

Ja, alles ist falsch.

Was sollen denn diejenigen, die für die Wahrheit leben wollen, konkret tun? Wir sind in einer Welt der Falschheit - in uns und um uns herum -, und wenn wir in die Umstände eingreifen wollen, um sie zu berichtigen, werden wir noch mehr in den Knoten verwickelt. Soll man sich einfach zurückziehen und es geschehen lassen, oder was?

Ich verhalte mich immer mehr so (Geste der Verinnerlichung). Ich spreche immer weniger, denn alles, was man sagt, ist falsch.

(Schweigen)

Zum Beispiel sage ich "das Göttliche" - was ist das, das Göttliche? Ich weiß es selber nicht - auch kann ich nicht sagen, daß ich es nicht wüßte. Und selbst das zu sagen, ist falsch - es ist nicht das. Alles ist nicht DAS. Es ist nicht das.

Selbst das materielle Leben ist so. Beim Essen zum Beispiel: Entsprechend einer gewissen Haltung ... (ist es eine Haltung? ich weiß es nicht, denn das Bewußtsein ist dasselbe), jedenfalls kann DIESELBE Sache entweder absolut ungenießbar und unmöglich zu schlucken sein oder vollkommen gut ... Die materiellen Umstände selbst, die gleichen Umstände, können vollkommen unheilvolle und schwerwiegende Konsequenzen haben, oder ganz und gar wohltuende, entsprechend ... Wovon hängt dies ab? Das ist es. Denn das Bewußtsein ist scheinbar dasselbe, man weiß nicht, was die Änderung hervorruft ... Das heißt, daß das ganz materielle Leben irreal ist. Du sagst, man muß sich schlagen, aber sich schlagen mit was? - Alles ist ein Trugbild. Wir wissen nicht, was es ist, wir wissen nicht, was wirklich ist. Wovon hängt es ab?

Da gibt es etwas zu entdecken.

Manchmal wird der Körper von unerträglichen Schmerzen erfaßt, die einen aufschreien lassen - und eine Minute später ist alles vollkommen gut. Und die physischen Bedingungen sind DIESELBEN, das Bewußtsein ist DASSELBE ... Wovon hängt das ab?...

Du siehst (Mutter nimmt plötzlich ihre Stirn, als ob sie leide oder in eine Unmöglichkeit geraten sei), es ist besser, nicht zu sprechen.

(langes Schweigen)

Etwas ... Etwas ... [[Diese letzten Worte wurden in einem so bewegenden Ton gesagt, als sei es zugleich eine Invokation, ein Schmerz, ein Gebet ... ]]

***

16. Oktober 1971

Was gibt's Neues?

Hier habe ich etwas ... Vor einiger Zeit erhielt ich einen Brief von einem Herrn, der mit Théon [[Benharoche-Baralia, der nicht direkt mit Théon gearbeitet hat, aber später Mitglied der "Kosmischen Gruppen" war. ]] gearbeitet hatte.

Ach!

Er bittet um Neuigkeiten von dir und fragt, ob du immer noch auf dieser Welt seiest. Dann schrieb er ein Buch über die "Kosmische Tradition". Er wollte dir ein Exemplar des Buches widmen, als Zeichen seiner "ehrerbietigen Bewunderung". Er schickte das Buch mit Luftpost. Hier ist es, es hat den Titel "À l'ombre de la Tradition Cosmique" [Im Schatten der Kosmischen Tradition].

(Mutter lacht) Hast du es gelesen?

Ich habe es nicht gelesen, aber angesehen.

(Lachend) Es ist sehr phantasievoll!

Er erwähnt dich im Vorwort und sagt: "Die Kosmische Philosophie ist eine Ausstrahlung, die über die Grenzen der Kosmischen Gruppen in Frankreich hinausgegangen ist. Man wird dies verstehen, wenn man bedenkt, daß zum Beispiel die verehrte Mutter vom Ashram in Pondicherry, die Mitarbeiterin Sri Aurobindos, Max Théons Schülerin in Tlemcen war ..." Das ist alles, was er über dich sagt.

Ich habe dir die Geschichte erzählt. Es geschahen erstaunliche Dinge ... Ich habe dir gesagt, daß ich sah, wie er einen Blitz abwendete?

Ja, ja.

Ich SAH es (Mutter berührt ihre Augen). Ich träumte nicht: ich SAH es. Wie hat er das angestellt? Ich weiß es nicht.

Ist er nicht mehr hier? Hat er seinen Körper verlassen?

Oh, ja! Vor langer Zeit. Er ist sicherlich gestorben, bevor ich hierher kam. Vor langer Zeit.

Wird das in dem Buch nicht erwähnt?

Nein, er spricht nicht darüber - nun, ich habe das Buch nicht gelesen, aber im Vorwort spricht er nicht darüber.

Die kosmische Tradition ist sehr phantasievoll, aber trotzdem steckt etwas darin ... Du könntest es ansehen, wenn du Zeit hast.

Ja, liebe Mutter.

Du kannst im Vorwort nachsehen, ob er darüber spricht, wann Théon gestorben ist.

Nein, das Vorwort habe ich gelesen, und Théons Tod wird nicht erwähnt. Er sagt: "Der orientalische Weise, Max Théon", das ist alles.

Er war ... Ich weiß nicht, ob er Russe oder Pole war.

Aber all diese Macht, die er über die materiellen Dinge hatte, wäre das materiell von keinerlei Nutzen?

Von keinerlei Nutzen - KEINERLEI Nutzen.

Er gab mir allerdings eine gute Ausbildung im Okkultismus. Damals war ich wirklich sehr bewandert ... (Lachend). Ich vollbrachte selber eine Anzahl Wunder, aber ich maß dem weder Wert noch Wichtigkeit bei.

Und zum Beispiel diese Macht, die Madame Théon hatte, die Vitalkraft direkt aufzunehmen usw. - erinnerst du dich, als sie sich eine Pampelmuse auf die Brust legte?...

Ja, ja.

Solcherlei Dinge wären auch nicht nützlich?

Das ja. Das könnte nützlich sein ... Aber Théon konnte sie nicht einmal beschützen! - Sie verlor ein Auge während einer solchen Erfahrung (ich erinnere mich nicht mehr an die Details).

Ja, eine tiefere Änderung ist erforderlich.

Oh, ja!

(Schweigen)

Sollen wir ihm etwas antworten?

Ja, nach dem, was ich gesehen habe, scheint er ein guter Mann zu sein. Er ist ein Schwerverwundeter aus dem Ersten Weltkrieg. Er schreibt dir eine Widmung und stellt eine Frage. Er bittet um eine Antwort. Hier, was er sagt:

"An die Mutter, die ideelle Begründerin des göttlichen und spirituellen Universalismus ..."

Was? Ich verstehe nicht.

Er sagt: "An die ideelle Begründerin (das bist du, die Begründerin ...) als Zeichen der Bewunderung und Anerkennung, die respektvolle Verehrung des Autors, der glücklich wäre, einen von ihrer Hand geschriebenen Ratschlag zu erhalten, die psychomentale Technik betreffend, deren Praktik dem Gehirn die Meisterung und Autorität über die neurophysiologischen Funktionen gäbe, um die Schmerzempfindung und das physisch-nervöse Leiden zu besiegen."

Oh ... Seltsamerweise habe ich jetzt genau diese Erfahrungen. Das ist bemerkenswert. Genau das wollte ich dir heute erzählen.

Der Körper ist in einem Zustand, wo er sieht, daß alles lediglich davon abhängt ..., wie er mit dem Göttlichen verbunden ist - von seinem Zustand aufnahmebereiter Hingabe. Diese Erfahrung hatte ich erneut in den letzten Tagen. Ich sagte dir das schon letztes Mal, aber jetzt kam die Erfahrung auf sehr präzise Weise: Die gleiche Sache, die mehr als nur Unbequemlichkeiten verursacht (ein Leiden, ein fast unerträgliches Unbehagen), verschwindet mit einem Schlag durch eine kleine Änderung der Aufnahmefähigkeit dem Göttlichen gegenüber - und dies kann sogar in einen glückseligen Zustand übergehen. Diese Erfahrung hatte ich mehrere Male. Für mich geht es dabei nur um eine gewisse Aufrichtigkeit, wie eine Intensität ... im Bewußtsein, daß alles die Aktion des Göttlichen ist und daß seine Aktion unter den gegebenen Umständen auf die schnellstmögliche Verwirklichung hin zustrebt. So etwas ähnliches.

Wie lautet seine Frage?

Ich kann mir vorstellen, daß dieser Mann Schmerzen hat. Er bittet um Rat:

"Die psychomentale Technik, deren Anwendung dem "Hirnzentrum" der psychologischen Fähigkeiten die Meisterung und die Autorität über das "Hirnzentrum" der neurophysiologischen Funktionen geben würde, um die Schmerzempfindung und das physisch-nervöse Leiden zu überwinden."

(nach einem Schweigen)

Ich könnte sagen: Die Körperzellen müssen lernen, ihre Unterstützung NUR im Göttlichen zu finden, bis sie schließlich fühlen können, daß sie der Ausdruck des Göttlichen sind. Ist das verständlich?

Ja, liebe Mutter, das ist völlig klar.

Tatsächlich habe ich jetzt genau diese Erfahrung. Die Erfahrung (wie ich sagte), die Auswirkung der Dinge zu ändern, habe ich; aber es ist nicht mentalisiert, so kann ich keine Worte darüber machen. Die Zellen können wirklich fühlen, daß sie ganz vom Göttlichen geleitet werden (das drückt sich aus durch: Was Du willst, was Du willst ... dieser Zustand), und dann eine Art Empfänglichkeit ... (wie soll ich sagen?) nicht bewegungslos, sondern ... Wahrscheinlich würde man es eine PASSIVE Aufnahmefähigkeit nennen (Mutter öffnet die Hände mit einem Lächeln). Aber ich kann es nicht erklären.

(Mutter schließt die Augen mit einem Lächeln)

Alle Worte sind falsch, aber man könnte sagen: "Du allein existierst" - die Zellen fühlen: "Du allein existierst." In der Art. Aber all diese Worte verhärten die Erfahrung. Es ist eine Art Formbarkeit oder Geschmeidigkeit (eine sehr vertrauensvolle Geschmeidigkeit): Was Du willst, was Du willst ...

(Schweigen)

Könntest du eine Antwort für diesen Mann zusammenstellen?

Ja, sicherlich, liebe Mutter. Willst du ihm ein "Segenspäckchen" als Unterstützung zu deinen Kommentaren schicken?

(Mutter gibt ein Briefchen mit Rosenblüten)

Weißt du, das "Kosmische" hatte eine sehr interessante Auswirkung in meinem Leben. Ich war völlig gegen "Gott": der europäische Begriff von Gott war mir völlig zuwider. Gleichzeitig hinderte mich das natürlich daran, irgendeine Erfahrung zu haben. Und mit der "kosmischen Lehre" des inneren Gottes (das war die Lehre Théons: der innere Gott - Mutter berührt ihre Brust - derjenige, der in jedem ist), brfft! (Geste einstürzender Mauern) Die Erfahrung war überwältigend. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Dies war das Mittel: ich folgte seiner Anweisung, suchte im Inneren des Wesens und fand es hinter dem Solar Plexus. So fand ich es, ich hatte eine Erfahrung ... eine absolut überzeugende Erfahrung.

Manche Leute werden allerdings irgendeine vitale Kraft finden und glauben, dies sei die Seele, deshalb ... Man muß SEHR aufrichtig sein, das ist die absolute Bedingung. Man muß SEHR aufrichtig sein, SEHR aufrichtig - es steht nicht nur außer Frage, andere zu täuschen, sondern man darf sich auch selbst nicht täuschen, man muß SEHR aufrichtig sein. Dann findet man. Man findet - das ist eine absolut konkrete Erfahrung.

Diese Erfahrung hatte ich, bevor ich hierher kam, bevor ich Sri Aurobindo traf. So waren gleichsam Dreiviertel der Arbeit bereits geleistet ... Ich hatte kein mentales Wissen (mein mentales Wissen war nicht außergewöhnlich), aber es ist nutzlos für die Erfahrung. Wenn man aufrichtig ist, hat man die Erfahrung, ohne zu denken, man BRAUCHT NICHT zu denken. Aber man muß aufrichtig sein.

Genau das erfährt mein Körper jetzt, diese Erfahrung hat er. Nur sind Worte ...

Bei einer gewissen Haltung ... Das ist schwer zu erklären: Mit einer gewissen Haltung wird alles göttlich. Alles. Und das Wunderbare dabei ist: Wenn man diese Erfahrung hat, daß alles göttlich wird, dann verschwindet alles Gegensätzliche wie von selbst (den Dingen entsprechend: schnell oder langsam, sofort oder allmählich).

Das ist wunderbar. Das heißt: Sich bewußt zu werden, daß alles göttlich ist, ist das beste Mittel, alles göttlich werden zu lassen - die Gegensätze auszulöschen.

(Mutter geht in sich)

Wann hast du das Buch erhalten?

Es kam gestern.

Ach!...

(Schweigen)

Man könnte sagen, die Heilung aller physischen Störungen ist, daß die Zellen überzeugt werden - bewußt und überzeugt -, daß sie der Ausdruck des Göttlichen sind oder daß sie in ihrer Essenz sogar göttlich sind.

Gerade in der Nacht von gestern auf heute blieb ich stundenlang ... (jetzt schlafe ich sehr wenig) in einer Art Zustand, der weder Schlaf noch Tätigkeit ist, der recht neu ist, und in diesem Zustand hatte der Körper das Bewußtsein, daß er nichts ist, nichts weiß, nichts vermag, daß er ... fast eine Art totaler Nichtigkeit ist. Das hatte er während mehrerer Stunden. Langsam änderte es sich ... es wurde ... etwas wie eine Empfindung (keine gewöhnliche Empfindung, aber etwas wie eine Empfindung); das "Nichts" - das Nichts, die totale Nichtigkeit - begann zu fühlen, daß sie nur DURCH das Göttliche existiert und dann stufenweise FÜR das Göttliche, und dann ... trat eine Art Friede ein ... (Mutter schließt die Augen mit einem Lächeln), ein Friede ... (dann öffnet sie die Augen weit) allmächtig.

Alles Schmerzhafte verschwand.

Friedvoll ...

Allerdings hat der Körper [von Mutter] einen Vorteil im Leben: er wurde so gebaut und entwickelt, daß er keine angenehmen Empfindungen sucht. Er sucht kein (wie soll ich sagen?), ja, keinerlei Empfindung von Genuß, diese Dinge sind ihm völlig gleichgültig - spontan. Er unternahm keinerlei Anstrengungen, die Begierden zu überwinden, diese Dinge waren ihm immer egal. Er protestierte nur gegen das Leiden, und das verschwand völlig.

Ich glaube, das körperliche Ego ist jetzt dabei zu verschwinden. Dann wird es vollkommen gut sein.

Es ist wirklich völlig spontan - spontan und aufrichtig: Du, Du, Du ... Was Du willst, was Du willst ... was Du willst.

***

20. Oktober 1971

(Mutter beginnt mit der Übersetzung ins Französische eines Textes von Sri Aurobindo, den sie am 24. November verteilen will.)

Man muß sich ganz auf das Göttliche verlassen und dennoch eine befähigende Sadhana betreiben - das Göttliche gibt die Frucht nicht im Maße der Sadhana sondern im Maße der Aufrichtigkeit der Seele und ihres Strebens. Auch ist es nicht dienlich, sich zu sorgen: "Ich werde dies sein, ich werde jenes sein, was werde ich sein?" Sage: "Ich bin bereit, nicht so zu sein, wie ich möchte, sondern so, wie das Göttliche mich will", - alles Übrige sollte darauf basieren.

13. April 1935

Sri Aurobindo

Letters on Yoga, XXIII.582

Man fand Briefe - alte Briefe - von Sri Aurobindo an Barin und den Advokaten [[C.R. Das, der Advokat Sri Aurobindos zur Zeit des "Bombenfalles von Alipore". Es handelt sich um drei Briefe, einer an C.R. Das vom 18.11.1922 und zwei andere an Barin, den jüngeren Bruder Sri Aurobindos, vom 18.11.1922 und vom 1.12.1922. Die Briefe werden im Addendum wiedergegeben. ]] - außerordentliche Briefe. Sie geben das Ausmaß von Sri Aurobindo als Mann der Tat wieder. 1920 hatte er noch die Absicht, eine Aktion zu starten: Zentren in ganz Indien und in der Welt einzurichten, oh!... ein Plan ... Das war vor der Unabhängigkeit des Landes.

Er sagt, daß er sich völlig zurückzog, um seinen Yoga zu finden, daß er aber handeln werde, sobald er ihn gefunden habe [[Selbst 1928, als Tagore nach Pondicherry kam, um Sri Aurobindo zu besuchen, bekräftigte letzterer seine Absicht, Pondicherry zu verlassen und sich in eine äußere Aktion zu stürzen. Wahrscheinlich erkannte Sri Aurobindo im Verlaufe des weiteren Weges ..., was auch Mutter entdeckte. ]] ...

***

(Etwas später unterzeichnet Mutter den Vertrag für die erste deutsche Ausgabe von La Genèse du Surhomme.)

Und ins Russische?

(Schweigen)

Am 30. ist dein Geburtstag ...

Du mußt zugeben, daß es seltsam ist, daß dieses Buch in Deutschland erscheint, bevor es in Frankreich veröffentlicht wird.

Das Buch?

Ja, es wird in Deutschland erscheinen, aber in Frankreich wird es nicht veröffentlicht. Niemand will es. Ich finde das ziemlich ...

Weil sich niemand darum kümmert.

Dort, wo man es versuchte, wurde es jedenfalls abgelehnt.

Hast du Ms Übersetzung gesehen [eine neue englische Übersetzung]?

Ja, Teile. Viele Abschnitte sind sehr schön.

Ach!

Ich glaube, insgesamt wird es sehr wirksam sein - aber nicht alles wurde verstanden.

Ach?

Nein, aber letztlich ist das unwichtig. Das, was sie verstanden hat und was hindurchgedrungen ist, kommt kraftvoll und gut rüber. Viele Tiefen wurden ausgelassen. Aber man kann es nicht anders machen. Ihr Verdienst ist, daß das, was sie verstanden hat, kraftvoll und manchmal sogar schön durchgedrungen ist ... Ich habe ihr gesagt, daß ich sehr zufrieden bin. Und tatsächlich bin ich zufrieden, denn es genügt, es ist wirksam.

Ich sprach mit ihr über die Veröffentlichung. Sie sagte mir, daß es für sie in Amerika leichter sei als in England, aber sie will es versuchen.

Wir werden sehen.

***

Addendum

(Brief Sri Aurobindos an C.R. Das,
seinen Advokaten im Alipore-Bombenprozeß:)

18. November 1922

Lieber Chitta!

Es ist lange her, fast zwei Jahre, denke ich, seitdem ich irgend jemandem einen Brief geschrieben habe. Ich war so sehr zurückgezogen und von meiner Sadhana in Anspruch genommen, daß der Kontakt mit der Außenwelt bis vor kurzem auf ein Minimum reduziert war.

... Ich wurde in einer Wahrnehmung bestätigt, die ich immer hatte, vorher weniger klar und dynamisch, die jetzt aber immer offensichtlicher für mich wurde, und zwar, daß die wahre Basis für die Arbeit und das Leben spirituell ist - das bedeutet ein neues Bewußtsein, das nur durch Yoga entwickelt werden kann. Ich sehe immer deutlicher, daß der Mensch niemals aus dem nichtigen Kreislauf herauskommen kann, den die Rasse stets durchläuft, wenn er sich nicht zu der neuen Grundlage emporhebt. Ich glaube auch, daß es Indiens Mission ist, diesen großen Sieg für die Welt zu erringen. Aber was genau ist die Beschaffenheit dieser dynamischen Kraft dieses größeren Bewußtseins? Was ist die Bedingung ihrer wirksamen Wahrheit? Wie kann sie herabgebracht, mobilisiert, organisiert, auf das Leben angewandt werden? Wie können unsere gegenwärtigen Instrumente - Intellekt, Gemüt, Leben, Körper - wahre und vollkommene Kanäle für diese große Transformation werden? Das war das Problem, das ich in meiner eigenen Erfahrung auszuarbeiten versuchte, und jetzt habe ich eine sichere Basis, ein weites Wissen und einige Meisterschaft dieses Geheimnisses. Noch nicht seine Fülle und vollständige zwingende Gegenwart - deshalb muß ich noch in Zurückgezogenheit bleiben. Denn ich bin entschlossen, erst dann im äußeren Feld zu arbeiten, wenn ich im sicheren und vollen Besitz dieser neuen Kraft der Handlung bin - nichts zu bauen, bis es auf einem vollkommenen Fundament stehen kann.

Dennoch bin ich weit genug gegangen, um fähig zu sein, eine Arbeit in größerem Maßstab als vorher auf mich zu nehmen - die Schulung von anderen, um diese Sadhana zu empfangen und sich selbst vorzubereiten, wie ich es tat, denn ohne das kann meine zukünftige Arbeit nicht einmal begonnen werden. Es gibt viele, die wünschen, hierher zu kommen, und die ich für diesen Zweck aufnehmen kann, und eine größere Anzahl kann auf Distanz unterrichtet werden; aber ich kann nicht weitermachen ohne genügende Mittel, um dieses Zentrum hier und wenigstens ein oder zwei außerhalb zu unterhalten. Ich brauche deshalb viel größere Mittel als jene, über die ich gegenwärtig verfüge. Ich dachte, daß du durch deine Empfehlung und deinen Einfluß Barin helfen könntest, sie für mich zu sammeln ...

Dein

Aurobindo

On Himself, XXVI.436

***

(Zwei Briefe Sri Aurobindos an seinen jüngeren Bruder Barin:)

18. November 1922

Lieber Barin,

... Ich war bis jetzt und werde noch für einige Zeit in der Ausübung eines Yoga zurückgezogen sein, der dazu bestimmt ist, die Grundlage zu sein - nicht für eine Zurückgezogenheit vom Leben, sondern für die Transformation des menschlichen Lebens. Es ist ein Yoga, in dem weite, noch nie versuchte Gebiete innerer Erfahrung und neue Wege der Sadhana geöffnet werden mußten und der deshalb Zurückgezogenheit und viel Zeit für seine Vervollständigung verlangte. Aber die Zeit rückt näher, obwohl sie noch nicht gekommen ist, wo ich ein großes äußeres Werk auf mich nehmen muß, ausgehend von der spirituellen Basis dieses Yoga.

Es ist deshalb notwendig, eine Anzahl von Zentren für die Ausbildung in dieser Sadhana einzurichten - kleine und wenige am Anfang, aber sich vergrößernd und anwachsend, wenn ich fortfahre ... Das erste, das ins Britische Indien verlegt werden wird, wenn ich dorthin gehe, besteht schon in Pondicherry, aber ich benötige Mittel, sowohl, um es zu unterhalten, und auch, um es zu vergrößern ...

Viel mehr Leute wünschen und sind geeignet, diese Sadhana auf sich zu nehmen, als ich gegenwärtig empfangen kann, und nur, wenn mir große Mittel zur Verfügung gestellt werden, kann ich dieses Werk fortführen, das als Vorbereitung für meine Rückkehr zur Aktion nötig ist ...

Aurobindo Ghose

On Himself, XXVI.435

***

1. Dezember 1922

Lieber Barin,

... Ich muß jetzt den Grund klar machen, warum ich bei der Gutheißung der Veröffentlichung [gewisser Texte] zögerte. ... Aber jener über die Nicht-Zusammenarbeit würde, denke ich, zu einem völligen Mißverständnis meiner wirklichen Einstellung führen. Einige würden es dahingehend verstehen, daß ich das Gandhi-Programm annehme ... Wie du weißt, glaube ich nicht, daß das Prinzip des Mahatma die wahre Grundlage oder sein Programm das richtige Mittel sein kann, um die wahre Freiheit und Größe Indiens zu verwirklichen ... Meine eigene Politik, wenn ich ins Feld träte, würde ein radikal anderes Prinzip und Programm beinhalten ... Aber das Land ist noch nicht bereit, dieses Prinzip zu verstehen oder sein Programm auszuführen.

Da ich dies sehr wohl weiß, begnüge ich mich damit, weiterhin auf der spirituellen und seelischen Ebene zu arbeiten, um dort die Ideen und Kräfte vorzubereiten, die sich nachher, im richtigen Augenblick und unter den richtigen Bedingungen in das vitale und materielle Feld stürzen mögen. Ich habe Sorge getragen, keine öffentlichen Ankündigungen zu machen, weil sich das ungünstig auf meine Möglichkeiten für zukünftige Handlungen auswirken könnte. Was jene sein werden, wird von der Entwicklung abhängen. Der gegenwärtige Trend der Politik mag in fruchtloser Unrast enden, oder er mag mit Hilfe äußerer Umstände auch in eine Art Pseudo-Selbstregierung münden. In jedem Fall wird die ganze wirkliche Arbeit noch zu tun sein. In beiden Fällen möchte ich mich für diese Arbeit freihalten ...

Aurobindo

On Himself, XXVI.438

***

23. Oktober 1971

(Satprem liest Mutter einen Brief von G vor,
der mit folgender Frage endet:)

Stellt er eine Frage?

Ja, am Schluß sagt er: "Mutter, welche Art Änderung kann im Leben eintreten, wenn man einfach Dein Wille und nichts anderes wird?"

(nach einem Schweigen)

Höchster Friede, Gewißheit und sogar das Funktionieren des Körpers kann sich ändern.

(Satprem hat schlecht verstanden:) Du sagtest: Der höchste Friede ...

Der höchste Frieden stellt sich ein und wird beständig, und ...

Die Funktion des Körpers kann sich ändern.

Und gleichzeitig Gewißheit in der Handlung. Wenn man Dinge tut: die Sicherheit im Handeln.

Ist das alles?

Es ist schwierig zu wissen ... Man hat den Eindruck, daß da ein Schweigen ist, daß nichts antwortet - daß nichts einem sagt: "Tue dies, tue jenes!" Dann fragt man sich, ob das Schweigen bedeutet, daß man einfach in Untätigkeit und Unbewegtheit verharren soll, oder ob man eine positive Handlung ausführen, an etwas "ziehen" und handeln soll.

Das hängt vom Fall ab. Da besteht ein kleiner Unterschied ... In manchen Fällen kommt nichts - nichts, alles steht still. Dann muß man eben warten, bis das vorbeigeht. In gewissen Fällen wird man jedoch NATÜRLICH dazu geführt, die eine oder andere Sache zu tun, die völlig gleichgültig erscheint, aber Teil der Aktion ist (ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll). Ich hatte beide Erfahrungen. Das hängt vom Fall ab. In manchen Fällen ist nichts nötig. In manchen Fällen ist es einfach so, als ob man das Göttliche auf die Sache richtet (Mutter macht eine Geste, einen Strahl auf etwas zu lenken). Man ist wie ... kein Vermittler, ich weiß nicht ... Es ist wie eine Macht der Konzentration auf etwas, die göttliche Kraft geht hindurch und konzentriert sich (dieselbe Geste eines ausgerichteten Strahls); man selbst tut nichts, doch die Sache wird getan. Manchmal hat man ein Wort zu sagen, dann kommt das Wort, oder wenn etwas zu tun ist (das kann wie eine winzige, gleichgültige Sache erscheinen), dann muß man es nur ruhig ausführen - man wird dazu GEBRACHT, es zu tun.

Ja, man wird dahin geführt ...

(Schweigen,
ein Wolkenbruch geht nieder)

Meine persönliche Sorge ist, daß ich zwischen zwei Haltungen geteilt bin, entweder die, einzugreifen, oder aber die Vorstellung, daß, wenn wirklich etwas zu tun ist, mich das Göttliche dies zwingend tun läßt. Man fragt sich eben, ob es Untätigkeit, Passivität [oder gar Schläfrigkeit] ist, oder ob man eingreifen muß - das ist die Frage.

Nein, ab einem gewissen Punkt wird das klar. Alles hängt davon ab ... Die Vorlieben und persönlichen Wünsche müssen verschwinden.

Ja, so ist es.

Dann wird es sehr klar. In manchen Fällen ist man gleichsam GEZWUNGEN, etwas zu tun. In anderen Fällen ... nichts - man fühlt die Kraft hindurchgehen und handeln, aber man selbst (das heißt der Körper) rührt sich nicht. Das wird sehr deutlich wahrnehmbar. Ich habe Beweise, daß dies stimmt, denn ich erlebte Beispiele: Einige Male, wenn ich einfach reglos blieb, ohne etwas zu sagen, einfach die Kraft sich durch den Körper auf jemanden oder etwas (gleiche Geste eines ausgerichteten Strahls) konzentrieren ließ, dann tat sie es und handelte auf wunderbare Weise. Der Körper hat nichts getan, hat sich nicht gerührt - er hat sie lediglich hindurchgelassen und sich auf einen Ort (gleiche Geste) konzentrieren lassen. Sie konzentriert sich automatisch. Denn nur in unserem Bewußtsein ist die Welt so geteilt (Geste wie in kleine Stücke), und die Vorstellung, daß da eine Person, eine andere Person, eine Sache, eine andere Sache ist, besteht nur in unserem Bewußtsein; man bedient sich dessen [der Individualität] wie eines Kanals, damit die Kraft genau dorthin geht, wohin sie soll. Die Aktion ist keine persönliche Handlung: Es ist die Aktion der Kraft, die sich des persönlichen Bewußtseins wie eines Rohrs bedient - verstehst du?

Es ist sehr schwierig zu sagen, daß man keine Vorlieben und Begierden mehr hat ...

(Mutter lacht)

Denn sie sind so subtil!

Oh!... aber das geschieht fortschreitend, man kann ständig, ständig daran arbeiten ... Es ist eine ständige Beschäftigung: alle Vorlieben zu beseitigen. Das positive Mittel besteht darin ... Man kommt immer auf dasselbe zurück: "Was Du willst, was Du willst ... Was Du willst, was Du willst ..." Wenn man völlig reglos und ohne Unrast ist (was ich als "empfängliche Passivität" bezeichne, so daß keine Aktivität mehr besteht und dennoch: Was Du willst; was Du willst ...), dann handelt Das. Man hat wirklich das Gefühl ... (ich kann es nicht ausdrücken) das Gefühl, daß man nur als Kanal dient, damit die Sache genau dahin gehen kann - die Kraft oder die Aktion -, genau dorthin, wohin sie soll. Dazu dient unser Bewußtsein (Geste eines Rohres).

***

27. Oktober 1971

Was hast du zu sagen?

Es gibt ein praktisches Problem ...

(Mutter gibt eine Transformationsblüte)

Mehr habe ich nicht.

Sie ist sehr schön!... Ein praktisches Problem betreffend die Sri Aurobindo-Statue in Kalkutta. Du weißt, daß die bengalische Regierung beschlossen hatte [[Durch einen Beschluß vom 26. Juni 1971. ]] , die Sri Aurobindo-Statue anstatt der von Lord Curzon zu errichten - ausgerechnet jener, der die Teilung Bengalens wollte, und Sri Aurobindo hatte versucht, dies zu verhindern. So würde man, anstatt von Lord Curzon die Statue Sri Aurobindos gegenüber des "Victoria Memorial" aufstellen, am Eingang von Kalkutta. Dies war im Prinzip entschieden worden. Dann wurde die bengalische Regierung gestürzt, und ihr Beschluß war nicht verbindlich festgelegt worden, so daß jetzt alles in der Schwebe ist. Um nun die Sache wieder in Gang zu bringen, müssen die Leute vom "Pathmandir" [[Ein Zentrum des Ashrams in Kalkutta. ]] in Kalkutta etwas unternehmen. Aber die Leute vom Pathmandir haben eine andere Idee. Vor einiger Zeit haben sie Sri Aurobindos Geburtshaus in Kalkutta gekauft ...

Ach!

Sie schlagen vor, anstatt Sri Aurobindos Statue auf einer öffentlichen Straße zu errichten, sie in seinem Geburtshaus aufzustellen.

Wird es denn offen sein?

Nein, sie wird im Haus sein.

Dann wird sie aber niemand sehen!

Genau das denke ich auch. Aber sie sagen (ihr Argument): Wenn man sie im Haus aufstellt, wird sie geschützt sein - die Raben werden sie nicht beschmutzen, und die Studenten werden ihr nicht den Kopf abschlagen.

Sind die Studenten Bengalens gegen Sri Aurobindo?

Nein, nein! Aber es kam z.B. vor, daß sie eine Gandhi-Statue enthaupteten.

(Mit einem Lächeln) Oh!

Für Sri Aurobindo selbst ist es besser im Haus - es entspricht mehr seinem Temperament und Charakter. Für die Leute ist es draußen besser.

Ja, sicherlich. Eine Statue ist für die Öffentlichkeit gebaut, damit das Bildnis vor aller Augen ist.

Ja, aber sie sind imstande, sie zu beschädigen oder zu ... Das muß um jeden Preis vermieden werden ... Ich weiß nicht, sie sind verrückt dort - sie sind überall verrückt. Auch hier sind sie verrückt.

Hier auch: Das ist auch hierher gekommen - die gleiche Idee ... zu töten, zu zerstören ... Überall. Als sei die ganze vitale Welt auf die Erde herabgekommen (Geste einer erdrückenden Masse).

Ich möchte nicht, daß der Statue etwas zustößt.

Ja, aber für mein Gefühl verliert sie ihren Sinn, wenn sie der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist. Wenn sie angefertigt wird, um in einem Haus aufgestellt zu werden, verliert sie ihren Sinn.

Offensichtlich.

Es wäre sinnvoll, Sri Aurobindo gegenüber des Victoria Memorial aufzustellen, anstatt des englischen Mannes, der Bengalen teilen wollte - das macht Sinn.

Das ist offensichtlich. Aber die Inder müßten sich ordentlich benehmen.

Die Leute vom Pathmandir werden auf alle Fälle tun, was du sagst.

Das beste ist, zwei Statuen zu haben: eine in der Öffentlichkeit und eine im Haus.

Gut.

Das wäre bei weitem das beste.

Ich werde es ihnen sagen.

Und es muß nicht unbedingt dieselbe sein. Eine kann z.B. sitzend sein und die andere stehend. Die auf der Straße stehend und die im Haus sitzend. So wäre es sehr gut. Denn im Haus muß niemand um Erlaubnis gefragt werden. Ich hoffe, die auf der Straße ist stehend?

Ich glaube, du hattest ein Foto von Sri Aurobindo ausgewählt, wo er in die Zukunft blickt. Ich glaube, es ist das Foto des holländischen Malers.

Ja, das ist es. Ich möchte, daß er bei der Statue auf der Straße steht [[Die Bronzestatue wurde vom Bildhauer Hrishikesh Dasgupta geschaffen und am 16. August 1975 vom indischen Vizepräsidenten B.D. Jatti eingeweiht. ]] und im Haus vor dem Tisch sitzt.

An einem Tisch?

Oder einfach sitzend.

So wäre es gut.

(Schweigen)

Wenn der Statue auf der Straße etwas zustößt, wäre dies ein Symbol für den Zusammenbruch Bengalens. Das ist alles. Das wäre Pech für sie.

Aber ich möchte gerade, daß seine Aktion nicht davon abhängt. Wenn er im Haus sitzt, geht seine Aktion weiter - selbst wenn man seine Statue [auf der Straße] zerstört ...

Aber man wird sie nicht anrühren, liebe Mutter!

Ich glaube nicht.

Er ist zu schön!

Oh, die Leute werden verrückt. Nein, ich weiß nicht, wie lange das weitergehen wird, aber überall weht ein Wind des Wahnsinns. Man spricht nur noch vom Töten. Es ist, als ob ... (Geste eines Ansturms vitaler Kräfte auf der Erde) ... Die Welt ist abstoßend geworden.

Die Teilung ist sehr stark.

Für jene, die arbeiten wollen, ist eine ABSOLUTE Aufrichtigkeit notwendig geworden.

Gestern hatte ich Erfahrungen, die mir zeigten, daß die gewohnte Haltung, die darin besteht, zu denken, "die Dinge werden sich schon einrenken", sie seien dabei "sich zu arrangieren", nicht genügt. Man muß (Mutter schlägt ihre Faust in die Materie wie eine Schwertschneide): so.

Kali?

Ein ABSOLUTES ist nötig. Man darf in sich selbst nichts akzeptieren, das sagt: Es wird schon kommen, es wird schon kommen ...

Ich hatte eine Erfahrung ... Es ist gut, ich war sehr froh darüber, denn das erfordert eine Integrität - eine absolute Aufrichtigkeit und Integrität -, sonst ... Aber die Erfahrung war schrecklich.

(langes Schweigen)

War es eine persönliche physische Erfahrung?

(Mutter nickt,
Schweigen)

Äußerlich gibt es viele Unruhen in der Stadt, wegen der ...

Der Universität [[Streik der Studenten, öffentliche Manifestationen, Protestmärsche gegen die "Sri Aurobindo Universität", die man zur Jahrhundertfeier einweihen wollte. Man fand sogar Slogans an den Mauern der Tennisplätze des Ashram: "Sri Aurobindo, the head of thieves and scoundrels" ["Sri Aurobindo, der Anführer von Dieben und Schuften"]. Tatsächlich war es der Ausdruck des Zornes gegen die Geschäftsleute und Kaufleute des Ashrams. Anstatt des Namens Sri Aurobindos ("einem Fremden") wollten die Studenten den Namen Gandhis oder eines tamilischen Heiligen oder sogar des Staatsministers nehmen. ]] ?

Ja, viele.

Aber es sind nicht die Studenten.

Es sind die Studenten.

Ja, aber dahinter steht etwas anderes, liebe Mutter.

Die Mission.

Ja, sicherlich.

Es ist die Mission. Aber der französische Konsul steht auf ihrer Seite.

Ja, natürlich!

Gestern abend hielten sie eine Versammlung von zweitausend Leuten ab - mit flammenden Reden gegen den Ashram, die Universität und die Bundesregierung, denn die Regierung befürwortet die Universität.

Die Menschheit ist wirklich winzig klein.

Oh, ja, sie ist sehr tief gesunken.

Sri Aurobindo ... Sri Aurobindo ist für sie ein "Fremder", weil er aus Bengalen stammt - schrecklich! Er, der alles für dieses Land getan hat. Entsetzlich. Nur das Göttliche kann so etwas ertragen.

Ja.

Denn menschlich würde ich sagen: Möge diese Menschheit in die Grube fallen! Möge sie zermalmt werden! Was solls!

Mit der Einstellung würden nicht viele am Leben bleiben.

Ja, sicherlich.

(Schweigen)

Aber man sieht wirklich nicht, welches Wunder all das ändern könnte.

Ach, es WIRD ein Wunder geben. Aber welches, weiß ich nicht.

(Schweigen)

Nein, die ganze Reaktion, die ganze Bewegung (Geste auf Bodenebene) stammt vom unteren Mental und vom Vital, und es ist ganz unten, aber ein Druck von oben würde all das zermalmen - wie wird es sich zeigen? Ich weiß nicht ... Aber man sieht deutlich, daß die Umstände darauf hin tendieren, daß die Dinge mit einem Schlag zerplatzen. Aber wie? Ich weiß es nicht.

(langes Schweigen)

Hat man dir die Zitate von Sri Aurobindo gegeben?... Sie sind interessant.

Ich habe sie noch nicht angesehen.

Oh, du mußt sie ansehen, das ist sehr interessant.

Ich habe sie hier.

Da sind zwei lange und vier kleine. Wir werden sie im Februar und im August des nächsten Jahres nehmen.

(Satprem blättert) Hier ist eines:

"One must have faith in the Master of our life and works, even if for a long time He will conceal Himself, and then in His own right time He will reveal His Presence." [["Man muß Vertrauen in den Meister unseres Lebens und unserer Arbeit haben, auch wenn Er sich für lange Zeit verbirgt. Dann wird Er zu Seiner eigenen richtigen Zeit Seine Gegenwart offenbaren." ]]

Das ist es! Genau so ist es! Aber die aus dem Göttlichen Leben sind wirklich interessant:

Der Baum der Erkenntnis von Gut und Böse mit seinen süßen und bitteren Früchten ist heimlich verwurzelt in der eigentlichen Natur des Unbewußten, aus der unser Wesen aufgetaucht ist und auf der es noch steht als niedrigem Boden und als Basis unserer physischen Existenz; sie ist sichtbar auf der Oberfläche im vielfältigen Geäst der Unwissenheit gewachsen, die immer noch der Hauptteil und die Verfassung unseres Bewußtseins ist in seiner schwierigen Evolution zu einem höchsten Bewußtsein und einem integralen Gewahrsein. Solange es diese Erde mit den nicht gefundenen Wurzeln in ihm gibt und diese nährende Luft und das Klima der Unwissenheit, wird der Baum wachsen und blühen und seine zweifachen Blüten und seine Früchte von gemischter Art hervorbringen. Es würde folgen, daß es keine endgültige Lösung gibt, bis wir unser Unbewußtes in ein größeres Bewußtsein gewandelt haben, die Wahrheit des Selbst und des Geistes zur Lebensbasis gemacht haben und unsere Unwissenheit in ein höheres Wissen umgeformt haben. Alle anderen Zweckmäßigkeiten werden nur Notbehelfe oder blinde Ergebnisse sein; eine vollkommene und radikale Transformation unserer Natur ist die einzig wahre Lösung.

The Life Divine, XVIII.627

Dieses Zitat möchte ich für den 21. Februar aufheben.

(Schweigen)

Ich denke an das, was er da sagt, diese "nicht gefundenen Wurzeln". Was ist diese Wurzel, diese nicht entdeckte Wurzel?

Wurzel von was?

Diese Wurzel, die man nicht entdeckt hat. Die Wurzel allen Übels, der Unwissenheit, all dessen: "... solange diese Erde mit den unentdeckten Wurzeln und dieser nährenden Luft bleibt ..."

(nach einem Schweigen)

Was ich in der gestrigen Erfahrung fand und was mir diese Erfahrung bewies, ist, daß das physische Wesen, das glaubte, es sei ausschließlich dem Göttlichen zugewandt, nur auf fast oberflächliche Weise so ist (wie soll ich sagen?) ... Das heißt, es ist immer noch fähig, die Ereignisse als "Katastrophen" zu empfinden. Man ließ mich alle Eventualitäten durchleben, die diesem Körper noch zustoßen können, wenn die Dinge fehlgehen oder die Menschen durch die gegnerischen Kräfte unter Druck gesetzt werden. Ich sah, wie sehr ... All die schrecklichsten Möglichkeiten - wie sehr der Körper immer noch nicht ... (unstörbare, reglose Geste). Mehrere Stunden lang war er wirklich, oh, gestört, krank durch den Schrecken der Möglichkeiten [[Im Hof hörte man Mutter vor Schmerzen stöhnen. ]] . Doch er konnte all das dem Göttlichen darbieten und wirklich bewußt sagen: "Dein Wille." Aber da war unsere Art Unfähigkeit, den göttlichen Willen wirklich zu kennen - vor allem für die Zukunft, morgen, das, was unmittelbar geschehen wird -, das war schrecklich. Wie sehr wir nichts wissen, wie absolut unwissend wir sind!

Ja, das fühle ich auch sehr stark. Ich fühle sehr stark, wie wir nichts wissen - wir wissen nichts!

Das geschah gestern nachmittag zwischen ein und zwei Uhr. Das war schrecklich, schlimmer als die Hölle - einfach die Feststellung, wie sehr man nichts weiß.

(Schweigen)

Es war eine sehr umfassende Erfahrung, denn es war nicht die Erfahrung einer Person sondern die der gesamten Menschheit. Ich sah auf ganz konkrete Weise, daß alle Menschen, die GLAUBTEN, sie wüßten und hätten die Erfahrung [des Göttlichen] ... (schwankende Geste oberhalb des Kopfes) all das war sozusagen halbwegs. Wenn es nur ein klein wenig oberhalb unseres gewöhnlichen Bewußtseins ist, haben wir sofort den Eindruck, das Göttliche berührt zu haben.

Und diese gestrige Erfahrung führte nicht zu einem Wissen; sie führte zu ... (Mutter öffnet die Hände in einer Geste der Selbstaufgabe).

Die individuelle Existenz - die Existenz - erscheint als eine so schreckliche, so fürchterliche Angelegenheit!... (Mutter ringt nach Atem)

Und gleichzeitig das sehr klare Bewußtsein, daß dies nicht eine einzige Existenz in einem materiellen Körper ist: es ist die persönliche, individuelle Existenz, die sich über alle Zeiten hinweg fortsetzt (unendliche Geste nach vorn). Die Lösung war (Geste, die Hände geöffnet): sich hinzugeben, ohne den Ehrgeiz zu haben, sich zu vereinen, ohne die Illusion zu haben, die Vereinigung zu spüren. In der Art. Eine totale Selbstaufgabe.

Der Tod ist keine Lösung! GANZ UND GAR NICHT. Es gibt keine Lösung, außer ... außer wenn ... was? (Mutter berührt ihren Körper, die materielle Transformation andeutend) Vielleicht dann, wenn man bereit ist - falls man bereit ist.

Das war unvorstellbar schrecklich.

Ich kam dort heraus. Aber ich kam so heraus (Geste offener Hände).

Eine Anstrengung - eine etwas aufrichtigere Anstrengung - und eine etwas aufrichtigere Realisation: Was Du willst.

(Mutter geht in ein lächelndes Schweigen)

***

30. Oktober 1971

Alles Gute zum Geburtstag! Alles Gute zum Geburtstag!...

(Mutter verteilt Geschenke)

Hier ist meine Karte - nichts Besonderes. Ich weiß nicht einmal mehr, was ich geschrieben habe.

Soll ich sie anschauen?... Du sagst: "Mit meiner Zärtlichkeit und meinen Segenswünschen."

Einfach. Das ist besser als lange Sätze. Ich liebe keine langen Sätze.

Ich kann dir nur eins sagen: Ich brauche dich, voilà! (Mutter lacht)

Oh, liebe Mutter, ich möchte dir besser dienen ... Es ist eine Gnade, für dich zu arbeiten.

Ich bin höchst zufrieden mit deiner Arbeit. Sie ist mir überaus nützlich - genau, wie ich sie möchte. So ist es. Kein einziges Mal denke ich: "Oh, wenn er doch dies oder jenes täte ..." - Nein, genau wie ich möchte.

Mein Kind ...

Was hast du zu sagen?

Ich weiß nicht ...

Gibt es nichts?

Ich denke oft an das nächste Buch, das ich schreiben sollte, und ich frage mich, in welche Richtung es gehen wird.

(Mutter geht lange in sich,
dann zeichnet sich ein Lächeln auf ihren Lippen ab)

Ich habe einen Eindruck des Warums der Schöpfung.

Sie fand statt, um das Phänomen eines Bewußtseins zu verwirklichen, das zugleich das individuelle Bewußtsein hätte - das individuelle Bewußtsein, das wir natürlicherweise haben - und das Bewußtsein des Ganzen (wie soll ich sagen?) ... man könnte sagen das globale Bewußtsein. Wobei sich die beiden Bewußtseinszustände zu etwas vereinigen..., das wir noch finden müssen.

Ein zugleich individuelles und totales Bewußtsein. Und diese ganze Arbeit wird unternommen, damit sich die beiden in einem Bewußtsein vereinen, das gleichzeitig beides wäre. Und das ist die nächste Verwirklichung.

(Schweigen)

Für uns erfordert das Zeit (was sich für uns als Zeit ausdrückt), als ob es "getan würde", wie etwas, das "getan werden muß". Aber das ist eine Illusion, in der wir uns noch befinden, weil wir nicht ... wir haben noch nicht auf die andere Seite übergewechselt.

Das individuelle Bewußtsein ist keineswegs eine Lüge, es muß jedoch auf eine solche Weise mit dem Bewußtsein des Ganzen verbunden werden, daß ein anderes Bewußtsein entsteht, welches wir im Augenblick noch nicht haben. Das eine soll das andere nicht etwa beseitigen, sondern eine Anpassung, ein anderer Aspekt muß gefunden werden (ich weiß nicht) ..., wo beide simultan manifestiert sind.

Zum Beispiel erlebe ich im Augenblick eine ganze Reihe Erfahrungen über die Macht der Schöpfung, die potentiell im individuellen Bewußtsein vorhanden ist, das heißt die Fähigkeit, daß die Dinge im individuellen Bewußtsein gewußt sind - gewußt oder was wir "gewollt" nennen -, bevor sie stattfinden. Wir sagen "wir wollen das", aber es ist ein Zwischenstadium [[Mutter will sagen, ein Zwischenstadium des Bewußtseins oder des Zustandes. ]] . Das Bewußtsein bewegt sich auf etwas zu, wo es gleichzeitig die Vision dessen hat, was sein soll, und die Fähigkeit, es zu verwirklichen.

Das ist die nächste Etappe. Danach ...

Für uns, das heißt für das individuelle Bewußtsein, drückt sich das durch Zeit aus, Zeit, die man braucht, um ... Ich kann es nicht sagen ...

Ich fühle das so: Wir sind nicht mehr das eine, wir sind noch nicht das andere, und man braucht das eine nicht zu verlassen, um das andere zu sein - beide müssen sich vereinen und etwas Neues bilden.

(langes Schweigen)

Ich habe das sehr starke Gefühl, die wahre Sache erfaßt zu haben, als könnte ich (Mutter schließt ihre Faust) einen Zipfel der wahren Sache halten. Und das erklärt alles - alles-alles-alles. Und es beseitigt nichts.

(Mutter geht lange in sich)

Es ist seltsam, wie alles plötzlich klar-klar-klar geworden ist ... Es gibt keine Probleme mehr.

(Mutter geht lächelnd wieder in sich)

Hast du nichts zu sagen?

Muß ich mir keine Sorgen machen?

Nein. Nein! Wenn du wüßtest, wie wunderbar es ist! Alle-alle Probleme wurden mit einem Schlag gelöst. Ich kann es nur nicht sagen.

Keine Sorge.

Es ist hundertmal wunderbarer, als wir es uns vorstellen können.

Die Frage ist zu wissen, ob dies [der Körper] folgen kann ... Um zu folgen, muß er nicht nur fortdauern, sondern auch eine neue Kraft und ein neues Leben erlangen. Das weiß ich nicht mit Bestimmtheit. Jedenfalls spielt das keine Rolle - das Bewußtsein ist klar, und das Bewußtsein ist dem nicht unterworfen (Mutter bezeichnet ihren Körper). Wenn er verwendet werden kann, um so besser, und sonst ... Wir haben noch Dinge zu entdecken ...

Wir haben noch so viele Dinge zu entdecken! Die alte Routine ist vorbei.

Sie ist vorbei.

Wir müssen die Plastizität der Materie finden - damit die Materie für immer weiter fortschreiten kann.

Wie lange wird das dauern? Ich weiß es nicht. Wieviele Erfahrungen braucht es? Ich weiß es nicht. Aber der Weg ist jetzt klar. Der Weg ist klar.

Mein Kind, du hast mir heute das wunderbarste Geschenk gemacht, das man geben kann!

(Lachen) Das war nicht ich, liebe Mutter!

Es hat deinen heutigen Geburtstag gewählt, um zu kommen. Das ist klar.

Komm also kurz vor drei Uhr zu Sunils Musik. (Sich zu Sujata wendend) Natürlich kann sie auch kommen, wenn sie will.

Gemeinsam zu deinen Füßen fühlen wir uns wohl, liebe Mutter.

Ja, sie ergänzt dich gut.

(Satprem legt seine Stirn auf Mutters Schoß)

***

November

10. November 1971

Hast du etwas?

Ja, ich hatte etwas, aber was hast du denn?

Ich ... im Augenblick ... (Mutter scheint müde) Ich weiß nicht, vielleicht wird es gleich wiederkommen.

Das Bewußtsein [des Körpers] ändert sich jetzt sehr schnell.

Ich werde gleich sehen, ob es kommt.

Sag mir erst, was du hast.

Eine Aurovillegeschichte ...

Auroville? Worum geht es?

Vor ein paar Tagen erhielt ich einen Brief von einem jungen Architekten, Z (ich kenne ihn nicht). Er schrieb mir, daß er mich gern sehen möchte.

Sieh an! Warum?

Weil er mir die Probleme Aurovilles erklären möchte. Ich antwortete ihm, die Probleme Aurovilles könnten sich nur in dem Maße lösen, wie die Aurovillianer sich direkt an Mutter wendeten. Deshalb würde ich es vorziehen, wenn er sich direkt an die Quelle wendete anstatt an einen Vermittler. Dann sagte ich ihm aus Höflichkeit, daß mich dies nicht davon abhielte zu ... usw.

Du hast das Richtige getan.

Er hat eine Vorstellung, wie das Matrimandir zu bauen sei - andere haben eine unterschiedliche Idee, und dann wird R [der Architekt] kommen - ich möchte lieber warten, bis R da ist und entscheidet.

Denn nachher schrieb er mir noch einen zweiten Brief mit den Worten: "Ja natürlich, es ist wahr, daß man sich an die Quelle wenden muß, das ist der "feste und willkommene Bezugspunkt", aber leider hat man keinen direkten Zugang zur Quelle, man muß also durch einen Vermittler gehen ..."

(Mutter schüttelt den Kopf)

Dann gab es Mißverständnisse, und er unterbreitete mir eins dieser Mißverständnisse.

Sag mir welches.

Zum Beispiel hatte er dir vor einem Monat, im Oktober, geschrieben, und du hattest ihm schriftlich geantwortet. Er hatte dir folgendes gesagt: "Ich habe eine genaue Studie über die auszuführende Arbeit durchgeführt und bin zur Schlußfolgerung gekommen, daß wir selbst [die Aurovillianer] die Verantwortung für die Arbeit der Ausgrabung und den Bau der vier Pfeiler übernehmen können; danach könnte ein kommerzielles Unternehmen wie EEC [ich weiß nicht, ich glaube, es ist von Madras] die Konstruktion des Matrimandirs weiterführen ... usw. Es scheint also, daß die Arbeit der Aurovillianer kein Hindernis dafür darstellt, daß der Rest der Arbeit einem spezialisierten Unternehmen anvertraut würde ..." Du hast geantwortet: "Das ist sehr gut, ich bin völlig einverstanden. Die Sicherheit und Solidität der Arbeit müssen VORRANG gegenüber den PERSÖNLICHEN FRAGEN haben. Ich verlasse mich auf Sie, daß alles harmonisch abläuft."

Und dann wurde mir klar ... Nachher sagten mir die anderen, daß er dies geschrieben habe, ohne sie zu fragen.

Er sagte mir, er habe das "nach einer Versammlung von etwa fünfzig Aurovillianern" geschrieben.

Nein ... Hör zu, diese Geschichten würden jedem anderen den Kopf zerbrechen!

Die Geschichte läuft darauf hinaus, daß er die Arbeit den Aurovillianern anvertrauen möchte, was kein Hindernis für die Mitarbeit von Experten wäre.

Das wäre es aber. Was ich gesagt habe, ist gut: Zum Zeitpunkt der Ausführung wird es jedoch ... Ich rate dir, dich nicht darin verstricken zu lassen!

Oh, das möchte ich gar nicht.

Ja, sie sind ... Die Sache ist recht kompliziert.

Ich werde ihm einfach sagen, er solle die Rückkehr von R abwarten, um die Entscheidung dann zu treffen.

Ja, aber die Entscheidung wurde bereits getroffen - ich weiß nicht, ich glaubte, sie seien schon an der Arbeit.

Die "offizielle" Entscheidung ist, daß ein Unternehmen von Madras die Arbeit ausführt.

Nicht die ganze Arbeit. Man bat die Aurovillianer, da zu sein - genau, was er sagt.

Aber er sagt, er sei bereit, auch die Arbeit für das Fundament der Pfeiler auszuführen.

Nein, das ... Hör zu, sag ihm, daß R kommt und daß alles entschieden werden wird, wenn er da ist.

Mir liegt überhaupt nichts daran, in ihre Geschichten verwickelt zu werden.

Natürlich!... Du hast den Satz meines Briefes gesehen - sie legen persönliche Fragen hinein. Er sagt es nicht, aber es ist so. Er hofft, jemanden zu finden [Satprem], der ihm Autorität gibt, verstehst du?

Das denke ich auch.

Sag ihm das.

(Schweigen)

Ich weiß nicht recht, ob ich Recht oder Unrecht habe, aber seit langem habe ich mir eine Art Pflicht daraus gemacht, allerlei Leute zu empfangen, wann immer sie wollten. So habe ich eine Menge Leute gesehen ...

Ooh!

Sei es von Auroville oder vom Ashram, Franzosen oder Deutsche ... Alle, die zu den Tennisplätzen kamen, konnten mich sehen. So hielt ich es jahrelang. Und dann habe ich das völlig eingestellt. Ich beschloß, niemanden mehr zu sehen ... Ich weiß nicht, ob ich richtig handelte. Verstehst du, manchmal sagte ich mir, daß es den Leuten vielleicht helfen kann, andrerseits habe ich den Eindruck, daß es keine Lösung ist.

Aus deiner persönlichen Sicht hast du völlig recht.

Ja, aber ich frage mich eben, ob das nicht auch egoistisch ist?

Nein, mein Kind, Sri Aurobindo sagte mir: "Das Göttliche ist der größte Egoist!" (Mutter lacht und alle lachen)

(langes Schweigen)

Ich wollte dir etwas sagen, und dann ... (Mutter sucht Papiere neben sich, ohne sie zu finden)

Die Umstände haben sich intensiviert, als würde ein Druck ausgeübt, weißt du, und das gewisse Gleichgewicht, in dem sich die Dinge befanden, ist zerstört.

Eine Art Haß gegen den Ashram ist aufgekommen.

Aber der Ashram muß gereinigt werden, liebe Mutter.

Ja, genau! (Mutter stimmt lebhaft zu) Das ist es.

Ich habe mich schon gefragt, ob nicht eine neue Attacke gegen den Ashram stattfinden wird, um ihn zu reinigen.

Sie hatten eine organisiert [gegen die "Sri Aurobindo Universität"].

Natürlich beschuldigte man uns vieler Dinge, die überhaupt nicht wahr sind, aber ... es stand in den Zeitungen [[Das Blatt der regierenden Partei im Staate Madras (die DMK) veröffentlichte einen langen Artikel über "die Ausnutzung des Ashrams" - über die Geschäftsleute des Ashrams, die den lokalen Handel würgten, über die losen Sitten der Mädchen des Ashrams, die unerklärlichen Reichtümer des Ashrams, die "Militarisierung" der Jungen und Mädchen des Ashrams - und über die Möglichkeit, daß eines Tages die Truppen des Ashrams die Tamilen aus Pondicherry verjagen würden, "wie Yahya Khan in Bengalen", um ein "Aurobindo-Desh" zu gründen. ]] .

Aber das ... So ist es, man spürt die Notwendigkeit einer wachsenden Aufrichtigkeit.

Ja.

Alle, die so sind (schwankende Geste), müssen wählen.

Aber alle diese Elemente, die hier "Geschäfte" betreiben, bringen sie dir wirklich etwas, oder bedienen sie sich nur selbst?

Ja. Einige bringen mir viel. Andere bringen nichts, und wieder andere profitieren ganz einfach.

Nun, das ist es.

Aber das ...

Sie bedienen sich des Namens des Ashrams und betreiben so ihre Geschäfte.

Ja, aber das sind nicht die Wichtigsten [[Tatsächlich gab es unter der Bande der Geschäftemacher einige gewichtige Ausnahmen wie die New Horizon Sugar Mills, um nur den integersten zu erwähnen. ]] .

Ach?...

Nein, es ist offensichtlich, daß sich alle reinigen müssen ... Einige haben viel zu tun, andere nur ein bißchen. Aber sehr wenige sind völlig ... nur wenige haben die wahre Geisteshaltung beibehalten.

(Schweigen)

In einer meiner "Notizen" steht ein Satz, und ich fragte mich, ob man ihn belassen soll. [[Die "Notizen auf dem Weg" vom 28. August 1971, die im nächsten Bulletin erscheinen werden. ]]

Welcher Satz?

Ich erinnere mich nicht mehr ... Es ist der Satz, in dem ich von der Macht spreche.

... die überwältigend wird?

Ja. Ich hatte zwei Beispiele gegeben.

Die Heilung und der Übergang auf die andere Seite.

Ja, und beim Übergang auf die andere Seite fragte ich mich, ob die Leute nicht denken werden, daß ich die Leute absichtlich töte! - Vielleicht ist es besser, ihn nicht zu drucken.

Aber nicht doch!

Ist das klar?

Offensichtlich kann man immer alles folgern ...

Ja, wenn die Leute böswillig sind ...

Dann müßte man ganz aufhören zu reden.

Ich erinnere mich auch immer an einen Satz Sri Aurobindos, in dem er sagte: "Wenn Gott von euch verlangt zu töten, müßt ihr töten." [[Aphorismus 228. ]]

Das kann auch mißverstanden werden.

Oh, das glaube ich wohl!

Aber alles kann entstellt werden, alles.

Also gut, wir können ihn lassen [Mutters Satz], sei's drum ... Ein Wort würde genügen, um zu sagen, "diejenigen, die gehen wollen": daß es der Wille dessen ist, der geht. Dieser Hinweis genügt.

Ich kann in der Druckerei sehen, ob es nicht zu spät ist.

Nur ein Wort hinzufügen. Es ist eher "helfen fortzugehen" als "gegen den Willen".

Wie du sagst: Derjenige, der aufrichtigen Geistes ist, versteht, aber ... Es geht nur um jene, die verdreht sind - da kann man nichts ausrichten, die werden das immer tun. Aber es ist besser, ihnen nicht zu viele Gelegenheiten zu geben.

(Schweigen)

Da ist etwas Interessantes, ich weiß nicht, ob du davon weißt. Die Regierung von Orissa war vorher ganz und gar für Sri Aurobindo, und sie waren sehr treu. Ein schrecklicher Orkan kam direkt in ihre Richtung und wurde abgewendet, er ging nach Bengalen und tötete eine große Anzahl von Leuten (das war im letzten Jahr, glaube ich). Dann wechselte die Regierung in Orissa. Sie wurden aggressiv, düster, völlig anders. Sie sind gegen Sri Aurobindo. Und diesmal ging vor ein paar Tagen der Orkan dorthin und richtete Verwüstungen an ...

Einige von ihnen haben verstanden.

Natürlich sagten einige im Gegenteil: "Wie konnte das nur geschehen? Letztes Mal habt ihr uns beschützt und diesmal ..." - sie verstehen nicht. Aber jene, die verstehen, erkannten sehr wohl den Unterschied.

Es gibt interessante Dinge. Aber man hat den Eindruck, weißt du (schwebende Geste), am Rande eines Abgrundes zu stehen - man darf keinen falschen Schritt tun.

Als übte das Bewußtsein Druck auf die Umstände aus, damit sie entschiedener und klarer seien. Allerdings ist es dadurch vorbei mit Frieden und Ruhe!

(Schweigen)

Gerade unter diesem Druck wird das Bewußtsein [Mutters physisches Bewußtsein] immer klarer, und wieviel haben wir noch zu tun, damit alles im Wesen ausschließlich mit dem Göttlichen verbunden ist! Oh ... Man sieht - manchmal verbringe ich fast die ganze Nacht damit, alle Dinge zu sehen, die ihre Haltung ändern müssen, Dinge, die man für sehr gut hielt und die einem keinerlei Sorgen bereiteten. Jetzt sieht man. Im Vergleich zu dem, was sein soll, welcher Weg noch zurückzulegen ist ...

(Mutter geht in sich)

***

13. November 1971

(Über den abgeänderten Satz in den "Notizen" vom 28. August
über die Macht, Menschen sterben zu helfen:)

Wie lautet der Satz jetzt?

"... Für jemand anders, DER FORTGEHEN WILL, bedeutet es das Ende, er geht zur anderen Seite über."

Gestern geschah es wieder. Man berichtete mir von einem Kind, das unheilbar krank war, und man sagte mir, daß es sehr litt, daß es sehr elend dran sei - die Eltern wollten, daß es sterben könne. Eine Stunde später starb es. Heute morgen erfuhr ich es. Ich sagte mir: "Sieh an, genau das ist in den "Notizen" gemeint - entweder will die Person selbst weggehen, oder diejenigen, die sich um sie kümmern, sehen, daß sie zu elend ist, sie fordern es; anstatt also lange zu leiden, stirbt sie. Genau das wollte ich sagen.

***

Etwas später

Es ist wirklich interessant, als sei mein Körper das Schlachtfeld zwischen dem, was beharrlich bleiben will, und dem, was seinen Platz einnehmen soll. Es gibt derartig wunderbare Augenblicke - glorreiche Augenblicke - und eine Sekunde später, eine Minute später, ein heftiger Angriff ... So ist es. Und mein Körper ... Zum Beispiel kann ich in manchen Momenten essen, ohne es zu merken, außer, daß alles köstlich ist; und eine Sekunde später kann ich nicht mehr schlucken. Es ist so (Geste eines Ziehens zur einen und zur anderen Seite). Ich habe nur ein Mittel, und zwar, so STILL wie möglich zu sein. Sobald ich still bin, beruhigt es sich. Es ist, als ob ... Man hat den Eindruck, daß man plötzlich sterben wird, und eine Minute später ist es ... die Ewigkeit. Wirklich eine außerordentliche Erfahrung. Außerordentlich. In einem Moment erscheint mir alles derart konfus, düster - es besteht keine Hoffnung, es gibt keine Möglichkeit, klar zu sehen -, und eine Minute später ist alles klar.

Und zur Zeit ist es so (Geste in der Schwebe). Nur weil mein Körper den Glauben hat, kann er fortdauern.

Das ist wirklich interessant.

(langes Schweigen)

Wenn man die Macht hindurchläßt, ohne sie zu mindern oder zu verformen oder ..., dann ist es unglaublich! Eine unglaubliche Macht. Und eine Minute später hat man den Eindruck, daß die Welt so düster und so entstellt ist, daß es keine Hoffnung gibt. Aber vielleicht - vielleicht - verbessert sich das Verhältnis ein klein wenig.

(Mutter geht in sich,
lange Kontemplation)

Hast du etwas gespürt? Was hast du gespürt?

Ich weiß nicht ... Ich versuchte, mich hinzugeben.

(Mutter lächelt und nimmt Satprems Hände) Es kam sehr stark, sehr stark: so (massive Geste, die von oben herabkommt). Du warst darin.

(Schweigen)

Es geht gut - es geht gut.

Ja (Geste der Hingabe, Hände geöffnet), das ist das Beste, was man tun kann.

Oh! Es ist stark.

***

17. November 1971

Ich wollte dir etwas sagen, aber ... ich erinnere mich nicht mehr.

Etwas aus deiner Erfahrung?

Ja, so ähnlich.

Seltsamerweise hat sich meine ganze Sichtweise der Dinge geändert... Aber es gab sehr bedeutsame Erfahrungen, eine Änderung ... Ich erinnere mich, als ich das feststellte, dachte ich: "Ach, das würde Satprem interessieren." Und dann, vergessen.

So vollkommen verändert ...

(langes Schweigen)

Ich weiß nicht, ob du das gehört hast. Ein Schüler in Deutschland sah eines Tages einen blinden Bettler auf der Straße (weißt du, manchmal hängen sie sich ein Schild auf die Brust). Er hatte auf dem Schild auf deutsch stehen: "Sri Aurobindos Orden". Die "Ordensgesellschaft", wie sagt man? Die Gruppe. [[Mutter wollte sagen: wie ein klösterlicher Orden. ]] Der Orden Sri Aurobindos. Die Person fragte ihn: "Aber in Sri Aurobindos Orden gibt es keine Bettler." Er antwortete: "Oh, Mutter weiß Bescheid ..." (All das auf deutsch natürlich.)

Seltsam.

Verschiedene Geschehnisse kommen mir zu Ohren: Leute in Kanada, in Amerika und in Deutschland scheinen Mitteilungen und Hinweise zu empfangen, sehr präzise sogar.

Über Ereignisse oder worüber?

Ja, oder für ihr Leben. Das hängt davon ab. Hier in Indien betrifft es die Ereignisse.

(langes Schweigen)

Worin besteht denn der Unterschied beim radikalen Wechsel der Sicht, von dem du sprichst?

(nach einem langen Schweigen)

Es ist als ob das Bewußtsein den Dingen gegenüber nicht mehr dieselbe Stellung einnehmen würde - ich weiß nicht, wie ich das erklären soll. Dadurch erscheinen sie ganz anders.

(Schweigen)

Wie soll ich das erklären?... Das gewöhnliche menschliche Bewußtsein, selbst wenn man die umfassendsten Ideen und all das hat, steht immer im Zentrum, und die Dinge sind so (Geste von allen Seiten auf das Zentrum zulaufend). Die Dinge existieren in Bezug auf ein Zentrum (alles, was man sagt, schmälert die Sache). Während ... (Mutter streut eine Vielzahl von Punkten in den Raum).

Ja, das drückt es wohl am besten aus: Im gewöhnlichen menschlichen Bewußtsein befindet man sich in einem Punkt, und alle Dinge existieren durch ihre Beziehung zu diesem Punkt des Bewußtseins (dieselbe sternförmige Geste). Jetzt besteht der Punkt nicht mehr, und so existieren die Dinge in sich selbst. Das [der Punkt] ist nicht die Quelle.

Dies ist die zutreffendste Umschreibung (es ist nicht das, aber ...)

Mein Bewußtsein ist IN den Dingen - es ist nicht "etwas, das empfängt" (es ist viel besser als das, aber ich kann es nicht ausdrücken).

Es ist besser, denn es ist nicht nur "in den Dingen": es ist in "etwas", das in den Dingen ist und das ... sie in Bewegung setzt.

Ich könnte einen schönen Satz daraus machen und sagen (aber das ist es nicht): Es ist kein Wesen, das von anderen umgeben ist, sondern ... das Göttliche in allen Dingen. Aber ich empfinde es nicht so. Das, was die Dinge in Bewegung setzt, oder das, was in den Dingen bewußt ist. "Das, was bewußt ist" ... Es ist nicht wirklich das, was "leitet", denn leiten gibt nicht den wahren Sinn wieder - "belebt" (das ist es auch nicht, all das verkleinert und materialisiert die Sache zu sehr).

(Schweigen)

Es ist offensichtlich eine Frage des Bewußtseins, aber nicht eines, wie die Menschen es gewöhnlich haben: die BESCHAFFENHEIT des Bewußtseins hat sich verändert.

Da ist zum Beispiel ein Phänomen (unter vielen anderen), ein seltsames Phänomen: wenn ich so bin - das Bewußtsein in den Dingen, in den Bewegungen, im Leben - und ich mein Essen zu mir nehme, ist die Nahrung ... es benötigt keine Anstrengung ... (Mutter verharrt schweigend) Das ist zu schwierig zu erklären ... Ich habe nicht das Gefühl, daß "ich" esse, da ist kein Bewußtsein, sich Dinge in den Mund zu stecken und sie hinunterschlucken zu müssen und ...

Ja, ich verstehe.

Ich kann es nicht sagen, aber die Tatsache ist so: Wenn es im neuen Bewußtsein geschieht, esse ich sehr leicht und ohne es wahrzunehmen, und alles verläuft gut; sobald ich mir des alten Bewußtseins bewußt werde, das darin besteht, zu essen, die Nahrung zu schmecken, sie in den Mund zu stecken - wird es schwierig! Ich habe alle Mühe der Welt, mich nicht zu verschlucken.

Das ist wirklich etwas Neues, und ich weiß nicht, wie ich darüber sprechen kann.

Dieses Beispiel ist jedenfalls äußerst konkret: Wenn ich in diesem Bewußtsein bin, wird die ganze Mahlzeit mühelos eingenommen, ohne Probleme; man bringt es mir, ich schlucke es herunter und bemerke es kaum ... Es ist nicht, als ob ich es nicht bemerkte (ich habe den Geschmack, ich habe alles), aber die Haltung ist verändert.

Ja, in dem Moment ist es Teil der universellen Bewegung.

Nein, es ist etwas, das zugleich in mir und IN DER NAHRUNG ist, das schmeckt und das nimmt, aber es ist nicht mehr ... Es ist nicht mehr wie vorher, das ist alles, was ich sagen kann.

Es ist wirklich neu.

Beim Essen wird dies sehr deutlich: In diesem Bewußtsein, das kommt, wenn ich nichts mehr tue, sobald ich ruhig sitze, ist es nicht etwas, das "eintritt" (Geste zum Zentrum hin) sondern ... (Geste einer Ausdehnung) etwas, das sich entwickelt, das frei ist, sich zu entwickeln. Und das ist wirklich sehr gut. Aber wenn ich im gewöhnlichen Bewußtsein bin und esse (wenn es "Zeit" ist zu essen), oh, dann ist es so schwierig, daß es fast unmöglich scheint zu essen. Und im anderen Fall geht es vonstatten, ohne daß ich es überhaupt merke. Und dennoch bin ich mir dessen bewußt, was ich esse.

Aber das, was ich jetzt sage, trifft es nicht wirklich, es ist etwas anderes ... Das Bewußtsein ist noch so (Geste, von einer Seite zur anderen zu schwanken). Es ist beides da. Deshalb ... Ich finde kein Ausdrucksmittel, um mich verständlich zu machen - man müßte andere Worte erfinden.

Das nimmt von Tag zu Tag zu.

Auch nachts geht es so: ich schlafe nicht, und ich bin nicht wach; ich trete in einen Zustand ein, wo ich keineswegs schlafe - und ich bin nicht wach; und ich kann es nicht beschreiben. Normalerweise kann das unbegrenzt lange anhalten, es besteht kein Zeitgefühl, kein Gefühl von Müdigkeit oder Dauer; und wenn das alte Bewußtsein zurückkehrt, ist es ein fast unerträgliches Leiden: ich ersticke oder kann nicht atmen, oder es ist kalt oder heiß, allerlei Dinge, ausgelöst durch ein Bewußtsein, das nicht mehr bestehen sollte. Normalerweise verharre ich ganz natürlich und mühelos im neuen Zustand, wenn ich jedoch durch die Umstände in das alte Bewußtsein gezogen werde, wird es fast unerträglich. Und im Körper drückt sich das durch Schmerzen und durch ein schlechtes Funktionieren aus. Wenn ich in das neue Bewußtsein eintrete, geschieht alles, ohne daß ich es überhaupt wahrnehme, mühelos.

Das ist alles, was ich im Augenblick sagen kann.

Manchmal ist mein Körper voller Schmerzen, alles geht fehl, und sobald ich in diesen anderen Zustand eintrete (weite, friedliche Geste), ist alles getan - die Zeit existiert nicht mehr. Im alten Bewußtsein erscheint die Zeit endlos, und im anderen existiert sie nicht mehr. Ich kann es nicht anders beschreiben.

(Schweigen)

Wenn ich Sätze machen wollte, würde ich sagen: Dieses alte Bewußtsein ist, als ob ... es ist der Tod, als sterbe man in jeder Minute: man leidet, man ... es ist das Bewußtsein, das zum Tode führt. Und das andere (weite, unbewegliche, lächelnde Geste) ist das Leben ... das friedliche Leben, das ewige Leben. Ja, das.

Aber das trifft es auch nicht, das sind bloß Sätze.

(Mutter tritt in Kontemplation)

Ich kann es nicht ausdrücken.

Das ist auch nicht nötig [[Es folgt eine lange Meditation wie ein Bad einer konzentrierten, dichten Macht, als sei man in einem "soliden Strom". Von Mal zu Mal schien es dichter zu werden - aber vielleicht ist dies ein subjektiver Eindruck? Ein Phänomen sollte erwähnt werden, das Satprem recht häufig bemerkte: Jedesmal, wenn Mutter aus der Kontemplation herauskam, machte sie einen Augenblick des Erstickens durch, und es fiel ihr schwer, ihre Atmung wiederzufinden, als käme sie wirklich aus einer anderen Luft. ]] .

***

20. November 1971

(Mutter reicht Satprem zwei Notizen)

Wir sind in einer Übergangszeit der Geschichte der Erde. Nur ein Augenblick in der Ewigkeit der Zeit. Aber verglichen mit dem menschlichen Leben ist dieser Augenblick lang. Die Materie ist dabei, sich zu verändern, um sich auf die neue Manifestation vorzubereiten; aber der menschliche Körper ist nicht plastisch genug und leistet Widerstand, deshalb nimmt das Ausmaß unerklärlicher Störungen und Krankheiten zu und wird ein Problem für die medizinische Wissenschaft.

Das Heilmittel liegt in der Vereinigung mit den göttlichen Kräften, die am Werk sind, und in einer vertrauensvollen und ruhigen Aufnahmebereitschaft, die die Arbeit erleichtert.

18.11.1971

Denen, die fortschreiten wollen, bietet sich eine außergewöhnliche Chance; denn die Transformation beginnt mit der Öffnung des Bewußtseins gegenüber der Aktion der neuen Kräfte; so haben die Individuen eine einzigartige und wunderbare Gelegenheit, sich dem göttlichen Einfluß zu öffnen.

20.11.1971

***

(Dann hört sich Mutter die Lektüre eines Briefes
des Schülers vom Vatikan an)

Ist dies der Kardinal, der kommen wollte?

Er ist nicht Kardinal.

Ist er nicht Kardinal?

Nein, aber er verwaltet Riesensummen. Er ist ein "Monsignore".

Bedeutet das Bischof?

Ich weiß es nicht, liebe Mutter. Ich weiß, daß er ein milliardenschweres "Wohltätigkeitswerk" verwaltet. Er sammelt all dieses Geld von Frauen - er hat einen Einfluß auf Frauen. Ein gewaltiges Vermögen. Wenn er das auf der richtigen Seite einsetzte, wäre es gut.

(Mutter nickt)

Aber dieser Mann ist seiner niedrigen Natur unterworfen, glaube ich. Er hat zwar eine Intelligenz, die ihm erlauben würde, sehr hoch zu gehen, aber seine niedrige Natur ist ...

Sehr stark.

Und nichts zwischen den beiden.

Nein, ich hatte auf ihn gezählt, daß er hierher kommen würde, um den Leuten der "Mission" zu sagen, daß sie sich ruhig verhalten sollten - sie sind unerträglich. Sie bereiten uns allerlei Schwierigkeiten (sie sind nicht die einzigen, aber sie tragen dazu bei).

Ich werde es P.L. sagen. Er hat Mittel: er ist ein sehr enger Freund des französischen Kardinals Tisserant. Es würde genügen, wenn er ihm ein Wort sagte, und es wird sich arrangieren.

Gut.

Die Schwestern, die hier ein Krankenhaus haben, sind sehr lieb, sie arbeiten sehr gut und pflegen die Leute, die kommen. Aber das "College"... sie trugen viel zu den Unruhen bei, die es hier gab [[Gegen die "Sri Aurobindo Universität". ]] . Die Schwestern machen uns keine Schwierigkeiten, sie sind sehr freundlich: es ist das "College".

Ich werde es ihm sagen.

(Schweigen)

Hast du keine Fragen?

Und was sagst du?

Ich frage, ob du Fragen hast.

Man spricht viel von Krieg ...

Ach, sie haben angefangen zu kämpfen.

Nein.

Gestern oder vorgestern schrieb man mir, sie hätten angefangen zu kämpfen. Sie haben die Grenze [von Ostbengalen] überschritten [[Erst zwölf Tage später, am 2. Dezember, wird Indien eine Generaloffensive starten. ]] .

Glaubst du, es wird Krieg geben?

(Mutter deutet mit einer Geste an, es nicht zu wissen)

Es sind keine offiziellen Neuigkeiten: die "Kämpfer" [["Mukti Bahini" von der bengalischen Befreiungs- oder Widerstandsarmee. ]] schreiben mir: der General, der hierher kam ...

***

24. November 1971

Ich habe immer noch den Eindruck, daß ich dir etwas sagen wollte ...

(Mutter versucht vergeblich, sich zu erinnern. Dann geht Satprem zur Lektüre mehrerer Briefe von Sri Aurobindo über, darunter der folgende an einen moslemischen Schüler, der den Ashram verlassen wollte, um ausschließlich seinen Islamismus zu praktizieren, wobei er seinen jüngeren Bruder X und seine Schwester Y gegen ihren Willen mitnehmen wollte:)

... Was X und Y betrifft, hast du keinerlei Anspruch auf sie und kein Recht, ihre Gedanken und Handlungen zu bestimmen. X ist alt genug, selber zu wählen und zu entscheiden; er kann für sich selbst denken und handeln und braucht deiner nicht, für ihn zu denken und zu handeln. Du bist weder sein noch Ys Wächter; du bist nicht einmal das Familienoberhaupt. Mit welcher Berechtigung beanspruchst du zu entscheiden, wohin er gehen und wo er sich aufhalten soll? Dein Anspruch für ihn oder sie Verantwortung vor Gott zu übernehmen, ist eine arrogante und groteske Absurdität. Jeder ist für sich selbst vor Gott verantwortlich, es sei denn, er beschließt freiwillig, jemand anderem, dem er vertraut, die Verantwortung zu übertragen. Niemand hat das Recht, sich anderen gegen ihren freien Willen als religiöser oder spiritueller Führer aufzuzwingen. Du hast überhaupt keinen Anspruch darauf, X und Y in ihrem inneren oder äußeren Leben Anordnungen zu geben. Dies ist wieder die Verwirrung und Zusammenhanglosigkeit deines gegenwärtigen Geisteszustandes, der dich davon abhält, diese einfachen und offensichtlichen Tatsachen zu erkennen.

Du sagst wiederum, du suchest nur nach Wahrheit, und dennoch sprichst du wie ein engstirniger und unwissender Fanatiker, der es ablehnt, an etwas anderes als die Religion zu glauben, in die er geboren wurde. Jeder Fanatismus ist falsch, denn er steht im Gegensatz zur wahren Natur Gottes und zur Wahrheit. Wahrheit kann nicht in ein einziges Buch - sei es die Bibel oder die Veden oder der Koran - oder in eine einzige Religion eingeschlossen werden. Das göttliche Wesen ist ewig und universal und unendlich und kann nicht das alleinige Eigentum der Moslems oder der semitischen Religion sein - jener, die sich in einer Linie mit der Bibel befanden und jüdische oder arabische Propheten als Gründer hatten. Hindus und Konfuzianer und Taoisten und alle anderen haben das gleiche Recht, mit Gott in Verbindung zu treten und die Wahrheit auf ihrem eigenen Weg zu finden. Alle Religionen tragen eine Wahrheit in sich, aber keine hat die ganze Wahrheit; alle wurden zu einer bestimmten Zeit geschaffen und schwächen sich allmählich ab und verschwinden. Mohammed selbst behauptete niemals, daß der Koran Gottes letzte Botschaft sei und es danach keine anderen geben werde. Gott und die Wahrheit überdauern diese Religionen und manifestieren sich neu, welchen Weg oder welche Form auch immer die göttliche Weisheit wählt. Du kannst Gott nicht in die Begrenzungen deines eigenen kleinen Gehirns einschließen oder der göttlichen Macht oder dem Bewußtsein auftragen, wie und wo es sich manifestieren soll; du kannst deine kleinen Barrieren nicht gegen die göttliche Allmacht errichten. Das sind wieder einfache Wahrheiten, die jetzt in der ganzen Welt anerkannt werden; nur die im Geiste Kindischen oder diejenigen, die in einer alten Formel dahinvegetieren, leugnen das ab.

Du hast darauf bestanden, daß ich schreibe und hast um Wahrheit gebeten, und ich habe geantwortet. Aber wenn du ein Moslem sein willst, hält dich niemand davon ab. Wenn die Wahrheit, die ich dir bringe, zu groß für dich ist, um sie zu verstehen oder zu ertragen, bist du frei, zu gehen und in Halbwahrheit oder in deiner eigenen Unwissenheit zu leben. Ich bin nicht dazu da, irgend jemanden zu bekehren; ich predige der Welt nicht, zu mir zu kommen, und ich rufe niemanden. Ich bin hier, um das göttliche Leben auf Erden und das göttliche Bewußtsein in denen zu errichten, die von selbst in sich den Ruf spüren, zu mir zu kommen und die sich daran halten und an nichts anderes. Weder ich noch die Mutter bitten dich, uns anzunehmen. Du kannst jeden Tag fortgehen und entweder ein weltliches Leben führen oder ein religiöses Leben entsprechend deiner eigenen Vorliebe. Aber da du frei bist, steht es auch den anderen frei, hier zu bleiben und ihren eigenen Weg zu gehen ...

23. Oktober 1929

Sri Aurobindo

On Himself, XXVI.482

***

(In einem anderen Brief antwortet Sri Aurobindo einem Journalisten, der nach 27 Jahren einen Artikel über "Das Ideal des Karmayogin" verfassen wollte. Dieses Buch wurde aus einer Reihe von politischen Artikeln zusammengestellt, die Sri Aurobindo 1909 und 1910, während er den Kampf gegen die Engländer führte, in der Zeitschrift "Karmayogin" veröffentlichte.)

Ja, ich habe es gesehen, aber ich denke nicht, daß es in der gegenwärtigen Form veröffentlicht werden kann, da es den politischen Aurobindo der damaligen Zeit bis zum Sri Aurobindo der gegenwärtigen Zeit verlängert. Du behauptest sogar, daß ich das Buch "gründlich" überarbeitet habe und diese Artikel ein Spiegel meiner neuesten Ansichten zu den brennenden Problemen von heute seien, und es habe in 27 Jahren keine Änderung meiner Ansichten gegeben (was sicherlich einen recht unfortschrittlichen Geist beweisen würde). Wie kommst du auf all das? Mein spirituelles Bewußtsein und Wissen der damaligen Zeit waren nichts im Vergleich zu dem, was sie jetzt sind - wie könnten diese Veränderungen meine Ansicht über Politik und Leben völlig unverändert lassen?...

21. April 1937

Sri Aurobindo

On Himself, XXVI.372

Das ist sehr wichtig - sehr wichtig.

Ich wußte es, aber niemand glaubte mir. Er hatte seinen Gesichtspunkt völlig geändert.

Ich bin froh.

***

27. November 1971

Geht es dir gut?

So einigermaßen.

Einigermaßen ...

Ich habe Notizen, die für den Februar verwendet werden können - Dinge, die ich gesagt habe.

(Mutter reicht Satprem ein erstes Papier)

"Ein Sieg über die niedere Natur wird eine größere und dauerhaftere Freude geben als jeder äußere Erfolg."

Und dann dies (Mutter reicht einen anderen Zettel). Das ist eine Erfahrung, die ich gestern hatte ... (Mutter lächelt mit geschlossenen Augen) Plötzlich sah ich: Ich sah die Welt auf andere Weise. Einen Augenblick sah ich ..., wie das Göttliche die Welt sieht, verstehst du? Es gab keine menschliche Sicht mehr. Ich sah etwas so Wunderbares ... Das läßt sich nicht beschreiben, so wunderbar ist es. Dann kam langsam das menschliche Bewußtsein zurück und ... oh! (Mutter nimmt ihre Stirn zwischen ihre Hände)

"Gott hat eine gleiche Liebe für alle menschlichen Wesen, aber die Finsternis des Bewußtseins der meisten Menschen hindert sie daran, diese göttliche Liebe zu erkennen ..."

Das hatte ich gesagt, und dann kam die Erfahrung, diese Erfahrung, von der ich dir gerade erzählt habe:

"... Die Wahrheit ist wunderbar. Nur in unserem Bewußtsein wird sie entstellt."

Ja, als ob plötzlich ... Während einiger Augenblicke sah ich die Welt, wie das Göttliche sie sieht. Es ist ... Worte versagen, man kann es nicht sagen. Da verstand ich. Alles wurde klar-klar-klar ...

Ich hatte dir gesagt, das Göttliche wolle, daß das individuelle Bewußtsein die Erfahrung des Göttlichen erlange, und so war es. So war es: Das individuelle Bewußtsein (dessen ich mir bewußt wurde) sah die Welt ... Plötzlich wurde die Welt das, was sie für das Göttliche ist ... Unbeschreiblich.

Natürlich muß dies mit dem Bewußtsein beginnen; danach werden die Dinge allmählich so werden, das heißt, sie werden sich ihrer selbst bewußt werden, wie es das Göttliche Bewußtsein tut.

Geht es besser, mein Kind?

Ein wenig, liebe Mutter.

Hast du eine Erkältung?... Willst du ruhig bleiben, oder ermüdet dich das?

Nein, nein, das ermüdet mich nicht; dir zuzuhören ermüdet mich bestimmt nicht!

***

(Etwas später liest Satprem einige Briefe Sri Aurobindos vor, darunter den folgenden:)

(Frage:) Jemand sagte X, daß Sri Aurobindo die russische Revolution durch Lenin bewirkt habe. X sagte zu Y, die Leute hier seien zu leichtgläubig und glaubten solche Dinge. Y sagte, wenn es möglich sei, gefährliche Krankheiten des Körpers durch yogische Kräfte zu heilen, warum sollte es dann nicht möglich sein, auf den Geist einer anderen Person einzuwirken und ungeheure vitale Kräfte in sie zu gießen, die ein Ergebnis wie die russische Revolution herbeiführen könnten?

(Antwort:) Die Äußerung X gegenüber ist nicht ganz richtig; sie rückt die Dinge in eine allzu physische Form. Eine spirituelle und okkulte Funktion stellt Kräfte zur Verfügung und kann über jene wachen, die an einem Weltereignis beteiligt sind, aber wenn man es so ausdrückt, macht man die tatsächlichen Mitwirkenden zu sehr zu Automaten, was sie nicht sind.

25. Januar 1937

Sri Aurobindo

On Himself, XXVI.388 [[Siehe auch die deutsche Übersetzung: Sri Aurobindo Über Sich Selbst, Verlag Hinder + Deelmann. ]]

Jedenfalls leugnet Sri Aurobindo nicht, daß er etwas getan hat.

Nein. (Mutter lacht)

Willst du ein bißchen ruhig bleiben?

Ja, aber ich wollte dich etwas fragen. Durch Sujata hast du mich gebeten, etwas für das indische Radio zu schreiben.

Ja, sie baten darum. Sie möchten es auf französisch haben. Hier kann niemand französisch schreiben.

Was möchtest du, daß ich schreibe?

Ich erinnere mich nicht mehr, um was sie gebeten haben.

Sie drückten den Wunsch aus, daß man über "Sri Aurobindo und die Brüderlichkeit oder die menschliche Einheit" spreche.

Das sagten sie.

Willst du das?

Ja ... Das ist nicht für Pondicherry: Sie wollen es nach Delhi schicken. Delhi wird es in alle französisch sprechenden Länder senden, überall in der Welt. Das wird eine weltweite Botschaft für Sri Aurobindos Jahrhundertfeier sein. Sie wollen es überall senden - überall, wo man französisch spricht.

Glaubst du nicht, daß es in dem Fall interessanter wäre, ein allgemeineres Thema zu nehmen: über das zu sprechen, was Sri Aurobindo repräsentiert.

Ich glaube, das kannst du tun - sie waren nicht sehr explizit. Sagten sie, wie lang es sein soll?

Zehn Minuten.

Zehn Minuten ist nichts.

Das ist lange! Zehn Minuten sind viel!

Ja, es ist besser, so etwas zu nehmen - ein Thema, das die gesamte Welt interessiert.

Im Grunde wäre es gut zu sagen: "Sri Aurobindo kam, um der Welt zu sagen, welch wunderschöne Zukunft sich realisieren soll." Und das dann ausführen.

"Er kam, um nicht bloß eine Hoffnung zu geben sondern die Gewißheit der Pracht, auf die sich die Welt zubewegt ..." Das bestätigen alle Erfahrungen, die ich in letzter Zeit hatte. Und ich sehe Sri Aurobindos Briefe: eben das sagt er. "Die Welt ist kein Unglücksfall; sie ist ein Wunder, das sich auf seinen Ausdruck hinbewegt."

Und dann Zitate Sri Aurobindos zu diesem Thema bringen. Ich glaube, dies braucht die Welt jetzt am dringendsten: ein Wort, das ihr eine Vorstellung dessen gibt, was zu realisieren ist - und was sich realisieren wird. Und in jedem den Wunsch erwecken, mitzuarbeiten.

Selbst verstehen und es an die anderen weitergeben.

Die Welt braucht die Gewißheit der Schönheit - der zukünftigen Schönheit. Und Sri Aurobindo gab dafür die Zusicherung.

Etwas in der Art.

Sie ließen mich darum bitten. Ich schaute und sah nur dich, der das sagen könnte - sie möchten, daß es gesprochen wird. Hast du gehört, wie du für mich gesprochen hast [die letzte Botschaft im Radio]?

Ja.

Das war sehr gut. Es war sehr klar, deshalb dachte ich, du könntest das tun.

Gut, ich werde das tun und es dir vorlesen.

Wenn es dich ermüdet, dann sag es mir.

Nein, nein, liebe Mutter! Ich fühle mich sehr wohl.

Möchtest du es nicht bequemer haben?

Ich habe es sehr bequem!

(Meditation)

Mein Kind!

***

Dezember

1. Dezember 1971

Nichts Neues von deiner Seite?

Ich bin dabei, eine neue Person zu werden ... Aber ...

Es ist interessant.

(Mutter geht in sich)

Verstehst du, ich erlebe gerade die Transformation der Natur. Wenn ich nichts zu tun habe und sehr ruhig bleibe, ist das sehr deutlich. Ich sehe drei Dinge: die Natur, die sich transformiert, oder vielmehr die neue Natur, sozusagen die supramentale Art und Weise, die Dinge zu sehen (das wird immer klarer - es bleibt nur noch die Erinnerung an die alte Natur, die immer schwächer wird, so daß es fast unglaublich und phantastisch erscheint, so gewesen zu sein). Dann ist da der physische Verfall, der vom Alter herrührt: zum Beispiel die physische Unfähigkeit, das zu tun, was ich früher tat, der alternde Körper - doch diese Alterung ist REIN physisch, das heißt, ich bleibe den ganzen Tag da sitzen und habe Schwierigkeiten, mich zu bewegen, Dinge dieser Art, aber im Hinblick auf die Wahrnehmung oder das Bewußtsein besteht keine Minderung, im Gegenteil: das wird immer klarer und präziser. Aber ich habe zum Beispiel Schwierigkeiten zu sprechen (Mutter berührt ihren Brustkorb, sie ist außer Atem), es ist schwierig für mich zu sprechen; ich kann nicht frei sprechen, das ist schwierig. Dinge dieser Art. Das ergibt drei Dinge.

Wenn ich sehr ruhig bleibe (nachts zum Beispiel), wird das neue Bewußtsein immer klarer, aber es kann sich noch nicht leicht durch Worte ausdrücken, denn ... es ist eine Art von ... (wie soll ich sagen?), es ist fast wie ein neues Mental, das sich formt (aber es ist nicht mental). Das Sprechen, die Worte ... sind ein schlechtes Mittel, während die direkte Kommunikation immer präziser und stärker wird. Deshalb kann ich nicht sprechen. Das ist rein physisch. Aber die Basis für das Gleichgewicht, d.h. für die physische Gesundheit, ist dabei, sich zu verändern, das heißt, sie verlagert sich: Das, was die Bedingung für eine gute Gesundheit war, ist es fast gar nicht mehr und wurde durch diese andere Bedingung ersetzt, die sich einzurichten beginnt, aber noch nicht da ist. Alles ist eben dabei ... (ungefestigte Geste), alles ist nicht mehr dies und noch nicht das. So ist das. Es ist unaussprechlich. Deshalb kann ich es nicht ausdrücken.

(Schweigen)

Ich sehe das auf sehr interessante Weise in meiner Art, die Dinge zu verstehen; zum Beispiel, was Sri Aurobindo geschrieben hat, das ist jetzt GANZ anders ... Fast als hätte man vorher durch einen Vorhang geschaut, und jetzt ist dieser Vorhang dabei zu verschwinden - er ist noch nicht vollständig gefallen, aber er ist nicht mehr ganz da.

Aber du siehst, das Sprechen nimmt mir den Atem - ohne besonderen Grund, nur weil ... weil es nicht mehr natürlich ist.

(Schweigen)

Die Art und Weise, Zeit und Raum wahrzunehmen, wird ganz anders. Sie ist dabei, sich völlig zu verändern. Begriffe wie Zeit und Raum, Objektivität und Subjektivität - ob die Dinge konkret sind oder nicht -, all das scheinen Mechanismen gewesen zu sein, Mittel, um das Bewußtsein auf eine neue Seinsweise vorzubereiten.

Die Funktionsweise des Bewußtseins beginnt sich zu verändern. Aber ich kann es nicht erklären.

(Schweigen)

Und was das Sehen betrifft, so sehe ich manchmal besser mit geschlossenen Augen als mit offenen Augen, und es ist DASSELBE Sehen: das physische Sehen, rein physisch; aber ein Physisches, das ... vollständiger zu sein scheint, ich kann es nicht ausdrücken. Zum Beispiel, wenn ich schreibe: manchmal sehe ich mit geschlossenen Augen deutlicher, was ich schreibe, wo ich schreibe, als mit offenen Augen - und es ist dasselbe, was ich sehe, aber ich sehe es ... (wie soll ich sagen?... man kann dies wortreich umschreiben, aber das mag ich nicht). Als wäre das, was man sieht, vollständiger, und es ist dasselbe, aber es enthält mehr als die rein physische Sicht.

Ich schreibe jeden Tag Geburtstagskarten, und Sri Aurobindo ... Ich wollte sagen, ich habe den Eindruck, als ließe Sri Aurobindo mich schreiben, aber so ist es nicht, es ist noch viel besser!... Wenn ich zu schreiben beginne, schließe ich die Augen und sehe besser, was ich schreibe. Champaklal gibt mir jeweils die Karten, und er sagte mir, daß ich manchmal drei oder vier Karten mit fest geschlossenen Augen schreibe, und die Schrift ist viel gerader und näher an der Stelle, wo sie sein soll.

Dahinter steht kein persönlicher Wille, keine persönliche Anstrengung, es ist ... spontan. Folglich ...

Dann ist da ein gewisses "Etwas", das sich im Körper geformt hat, um das Mental zu ersetzen, das verschwunden ist, und das seine mentalen Ausdrucksweisen hat, aber es ist sehr unvollkommen. Und für dieses "Etwas" erscheinen die mentalen Wahrnehmungen so dünn - wie eine Rinde, eine Rinde von etwas -, es ist vertrocknet, dahinter steht kein wahres Leben.

Aber da ist vor allem die Schwierigkeit zu sprechen (Mutter berührt ihre Brust). Ich weiß nicht, ich habe die gleiche Schwierigkeit beim Essen. Ich glaube nicht, daß es die Auswirkung des Alters ist, denn ich fühle mich stark: ich spüre die Kraft, es ist keine Müdigkeit, ich fühle mich gar nicht müde - es ist ... eine Veränderung. Aber das Alter erscheint als ... eine "vernünftige" Erklärung dafür. Und dann (lachend), ich weiß nicht, ob es gestern oder vorgestern war, plötzlich verstand ich, als ließe Sri Aurobindo mich verstehen, daß es in diesem fortgeschrittenen Alter gekommen ist, um den Anschein von Vernunft zu erwecken, aber daß dies so ist, um ... um mir (in meinen Beziehungen zu den Leuten) das Maximum an Ruhe zu geben.

Ich kann das nicht erklären.

Im Wesentlichen sind die Dinge, was sie sein sollen, aber das menschliche Bewußtsein ist so ... (wie soll ich sagen?) so dürftig: es fehlt ihm etwas, was bewirkt, daß wir die Dinge nicht so sehen, wie sie sind, und nicht so fühlen, wie sie sind.

Was das Hören betrifft, so habe ich etwas beobachtet: Jemand sagt mir zum Beispiel etwas mit sehr lauter Stimme, indem er viel Lärm macht - und ich verstehe NICHTS; während ich ein anderes Mal ein Geräusch, das die anderen nicht einmal wahrnehmen, sehr klar höre. [[Hier war das Tonband zu Ende, und Satprem hatte eine Reaktion von Besorgnis, die Mutter gleich bemerkte (sie spricht mit geschlossenen Augen), und sie unterbrach das Gespräch. Tatsächlich konnte Mutter nur in einer völlig transparenten Atmosphäre sprechen. ]] ... Ich brauche eine gewisse BEWU&Szlig;TE Atmosphäre, um zu hören, und diese Atmosphäre wird von den meisten gar nicht wahrgenommen.

***

4. Dezember 1971

(Am 2. Dezember, acht Monate nach der blutigen Unterdrückung in Bangladesh, startete Indien seine Generaloffensive gegen die pakistanischen Truppen.)

Man hat also den Krieg erklärt.

Es ist getan.

Ja, gestern hat es angefangen.

Aber die Minister haben in Delhi eine Broschüre über Sri Aurobindo herausgegeben, und sie baten mich um eine Botschaft. Ich schickte sie auf englisch. Hier (Mutter reicht einen Text) ist das Französische.

"Sri Aurobindo ist gekommen, um der Welt eine glorreiche Zukunft zu verkünden, und er öffnete die Tür zu ihrer Erfüllung."

(Schweigen)

Werden sie es diesmal durchziehen, ohne unterwegs stehenzubleiben?

Weiß nicht ... Es scheint ernst zu sein.

Wir erhalten Nachrichten von der Front (von einem General, der an der Front ist [[Der Befehlshaber der östlichen Division, der Mutter um Segnungen gebeten hat. ]] ). Aber heute morgen wurden die Nachrichten, glaube ich, am Radio verkündet. Man wird es dir genau sagen.

Das weiß ich. Ich hoffe nur, daß Pakistan für den 15. August 1972 aufgelöst sein wird.

Ach! Das wäre gut ... Das ist schon bald.

Hast du etwas?

Nein, liebe Mutter ... Die Schwierigkeit ist, daß die Regierenden Indiens in ihrem Bewußtsein noch nicht erkannt haben, daß Indien EINS ist; sie haben die Nichtexistenz Pakistans noch nicht erkannt, das ist das Problem.

(Mutter nickt und geht dann für zwanzig Minuten in sich)

***

(Etwas später hört sich Mutter die Lektüre verschiedener Briefe Sri Aurobindos an, sodann einen von ihr selbst während des Zweiten Weltkriegs geschriebenen Brief, die Haltung der Schüler gegenüber Hitler und den Alliierten betreffend.)

25. Mai 1941

Die Weltlage ist heute kritisch. Auch Indiens Schicksal steht auf der Waagschale. Zu einer gewissen Zeit war Indien in völliger Sicherheit, und es bestand keinerlei Gefahr, Opfer einer asurischen Aggression zu werden. Aber die Lage hat sich verändert. Die Leute und die Kräfte in Indien haben sich so verhalten, daß sie asurische Einflüsse über Indien herbeigezogen haben: diese Einflüsse haben heimtückisch gearbeitet und die vorherige Sicherheit untergraben.

Wenn Indien in Gefahr ist, kann Pondicherry nicht erwarten, außerhalb der Gefahrenzone zu bleiben. Pondicherry wird die Bestimmung des übrigen Landes teilen. Der Schutz, den ich geben kann, ist nicht bedingungslos. Es ist eine Illusion zu hoffen, der Schutz werde trotzdem über allem liegen. Mein Schutz ist da, wenn die Bedingungen erfüllt sind. Es erübrigt sich zu sagen, daß jegliche Sympathie oder Unterstützung für die Nazis (oder irgendeines ihrer Verbündeten) automatisch den Schutzkreis durchbricht. Abgesehen von diesem offensichtlichen äußeren Faktor müssen gewisse grundlegende psychologische Bedingungen erfüllt sein. Das Göttliche kann nur jenen Schutz zukommen lassen, die mit ihrem ganzen Herzen dem Göttlichen treu sind, die wirklich im Geist der Sadhana leben und die ihr Bewußtsein und ihre Aufmerksamkeit auf das Göttliche und den Dienst für das Göttliche richten. Begierden und das Verhaftetsein an Vorlieben und Bequemlichkeiten, alle Bewegungen der Heuchelei, Unaufrichtigkeit und Lüge sind große Hindernisse, die den Schutz des Göttlichen verhindern. Wenn ihr dem Göttlichen euren Willen aufzwingen wollt, ist es, als ob ihr eine Bombe herbeiruft, die auf euch fallen wird. Ich sage nicht, daß die Dinge sich notwendigerweise so ereignen werden, aber es ist sehr wahrscheinlich, daß sie geschehen werden, wenn die Leute nicht bewußt und höchst wachsam werden und wenn sie nicht im wahren Geist eines spirituellen Suchers handeln. Wenn die psychologische Atmosphäre hier dieselbe bleibt wie die der äußeren Welt, kann es keine Schutzmauer geben, um die dunklen Kräfte aufzuhalten, die all die quälenden Gefahren, Leiden und Zerstörungen aussäen.

Mutter

Ich möchte sagen: It is terribly to the point! [Es ist von erschreckender Aktualität.]

Genau, was ich gerade sehe ... Wäre es von Sri Aurobindo, würde ich sagen: Veröffentliche es!

Mir scheint, man sollte den Brief unter den gegebenen Umständen veröffentlichen.

Ich hätte das jetzt schreiben können.

Willst du diesen Brief im nächsten Bulletin veröffentlichen, mit dieser Bemerkung: "It is terribly to the point"?

Im Bulletin? Aber im Bulletin wird nie über Politik gesprochen.

Aber das ist keine Politik: Dies sind die Weltgeschehnisse!

(Mutter lacht) Man könnte meinen, es sei jetzt geschrieben worden.

Im Februar, gut.

(Schweigen)

Liebe Mutter, wird dieser große Aufruhr jetzt deine Arbeit für die Transformation beeinträchtigen?

Das weiß ich nicht.

Ich erinnere mich, daß Sri Aurobindo gesagt hatte, der Krieg habe 1939 seine Arbeit an der Transformation unterbrochen ...

Ja, ja.

Heißt das ...?

(Schweigen)

Wir werden sehen, ich weiß es nicht.

Eine Schülerin (die noch nichts über die im Radio angekündigte Neuigkeit wußte) hatte letzte Nacht einen Traum. Im Traum sah sie Armeen, die in die Schlacht zogen (sie wußte nicht, daß ein Krieg bevorstand, sie befand sich ganz außerhalb der Umstände), indische Armeen, die in den Kampf zogen - sie schaute näher und sah, daß alle Soldaten mein Gesicht hatten.

Das ist interessant.

Sie ließ es mir heute morgen ausrichten, und sie wußte noch nicht, daß der Krieg ausgebrochen war. Bis jetzt stört es noch nicht. Aber wir werden sehen.

Sujata sagt, sie habe den Eindruck, daß die Transformation jetzt so stabil geworden ist, die Basis so fest etabliert ist, daß, was auch immer geschieht, sie nichts mehr stören kann.

Ich habe auch ein wenig diesen Eindruck, aber ...

Hat sich vielleicht deshalb der Krieg so lange verzögert ...

Ja.

... Um zu warten, daß alles wirklich gefestigt sei.

Das ist möglich.

Das ist möglich. Oh, ich lebe immer mehr in einer ... es ist mehr als eine Überzeugung: in einer offensichtlichen Gewißheit, daß die Dinge das Ergebnis der göttlichen Weisheit sind.

Selbst, wenn man auf die Nase fällt?

Selbst, wenn man auf die Nase fällt - das ist das Beste, was einem passieren kann.

Immer?

Immer.

Selbst wenn man sich täuscht?

Selbst, wenn man sich täuscht ... Man kann sich auf verschiedene Arten täuschen. Ich kann das nicht erklären ... Ich sah auch, daß gerade dieses Gefühl, sich zu täuschen oder Opfer eines Unfalls zu sein oder all das, nötig ist - dieses Gefühl in einem ist nötig, damit alles genau so geschieht, wie es soll. Nur jene (wie soll ich sagen?), die die Bestimmung oder die Rolle haben, die Wahrheit zu sehen oder die Wahrheit zu leben, jene tun dies in jedem Fall ... Ich kann es nicht erklären.

(Schweigen)

Ich könnte sagen, daß meine materiellen Fähigkeiten durch das Alter schrecklich vermindert wurden, aber ich sehe, warum das so ist, warum dieses fortgeschrittene Alter abgewartet werden mußte.

Ja, das verstehe ich: Wenn es dir mit dreißig Jahren zugestoßen wäre, hätte niemand die physische Prüfung verstanden, die du durchstehen mußtest - denn es ist, als ob der Körper sterben müßte, um auf die andere Seite überzugehen ...

Ja, ja. Ja. Ach! Der Körper weiß das sehr genau.

Wenn es dir in jungem Alter zugestoßen wäre, hätte das niemand verstanden ...

Ja.

Während man es jetzt dem Alter zuschiebt.

Ja, man schreibt es dem Alter zu.

So wirkt es vernünftig.

(Mutter lacht, Schweigen)

Mein Körper ist in diesem Zustand (Mutter öffnet die Hände): "Was Du willst ..." - aber nicht einmal mit Worten.

(langes Schweigen)

Ja, alles ist Teil eines göttlichen Plans.

Ja, ja.

Nur die Notwendigkeit zu kämpfen läßt uns sagen: "Dies ist böse, jenes ist nicht so ..."

Ja, ja.

... Das ist ein "Irrtum", man "täuscht" sich - weil man kämpfen muß.

Ja, das ist der Grund: weil man kämpfen MU&Szlig;. Und hätten wir nicht diese Illusion, würden wir passiv bleiben - passiv und lächelnd. Weißt du, etwas im Bewußtsein lächelt jetzt über alles - ich weiß es sehr wohl -, aber ich sehe auch, daß es physisch noch nicht so sein soll.

Ja.

Wir befinden uns noch in der Zeit des Kampfes.

(Satprem schickt sich an zu gehen)

Jetzt hat der Körper die Überzeugung, daß er nur dann, wenn er sterben müßte, aufhörte, sich zu transformieren. Das ist unmöglich. Nur irgendein gewaltsamer Tod, ein "Unfall" (etwas von der Art) könnte die Transformation aufhalten, ansonsten vollzieht sich die Arbeit stetig, stetig ... (Geste eines unwiderstehlichen Vormarsches). So ist es, dies ist die Überzeugung des Körpers: daß ihn nur etwas Gewaltsames aufhalten könnte - und falls das eintritt, ist es sicherlich so, weil es geschehen soll, aus irgendeinem Grund ..., den er nicht einmal kennen möchte, das ist ihm egal. Aber sonst weiß er, daß die Arbeit weitergehen wird, solange er da ist - immer weiter, immer weiter ... trotz allem. So ist es.

***

8. Dezember 1971

(Mutter zeigt Satprem eine Notiz, die sie gerade geschrieben hat:)

Unser menschliches Bewußtsein hat Fenster, die sich zum Unendlichen hin öffnen. Aber meistens halten die Menschen diese Fenster fest geschlossen. Wir müssen sie weit öffnen und das Unendliche frei in uns eindringen lassen, um uns zu transformieren.

Zwei Bedingungen sind nötig, um diese Fenster zu öffnen:

1. Eine brennende Aspiration

2. Eine fortschreitende Beseitigung des Egos.

Die göttliche Hilfe ist denen gewiß, die sich aufrichtig an die Arbeit machen.

***

(Mutter schaut lange auf den Bereich oberhalb von Satprems Kopf, als sähe sie etwas. Dann geht sie in sich.)

Was hast du gesehen?

(Mutter schüttelt mehrmals den Kopf und geht wieder in sich)

Eine beständige Arbeit vollzieht sich gerade. Ich sehe, daß dieser Körper sozusagen als ... (als was?) als Verbindungspunkt dient (Geste eines durch Mutter hindurchführenden Kanals), in der Art. Aber ohne sein Wissen. Denn es ist eine sehr weite Aktion - sehr weit und sehr vielschichtig -, das Bewußtsein kennt die Details nicht: es spürt nur die Kraft, die arbeitet, das ist alles. Und das ständig, Tag und Nacht, ohne Unterbrechung.

In meinen Nächten habe ich nicht den Eindruck zu schlafen. Die Zeit vergeht, ohne daß ich es wahrnehme, einfach mit dem Gefühl eines Hindurchströmens der Kräfte ... Folglich weiß ich nicht, was sie tun - ich weiß, daß sie [durch Mutter] hindurchgehen und daß sie hierhin und dorthin geleitet werden. Ich empfinde keine Neugier, nur die Empfindung, sehr ruhig zu bleiben, damit sich die Sache ungehindert vollzieht - damit nichts dem Durchgang der wirkenden Kräfte ein Hindernis entgegenstellt.

Stunde um Stunde, Stunde um Stunde, Tag für Tag ist das so. Und das Gefühl, daß die Zeit vergeht, ohne daß man es wahrnimmt. Es dauert nicht lang, es ist ...

(Mutter geht in sich)

***

11. Dezember 1971

(Zu Beginn des Gesprächs liest Satprem Mutter den Text für das indische Radio vor, um den sie ihn anläßlich der Hundertjahrfeier Sri Aurobindos gebeten hatte. Der Text wird im Addendum wiedergegeben. Dann setzt sich das Gespräch fort.)

Ich möchte dich etwas fragen, einen Aphorismus Sri Aurobindos betreffend. Als man die Aphorismen im Bulletin veröffentlichte, hattest du gesagt, man solle diesen weglassen. Es ist ein ziemlich rätselhafter Aphorismus, und ich würde ihn gern verstehen. Und weil wir eine Gesamtausgabe aller Aphorismen herausgeben, wollte ich wissen, ob wir ihn veröffentlichen sollen oder nicht ... Sri Aurobindo sagt folgendes:

76 - Europa rühmt sich seiner praktischen und wissenschaftlichen Organisation und Effizienz. Ich warte darauf, daß seine Organisation perfekt ist, dann wird ein Kind es zerstören.

Wo hat er das geschrieben?

In den Aphorismen.

Ja, aber er hat kein spezielles Buch geschrieben: sie wurden hier und da gesammelt.

Nein, nein, liebe Mutter! Ganz und gar nicht. Sri Aurobindo hatte ein besonderes Heft, in das er diese Aphorismen nach und nach eintrug.

Oh, er schrieb sie in ein Heft ...

Und dieser stand inmitten der anderen.

(nach einem Schweigen)

Ein "Kind" ...

Was hatte er zu Beginn geschrieben?

"Prides herself" [rühmt sich].

Rühmt sich ...

(Schweigen)

Ich würde ihn mit aufnehmen.

Aber was wollte er damit ausdrücken?

Ich weiß es nicht.

Natürlich kann nur die Macht zerstört werden, denn die Erde zerstört man nicht.

Ja, die Erde zerstört man nicht, aber eine Zivilisation kann man zerstören.

Ja.

Nun, er sagt: "Europa wird zerstört werden."

Ja ... aber welches Kind?

(Mutter bleibt versunken)

Im Moment weiß ich es nicht.

Ich habe den Eindruck, dies kam wie etwas absolut Wahres, eine absolut wahre Voraussage - aber ich weiß es nicht.

Du hattest gesagt, es sei besser, ihn wegzulassen [[Siehe Agenda Bd. 4 vom 28. August 1963. ]] .

Jetzt habe ich ganz im Gegenteil das Gefühl, daß man es sagen MU&Szlig;.

Aber ich glaube nicht, daß die Zeit gekommen ist - ich will sagen, für die Verwirklichung. Die Zeit ist gekommen, es zu sagen, aber noch nicht für die Verwirklichung.

"Das Kind ..." ist es vielleicht das Kind der Neuen Welt?... Mit einem Lächeln läßt es all das einstürzen.

Ja, möglicherweise - das ist möglich.

(Schweigen)

Dies enthält eine erschreckende Macht ... Etwas Ungeheures.

Du kannst dir die Macht, die darin enthalten ist, gar nicht vorstellen - als ob wirklich das Göttliche selbst spräche: "Ich warte ..." - sagte er: "I am waiting"?

Ja.

Nächstes Jahr ...

Ich werde sehen, ob etwas kommt.

***

Addendum

(Satprems Text für den indischen Rundfunk anläßlich der Hundertjahrfeier Sri Aurobindos:)

Sri Aurobindo und die Zukunft der Erde

Manchmal erblickt ein großer wandernder Gedanke die noch unerfüllten Zeitalter, ergreift die Kraft in ihrem ewigen Fluß und schleudert eine machtvolle Vision auf die Erde, die wie eine Macht ist, das wirklich werden zu lassen, was sie sieht - die Welt ist eine Vision, die wahr wird, ihre Vergangenheit und Gegenwart sind nicht eigentlich das Ergebnis eines dunklen Antriebs, der vom Grunde der Zeiten aufsteigt, mittels einer langsamen Ansammlung von Sedimenten, die uns allmählich formen - und uns ersticken und einschließen -, sondern es ist die mächtige goldene Anziehungskraft der Zukunft, die uns fast gegen unseren Willen zieht, so wie die Sonne den Lotos aus dem Schlamm zieht, und uns zu einer größeren Pracht führt, die weder unser Sumpf noch unsere Anstrengungen noch unsere Triumphe der Gegenwart hätte vorhersehen oder schaffen können.

Sri Aurobindo ist diese Vision und diese Macht, die Zukunft in die Gegenwart schleudern zu können. Für einen Augenblick sah er, und was er sah, werden die Zeitalter erfüllen, und Millionen von Menschen werden sich, ohne es zu wissen, auf die Suche nach diesem neuen, nicht wahrnehmbaren Schauer machen, der in die Atmosphäre der Erde eingedrungen ist. Von Zeit zu Zeit erscheinen große Wesen unter uns, um einen großen Quader der Wahrheit im Grabgewölbe der Vergangenheit zu öffnen. Und diese Wesen sind in Wahrheit die großen Zerstörer der Vergangenheit, sie kommen mit dem Schwert der Erkenntnis und zerschlagen unsere zerbrechlichen Reiche.

In diesem Jahr werden wir das hundertste Geburtsjahr Sri Aurobindos feiern - er ist kaum einer Handvoll Menschen bekannt, und dennoch wird sein Name noch erschallen, wenn unsere großen Männer von gestern oder heute unter ihren eigenen Trümmern begraben worden sind. Sein Werk wird von Philosophen diskutiert, von Dichtern zitiert, man spricht von seiner soziologischen Vision, von seinem Yoga - aber Sri Aurobindo ist eine lebende AKTION, ein Wort, das sich verwirklicht, und jeden Tag können wir unter tausend Umständen, die die Erde zu zerreißen und ihre Strukturen umzustürzen scheinen, den ersten Rückstrom der Kraft sehen, die er in Bewegung gesetzt hat. Zu Beginn des Jahrhunderts, als Indien noch gegen die englische Vorherrschaft kämpfte, rief Sri Aurobindo aus: "Es erfordert nicht nur eine Revolte gegen das britische Reich sondern eine Revolte gegen die gesamte universale Natur!" [[A.B. Purani, Evening Talks, S. 45 ]]

Denn das Problem ist fundamental. Es geht nicht darum, der Welt eine neue Philosophie oder neue Ideen oder sogenannte Erleuchtungen zu bringen. Es geht nicht darum, das Gefängnis wohnlicher zu gestalten oder den Menschen mit immer phantastischeren Kräften auszustatten - bewaffnet mit seinen Mikroskopen und Teleskopen bleibt der Menschenzwerg ein Zwerg, schmerzbefallen und machtlos; wir schicken Raketen auf den Mond, aber wir kennen unser eigenes Herz nicht. "Es geht darum", sagt Sri Aurobindo, "eine neue physische Natur zu schaffen, die die Wohnstatt eines supramentalen Wesens in einer neuen Evolution sein wird." [[On Himself, XXVI.112 ]] Denn "die Unvollkommenheit des Menschen ist nicht das letzte Wort der Natur, aber auch seine Vervollkommnung ist nicht der letzte Gipfel des Geistes." [[The Life Divine, XIX.763 ]] Jenseits des mentalen Menschen, der wir sind, öffnet sich die Möglichkeit eines anderen Wesens, das die Führung der Evolution übernehmen wird, so wie der Mensch eines Tages die Führung der Evolution unter den Affen übernommen hat. "Wenn das Tier ein lebendiges Laboratorium ist, in dem die Natur, wie man sagt, den Menschen gebildet hat, so ist der Mensch selbst vielleicht auch ein lebendiges und denkendes Laboratorium, in dem und MIT DESSEN BEWU&Szlig;TER ZUSAMMENARBEIT die Natur den Übermenschen formen wird, den Gott". [[The Life Divine, XVIII.3 ]] Und Sri Aurobindo sagt uns, wie dieses andere Wesen, dieses supramentale Wesen, zu bilden ist - und er sagt es nicht nur, sondern er tut es, öffnet den Weg zur Zukunft, bringt den Rhythmus der Evolution auf die Erde, die neue Schwingung, die die mentale Schwingung ersetzen wird, so wie eines Tages ein Gedanke kam, um die langsame Routine der Tiere zu stören, und diese neue Schwingung wird uns die Macht geben, die Mauern unseres menschlichen Gefängnisses niederzureißen.

Und unser Gefängnis zerbricht schon: "Das Ende eines Evolutionsstadiums", verkündet Sri Aurobindo, "ist gewöhnlich gekennzeichnet durch ein mächtiges Wiederaufleben all dessen, was aus der Evolution ausscheiden muß." [[The Ideal of the Karmayogin, III.347 ]] Dieses beschleunigte Aufplatzen aller alten Formen sehen wir überall um uns herum - unsere Grenzen, unsere Kirchen, unsere Gesetze, unsere Moral brechen auf allen Seiten zusammen. Und sie brechen nicht deshalb zusammen, weil wir gemein, unmoralisch, unreligiös sind oder weil wir nicht rational genug, nicht weise genug, nicht menschlich genug sind - sondern, weil wir ans Ende des Menschseins gelangen. Die alte Mechanik ist beendet - denn wir befinden uns im Übergang zu ETWAS ANDEREM. Es ist keine moralische Krise, die die Welt erschüttert, sondern eine "evolutionäre Krise". Wir sind nicht auf dem Weg zu einer besseren oder einer schlechteren Welt - wir sind mitten in einer MUTATION zu einer radikal anderen Welt, so anders, wie sich die Welt des Menschen von der Welt der Affen im Tertiär unterschieden haben muß. Wir betreten eine neue Ära, die supramentale Epoche. Man verläßt sein Land, wandert ziellos umher, hält Ausschau nach Drogen, sucht das Abenteuer, man ruft hier zum Streik auf, stellt dort Reformen auf und wieder Revolutionen - aber in der Tat ist es nichts von alledem. Man ist auf der Suche nach dem neuen Wesen, ohne es zu wissen, man ist mitten in der menschlichen Revolution.

Sri Aurobindo gibt uns den Schlüssel. Möglicherweise entzieht sich uns die Bedeutung unserer eigenen Revolution, weil wir das Bestehende verlängern wollen - es verfeinern, verbessern, sublimer machen wollen. Der Affe wäre vielleicht demselben Irrtum anheimgefallen, als er mitten in seiner Affen-Revolution steckte, um einen Menschen hervorzubringen; er hätte vielleicht einen Superaffen hervorbringen wollen, imstande, geschickter auf die Bäume zu klettern, besser zu jagen, schneller zu laufen, ausgestattet mit größerer Wendigkeit und Schläue. Auch wir wollten mit Nietzsche einen "Übermenschen" bauen, der doch nur ein Supermensch war, oder mit den Spiritualisten einen Superheiligen, einen Ausbund an menschlicher Tugend und Weisheit. Doch wir sind der Tugenden und Weisheiten überdrüssig! Selbst auf ihren Höhepunkt getrieben, sind sie immer noch dieselbe alte vergoldete Armut, das glorreiche Gegenstück unserer hartnäckigen Misere: "Das Übermenschentum", sagt Sri Aurobindo, "ist nicht der auf seinen natürlichen Gipfel gekletterte Mensch, kein höherer Grad an menschlicher Größe, an Wissen, Macht, Intelligenz, Willen ... oder Genie ... an Heiligkeit, Liebe, Reinheit oder menschlicher Perfektion." [[The Hour of God, XVII.7 ]] Es ist ETWAS ANDERES, eine andere Schwingung des Wesens, ein anderes Bewußtsein.

Aber wenn dieses Bewußtsein nicht auf den Gipfeln des Menschlichen liegt, wo werden wir es dann finden?... Vielleicht ganz einfach in dem, was wir am meisten vernachlässigt haben, seitdem wir in den mentalen Zyklus eingetreten sind - im Körper. Er ist unsere Basis, unser evolutionäres Fundament, der alte Stamm, auf den wir immer zurückkommen und der sich uns schmerzlich in Erinnerung bringt, indem er uns leiden, altern und sterben läßt. "Diese Unvollkommenheit selbst", versichert Sri Aurobindo, "enthält die Stoßkraft zu einer höheren und vollkommeneren Perfektion. Sie enthält die äußerste Begrenztheit, die dennoch zu einem höchsten Unbegrenzten strebt. Gott ist im Schlamm eingeschlossen ... aber gerade die Tatsache dieses Eingeschlossenseins bringt die Notwendigkeit mit sich, den Ausweg aus dem Gefängnis zu finden." [[Dilip K. Roy, Sri Aurobindo Came to Me, S. 415 ]] Dort liegt das alte, niemals geheilte Übel, die niemals veränderte Wurzel, die dunkle Matrix unseres Elends, kaum anders als jene zur Zeit der Lemuren. Diese physische Substanz muß also transformiert werden, sonst wird sie nacheinander all die menschlichen oder übermenschlichen Kunstgriffe, die wir darüber stülpen möchten, zunichte machen. Dieser Körper, diese physische, zellulare Substanz enthält "allmächtige Kräfte", [[Savitri, IV.III. 370 ]] ein stummes Bewußtsein, das alle Lichter und alle Unendlichkeiten enthält, ebenso wie die mentalen und spirituellen Unermeßlichkeiten - denn in Wahrheit ist alles göttlich, und wenn der Herr des Universums nicht in einer einzigen kleinen Zelle haust, ist er nirgendwo. Dieses düstere ursprüngliche zellulare Gefängnis muß aufgebrochen werden. Und solange wir das nicht tun, werden wir uns weiter vergeblich im goldenen oder eisernen Zirkel unseres mentalen Gefängnisses drehen. "Die sogenannten absoluten Naturgesetze", sagt Sri Aurobindo ... "sind nur ein von der Natur eingerichtetes Gleichgewicht, eine Rille, in der die Natur zu arbeiten gewöhnt ist, um gewisse Resultate zu erzielen. Aber wenn man das Bewußtsein wechselt, wird sich zwangsläufig auch die Rille ändern." [[A.B. Purani, Evening Talks, S. 92 ]]

Dies ist das neue Abenteuer, zu dem Sri Aurobindo uns einlädt, ein Abenteuer ins Unbekannte des Menschen. Ob wir es wollen oder nicht, die gesamte Erde ist dabei, zu einer neuen Rille überzugehen - aber warum nicht willentlich? Warum arbeiten wir nicht mit an diesem unerhörten Abenteuer, an unserer eigenen Evolution, anstatt tausendmal dieselbe alte Geschichte zu wiederholen, anstatt künstlichen Paradiesen nachzujagen, die unseren Durst niemals stillen werden, oder jenseitigen Paradiesen, die unsere Erde samt unseren Körpern der Fäulnis überlassen. "Warum erst anfangen, wenn es bloß darum geht, hinauszukommen?" rief die Mutter aus, die das Werk Sri Aurobindos fortsetzt. "Wozu dient es, so viel gekämpft, so viel gelitten zu haben, etwas geschaffen zu haben, das zumindest seiner äußeren Erscheinung nach so tragisch und dramatisch ist, wenn es bloß darum geht, zu lernen, sich aus dem Staub zu machen - wir hätten besser gar nicht erst damit angefangen!... Die Evolution ist kein gewundener Weg, um abgekämpft an den Ausgangspunkt zurückzukommen; ganz im Gegenteil," sagt die Mutter, "es geht darum, die gesamte Schöpfung die Freude des Seins, die Schönheit des Seins, die Größe des Seins zu lehren, die Majestät eines sublimen Lebens und andauernde Entwicklung, ununterbrochen fortschreitend in dieser Freude, dieser Schönheit, dieser Größe - dann ergibt alles einen Sinn." [[Entretiens, 1958, S. 231 ]]

Dieser Körper, dieses so obskure Lasttier, das wir bewohnen, ist das Erfahrungsfeld von Sri Aurobindos Yoga - der ein Yoga der ganzen Erde ist, denn es leuchtet ein: Wenn ein einziges Wesen unter unseren Millionen Leiden es schafft, den evolutionären Sprung und die Mutation des nächsten Zeitalters in sich zu vollziehen, wird das Gesicht der Erde dadurch radikal verändert, und alle sogenannten Mächte, deren wir uns heute rühmen, werden wie Kinderspiele erscheinen angesichts dieses Strahlens des allmächtigen in einem Körper materialisierten Geistes. Sri Aurobindo sagt uns, es sei möglich - nicht nur möglich sondern unausweichlich. Es ist dabei zu geschehen. Und vielleicht hängt alles nicht so sehr von einer äußersten Anstrengung des Menschlichen ab, seine Grenzen zu überschreiten - denn dies bedeutete, auf unsere eigenen menschlichen Kräfte zurückzugreifen, um uns von diesen menschlichen Kräften zu befreien -, als vielmehr von einem Ruf, einem bewußten Schrei der Erde nach diesem neuen Wesen, das sie schon in sich selbst trägt. Alles ist schon da in unserem Herzen: die höchste Quelle, die die höchste Kraft ist - aber wir müssen sie in unseren Betonwald rufen, wir müssen unsere Richtung verstehen. Der vervielfältigte Schrei der Erde, dieser Millionen Menschen, die nicht mehr weiterkönnen, die ihr Gefängnis nicht mehr wollen, muß einen Riß schaffen, durch den die neue Schwingung einbrechen wird. Alle diese scheinbar unüberwindlichen Gesetze, die uns in ihrer vererbten und wissenschaftlichen Rille gefangenhalten, werden angesichts der Freude dieser "Kinder mit goldenen Sonnenaugen" [[Savitri, III. IV.343 ]] einstürzen. "Erhofft euch nichts vom Tod!", sagt die Mutter, "im Leben ist euer Heil. In ihm muß man sich transformieren. Auf der Erde schreitet man fort, auf der Erde verwirklicht man. Im Körper selbst erringt man den Sieg." [[Kommentare zur Dhammapada, S. 23 ]]

"Und laßt nicht weltliche Vernunft in eure Ohren flüstern", sagt Sri Aurobindo, "denn es ist die Stunde des Unerwarteten." [[The Hour of God, XVII.1 ]]

Pondicherry, 9. Dezember 1971

Satprem

***

13. Dezember 1971

(Eine Notiz von Mutter:)

Die Mitteilungen des Psychischen kommen nicht in mentaler Form. Es sind weder Ideen noch Gedankengänge. Sie haben ihren eigenen Charakter, klar unterschieden vom Mental, etwas wie ein Gefühl, das sich selbst versteht und handelt.

Das Psychische ist seiner Natur nach ruhig, gelassen und leuchtend, verständnisvoll und großzügig, weit und fortschrittlich, ständig bemüht um Verständnis und Fortschritt.

Das Mental beschreibt und erklärt.

Das Psychische sieht und versteht.

***

15. Dezember 1971

Ich habe dir diese Notiz geschickt, kann sie von Nutzen sein?

Ja, liebe Mutter, bestimmt.

"Schwere Stunden kommen auf die Erde, um die Menschen zu zwingen, ihren kleinen persönlichen Egoismus hinter sich zu lassen und sich ausschließlich dem Göttlichen zuzuwenden, um Hilfe und Licht zu empfangen. Die Weisheit der Menschen ist unwissend. Nur das Göttliche weiß."

Dies kam auf zwingende Weise.

In mir war etwas, das Frieden und Harmonie will und ... [[Mutter spielt auf den Krieg in Bangladesh an. Mutters Notiz wurde wahrscheinlich anläßlich dieses Krieges geschrieben. ]] Ich fühlte eine Art Druck, und da kam dies. Es kam auf zwingende Weise - offensichtlich und zwingend. Sonst hätten die Menschen keine Fortschritte gemacht - sie würden niemals Fortschritte machen.

(Schweigen)

Dieser Krieg nimmt mich sehr in Anspruch.

Dieser Krieg?

Ja, Tag und Nacht, Tag und Nacht ...

Leider hat man den Eindruck, daß sie im Westen [an der Westfront zu Pakistan: Kaschmir und Rajastan] nichts unternehmen wollen. Indira erklärte, daß Indien absolut nicht an der Auflösung Pakistans interessiert sei: "Not at all interested." [["Frau Gandhi erklärte, daß Indien nichts gegen Pakistan habe. Die Regierung und das Volk Indiens sind überhaupt nicht an der Auflösung Pakistans interessiert." (The Hindu, 11. Dezember 1971) ]] Sie wollen Bangladesh befreien, und das ist alles.

(Mutter bleibt lange absorbiert)

Gibt es nichts?

Nein, es ist schon spät.

Wieviel Uhr ist es?

Zwanzig Minuten nach elf.

Zwanzig nach zehn?

Nein, zwanzig nach elf.

Oh!...

Dieser Krieg ist ... Ständig, ständig bin ich damit beschäftigt.

Wir erhalten Briefe von der Front: Generäle und höhere Offiziere sagen, sie spürten ständig meine Gegenwart. Und das stimmt, ich bin dauernd damit beschäftigt.

Hat man dir erzählt, daß die Amerikaner mit ihrem "Atomschiff" gekommen sind?

Es scheint, sie sind noch nicht da. Man ist nicht ganz sicher - sie haben es geschickt, aber man ist nicht sicher [["Nicht sicher", daß sie bis Bangladesh gehen werden zur Unterstützung der im Rückzug begriffenen pakistanischen Armee. ]] .

Sie sind völlig verrückt.

Das wäre eine Katastrophe.

Aber sie sind verrückt und dumm.

Ja. Dieser Präsident müßte gestürzt werden. [[Die "Watergate-Affäre" wird sechs Monate später am 17. Juni 1972 auffliegen. ]]

Oh, ja!

Derjenige, den man an seine Stelle setzen will, ist ein Freund Indiens. Aber niemand mag diesen ... [Nixon], nur eine Minderheit folgt ihm.

Er müßte ... (Geste des Wegfegens)

Das kannst du doch arrangieren!

(Mutter lacht sehr)

... Ständig bin ich beschäftigt.

***

18. Dezember 1971

Guten Tag! In den letzten Tagen habe ich meine Taschentücher durchgesehen, hier sind drei, die ich für dich aufgehoben habe.

Geht es gut? Etwas Neues?

Im Westen haben sie aufgehört zu kämpfen [[An der Front Kaschmirs und Rajastans. Das heißt, der Weg nach Westpakistan, dem Kern des Übels. ]] .

(Mutter nickt)

Das bedeutet, daß die Sache noch nicht vorüber ist.

Es wird wieder nicht für dieses Mal sein.

Es wird nicht so geschehen. Ich habe gesehen, wie. Es kann nicht durch einen Kampf geschehen: die verschiedenen Landesteile Pakistans werden eine Trennung verlangen. Es gibt deren fünf. Indem sie sich loslösen, werden sie sich Indien anschließen - es wird eine Art von Konföderation geben. So wird es geschehen.

Ja, es wird von innen zerfallen.

So ist es. So wird es ablaufen.

Ich sah, ich erinnere mich nicht mehr, an welchem Tag (kürzlich), da hatte ich plötzlich mehrere Stunden lang Kontakt mit der göttlichen Macht und Vision - das war großartig, die Dinge wurden außerordentlich. Und am nächsten Morgen änderten sich sofort alle Nachrichten. Das war wirklich außergewöhnlich. Es kam aber nicht so, wie ich es sah, denn das wird noch Jahre brauchen ... Aber das macht nichts, es ist gut.

(Sujata kommt verspätet herein,
Mutter gibt ihr lachend die Taschentücher)

Hier sind meine Taschentücher!

Wir sind immer in Eile, weil das irdische Leben kurz ist, aber wenn man es so sieht, wie es dort gesehen wird ... (weite, umfassende Geste). Doch es ist schön und so viel besser! Es dauert länger, aber es ist viel besser.

Eines der vorhergesehenen Dinge ist die Kehrtwende Amerikas, der Vereinigten Staaten, aber das wird Zeit in Anspruch nehmen.

Die Kehrtwende der Vereinigten Staaten.

Schon jetzt steht die Mehrheit des Landes gegen den Präsidenten, aber sie muß stark genug werden, damit ... diese Politik verschwindet [[Sie wird zehn Jahre später, 1981, wieder auftauchen. ]] .

Das heißt, wie immer muß der äußerste Grad an Absurdität erreicht werden, damit die Leute verstehen, wie falsch es ist.

Ja, ja.

(langes Schweigen)

Hast du etwas?

Nichts ... Eventuell persönliche Fragen.

Gut, frage!

Ich habe den Eindruck, daß seit einem Jahr in mir keinerlei schöpferische Kraft aufkommt - keinerlei Inspiration und keinerlei schöpferische Kraft. Vor ein paar Tagen sprach ich darüber mit Sujata, und sie hatte eine Vision: sie sah zwei riesige silberne Tore, die geschlossen waren. Ich weiß nicht, aber ich fragte mich, was das bedeuten soll. Warum dieses Geschlossensein?

(nach einem langen Schweigen)

Seit einiger Zeit liegt die Betonung für dich viel mehr auf der persönlichen Transformation als auf dem Schöpferischen. Das habe ich gesehen. Und mir scheint das von kapitaler Bedeutung zu sein, verstehst du?... Ein spezieller Nachdruck auf der persönlichen Transformation. Das heißt, wenn sie vollzogen ist, wird das Schöpferische von SEHR viel höherem Rang sein, sehr viel höher.

Ich muß mir also keine Sorgen darüber machen?

Nein - im Gegenteil.

Um es auf kindliche Weise auszudrücken: Die göttliche Weisheit ist wirklich viel größer als die unsrige. Ständig beobachte ich das. Wir haben eine sehr beschränkte Sichtweise - sehr kurz und sehr begrenzt. Und die göttliche Weisheit ist ... Wenn man seine eigene Sichtweise mit der göttlichen Sichtweise vergleicht (ich drücke es ganz kindlich aus), hat man so sehr den Eindruck, nichts zu wissen.

Ja, aber praktisch gibt es zwei mögliche Haltungen dieser schöpferischen Kraft gegenüber: entweder völlig passiv zu sein und zu warten (aber ist dann diese Passivität nicht einfach eine Form von Trägheit?) oder sich so zu verhalten wie jene, die schaffen, also die Kraft rufen und ziehen. Das bedeutet, sie intervenieren aktiv, um zu schaffen.

Es gibt eine dritte Möglichkeit, und das ist die beste. Sie besteht darin, sehr aufmerksam zu sein, anstatt passiv und träge, sehr aufmerksam und sehr wach, um zu fühlen, wenn ein Impuls kommt, eine Sache zu tun, und ihm dann zu folgen. Das setzte ich in den letzten Tagen in die Praxis um, und das ist die Lösung. Die Schwierigkeit ist, eine Aktivität OHNE PERSÖNLICHE EINSCHRÄNKUNGEN zu haben - das ist eng vermischt in unserem Bewußtsein, und die Passivität, von der du sprichst, ist da, um die beiden zu trennen; hat man aber einmal die Wahrnehmung oder das Empfinden des Zustandes, wo man dem göttlichen Impuls gegenüber völlig offen ist, dann kann man der Aktion erlauben wiederzukommen. Das ist die Lösung.

Es ist sehr schwierig zu erklären, aber ich hatte die Erfahrung in diesen Tagen (gestern oder vorgestern, ganz kürzlich), die Erfahrung dieser Haltung einer unvermengten Aufnahmefähigkeit - ohne Beimischung der persönlichen Aktivität -, einer Aktivität, deren Impuls nur vom Göttlichen herrührt (für diesen Krieg, für diese Ereignisse hatte ich diese Erfahrung, und so verstand ich). Nur läßt sich das nicht erklären.

(langes Schweigen)

In der Vorausschau war da eine Föderation zwischen allen indischen Staaten und als zweites eine Umwandlung der Vereinigten Staaten. Eine Föderation zwischen den Staaten Indiens nach dem Ideal der menschlichen Einheit, wie sie von Sri Aurobindo entworfen und erklärt wurde. Die Kehrtwende der Vereinigten Staaten liegt auf derselben Linie, genau nach der Offenbarung Sri Aurobindos. Aber das wird Zeit in Anspruch nehmen.

Das kam auf zwingende Weise.

Dann hörte ich etwas, das Sri Aurobindo schrieb, wo er sagt, damit das Supramental auf der Erde manifestiert werden kann, müsse das physische Mental es empfangen und manifestieren. Und jetzt ist mir als einziges genau das physische Mental, mein körperliches Mental geblieben. Es wurde ganz deutlich, daß genau aus diesem Grund nur dieses körperliche Mental geblieben ist. Und es ist dabei, sich auf sehr schnelle und interessante Weise umzuwandeln. Dieses physische Mental [[Es sollte darauf hingewiesen werden, daß Mutters "Terminologie" noch nicht fixiert war, wahrscheinlich weil die Erfahrung gerade gelebt wurde, aber fast immer meint sie das körperliche Mental, wie es folgende Unterhaltung zeigt. ]] ist dabei, sich unter dem supramentalen Einfluß zu entwickeln. Genau das schrieb Sri Aurobindo: dies sei unerläßlich, damit sich das Supramental auf dauerhafte Weise auf der Erde manifestieren könne. [[Vielleicht spielt Mutter auf diesen Text Sri Aurobindos an: "Es gibt auch ein unscheinbares Mental, ein Mental des Körpers, ja, der Zellen, der Moleküle, der Partikel. Haeckel, der deutsche Materialist, sprach von einem Willen im Atom, und angesichts der unberechenbaren individuellen Schwankungen im Verhalten der Elektronen nähert sich die Naturwissenschaft in jüngster Zeit [Heisenberg] der Erkenntnis, daß dies keine Metapher sondern das Abbild einer geheimen Wahrheit ist. Dieses Körper-Mental besitzt eine durchaus greifbare Wirklichkeit. Aufgrund seiner Blindheit, seines hartnäckigen und mechanischen Festhaltens an vergangenen Bewegungen, durch seine Vergeßlichkeit und Ablehnung des Neuen, liegt in ihm eines der Haupthindernisse für das Eindringen der supramentalen Kraft in den Körper [das nächste Stadium, die nächste Energie] und die Transformation der Körperfunktionen. Ist das Körpermental aber einmal tatsächlich in seiner alten Form überwunden, wird es eines der wertvollsten Instrumente zur Festigung des supramentalen Lichts und der supramentalen Kraft in der materiellen Natur sein." (Letters on Yoga, XXII.340) ]]

Demnach geht es gut - aber es ist nicht einfach! (Mutter lacht) Doch es geht gut.

Ja, genau dieses Problem stellte sich mir. Du sagst, daß für mich die Betonung auf der persönlichen Transformation liege - diesbezüglich sah ich etwas. Ich "sah" oder fühlte, daß diese Transformation (der niederen Natur zum Beispiel) nur möglich ist, wenn eine Art radikaler Änderung in der Bewußtseinshaltung oder in der Sichtweise stattfindet ...

Ja.

... in der Art, die Dinge und Wesen zu sehen.

Ja, ja.

Ich fragte mich also, wie dies geschehen kann?

Eben auf diese Weise.

Es muß jedoch etwas sehr Radikales sein.

Aber es ist radikal, mein Kind! Du kannst dir das gar nicht vorstellen, es ist wie ... Ich könnte wirklich sagen, ich bin eine andere Person geworden. Nur dies (Mutter deutet auf die äußere Erscheinung ihres Körpers) ist so geblieben, sich selbst ähnlich ... In welchem Maß wird er sich ändern können? Sri Aurobindo hat gesagt, sobald das physische Mental transformiert worden sei, werde die Transformation des Körpers GANZ NATÜRLICH folgen. Wir werden sehen.

Aber könntest du mir einen Schlüssel, einen Hebel geben, um diesen radikalen Wechsel zu vollziehen?

Ach! Ich weiß nicht, denn bei mir wurde einfach alles entfernt - das Mental ist vollkommen verschwunden. Wenn du so willst, bin ich dem Anschein nach dumm geworden, ich wußte nichts mehr. Und daraus entwickelte sich ganz allmählich das physische Mental.

Ich weiß es nicht, denn die Arbeit wurde für mich verrichtet - ich selber habe nichts getan. Es geschah so, auf ganz radikale Weise. Dies konnte geschehen, weil ich mir meines Psychischen SEHR bewußt war (des psychischen Wesens, das sich über die Existenzen hin geformt hat), dort war ich sehr bewußt, und das blieb bestehen; es blieb, und dies erlaubte mir, mit den Leuten zu verkehren, ohne daß es einen Unterschied machte - dank dieser psychischen Gegenwart. Das ist der Grund, warum es allem Anschein nach sehr wenig Veränderungen gegeben hat. Ich kann also nur sagen, was ich weiß, und ich würde es so ausdrücken: Das Psychische muß im ganzen Wesen sehr "vorherrschend" bleiben - im körperlichen Wesen - und das Leben leiten. So hat das Mental Zeit, sich zu transformieren. Meines wurde einfach fortgeschickt.

Die Transformation des Körpermentals war unerläßlich, weil ich nur noch dieses hatte, verstehst du?... Wenige Leute würden das akzeptieren. (Lachend) Bei mir geschah es, ohne daß ich um meine Meinung gefragt wurde. Die Arbeit war sehr leicht.

Genau das ist geschehen.

Ich hätte gern etwas Radikales ...

(Mutter lacht)

Das ist kindisch, aber neulich sagte ich mir zum Beispiel: Wenn es mir gelänge, mit den Augen Sri Aurobindos zu sehen ...

(Mutter lacht)

Anstatt durch meine Augen zu sehen, würde ich die Dinge mit seinen Augen sehen.

Das wären aber nicht seine physischen Augen.

Ich wünschte, es wäre so. Ist das möglich?

Das heißt, mit Sri Aurobindos Bewußtsein sehen?

Ja. Aber die Wesen, die Dinge, die Umstände PHYSISCH so sehen.

Das ist möglich. Das ist möglich ... Aber würdest du akzeptieren, was bei mir eingetreten ist, das heißt, daß das Individuum, die Person, sich völlig idiotisch fühlt?

Oh, dazu bin ich bereit!

Würde es dich nicht zur Verzweiflung treiben?

Nein, nein.

Eines ist sozusagen auf permanente Weise eingetreten: die Nichtigkeit der Person - eine absolute Nichtigkeit, eine Unfähigkeit. Und dann fühlt man sich ... man fühlt sich wohl; man ist ganz natürlich wie ein Kind, man sagt zum Göttlichen: "Tue alles für mich!" (da ist nichts mehr, man kann nichts tun), und so geht alles sofort sehr gut - sofort.

Der Körper hat sich gänzlich gegeben, er hatte sogar zum Göttlichen gesagt: "Ich bitte dich, wenn ich sterben soll, laß mich meine Auflösung wollen!", damit ich mich SELBST DA nicht widersetze, wenn es nötig ist, daß der Körper stirbt - meine Auflösung wollen. Dies ist seine Haltung, er war so (Geste offener Hände). Stattdessen kam eine Art von ... (ich könnte es durch Worte ausdrücken, aber es waren keine Worte): "Wenn du das Leiden und das Unwohlsein akzeptierst, ist die Transformation besser als die Auflösung." Wenn er nun ein Unwohlsein durchmacht, akzeptiert er es.

Das trifft es nicht; was ich sage ist [unzureichend]. Das ist es nicht wirklich, aber es ist schwer zu erklären. Es ist wirklich eine neue Haltung und eine neue Empfindung, ich kann es nicht sagen.

Offensichtlich muß es für jeden anders sein ... Für mich war es sehr radikal - ich hatte keine Wahl, verstehst du: es war so, es ist so. Voilà.

Aber man muß wirklich ... Was die Sache erleichterte, war, daß das psychische Bewußtsein ganz im Vordergrund stand und das Leben beherrschte, es hat also ruhig weitergemacht, ohne sich darum zu kümmern.

Was das Sehen und Hören betrifft, merkte ich, daß es kein physisches Gebrechen war: es ist einfach so, daß ich die Leute nur verstehe und höre, wenn sie klar denken, was sie sagen. Und ich sehe nur, was ... was ein inneres Leben ausdrückt, andernfalls ist es ... verschwommen oder verschleiert. Es ist nicht so, als sähen die Augen nicht gut, es ist "etwas", etwas anderes - alles ist neu.

(Schweigen)

Genau das hatte Sri Aurobindo mir gesagt, als ich ihn gebeten hatte, fortgehen zu dürfen (wir wußten alle beide, daß einer von uns fortgehen mußte); ich sagte ihm sofort: "Ich werde gehen." Da lehnte er das ab mit den Worten: "Dein Körper ist viel besser imstande, die Arbeit der Transformation zu ertragen, als meiner." Sri Aurobindo hatte mir das gesagt. Der Körper hat es also akzeptiert, aber ...

Es ist wahr, der Körper muß WIRKLICH guten Willens sein - es trifft sich, daß meiner das ist; kein mentaler, sondern ein körperlicher guter Wille. Er akzeptiert, er nimmt alle Unannehmlichkeiten auf sich ... Auf die Haltung kommt es an, nicht auf die Konsequenzen - ich bin überzeugt, daß die Unannehmlichkeiten nicht unvermeidlich sind. Die Haltung ist wichtig. Man muß so sein (Geste offener Hände). Tatsächlich sah ich, daß in der Mehrzahl der Fälle die Hingabe an das Göttliche nicht unbedingt Vertrauen in das Göttliche bedeutet - denn man gibt sich dem Göttlichen hin, man sagt: "Selbst, wenn Du mich leiden läßt, gebe ich mich hin." Doch das ist ein absoluter Mangel an Vertrauen. Das ist interessant zu sehen: Hingabe bedeutet nicht automatisch Vertrauen; Vertrauen ist etwas anderes. Es ist ... eine Art Wissen - ein unerschütterliches Wissen, das nichts beeinträchtigen kann -, daß WIR selbst das, was im Göttlichen Bewußtsein vollkommener Friede ist, in Schwierigkeiten, in Leiden, in Elend verwandeln. Wir selbst nehmen diese kleine "Transformation" vor.

Außerordentliche Beispiele kamen ... Es bräuchte Stunden, um das zu erklären.

Die Änderung muß wirklich im Bewußtsein vollzogen werden - sogar im Bewußtsein DER ZELLEN, verstehst du?... Das bedeutet eine radikale Veränderung.

Uns fehlen die Worte, um das zu erklären, denn es existierte nicht auf der Erde - es existierte als Möglichkeit, war aber nicht manifestiert.

Alle Worte gehen daran vorbei, sie treffen es nicht.

(Schweigen)

Wenn du willst, könnte man sagen, daß man in jeder Minute den Eindruck hat, man könne entweder sterben oder ewig leben (Geste eines leichten Kippens zur einen oder anderen Seite). In jeder Minute ist es so. Und der Unterschied [zwischen den beiden Seiten] ist so unmerklich, daß man nicht sagen kann: Tut dies, und ihr seid auf dieser Seite; tut jenes, und ihr werdet auf der anderen Seite sein - das ist unmöglich. Es ist eine fast unbeschreibliche Seinsweise.

(Schweigen)

Wann bist du in den Ashram gekommen?

Vor 17 Jahren.

Hast du Sri Aurobindo getroffen?

Ja, einmal.

Am 24. November? Wann?

Ich erinnere mich nicht mehr an das genaue Datum, aber es war 1947.

Oh! 1947 - drei Jahre ... [vor seinem Tod].

Ja, ich habe ihn nur einmal gesehen.

Nur einmal?

(Schweigen, dann geht Mutter lange in sich)

Hast du etwas gefühlt?

Sehr stark deine Kraft. Die Kraft, ja.

(Mutter schüttelt den Kopf)

Ein außerordentlicher Friede. Fühlst du ihn nicht?

Ja, ich fühle die Kraft, den Frieden, die Macht ...

Mir vermittelt dieser Zustand das Bewußtsein, daß es keine Zeit mehr gibt. Ich kann es nicht erklären. Es liegt außerhalb der Zeit - es kann eine Minute sein, es kann eine Stunde sein ... etwas anderes.

(Satprem zieht sich zurück, Sujata nähert sich)

Und du? Was fühlst du?

Bei mir ist es sehr physisch, liebe Mutter.

Ja.

Physisch: ein absolutes Schweigen ...

Ah!

... Überall: innen, außen.

Es ist physisch, das ist es, es ist PHYSISCH.

Die etwas angespannten Nerven, all das entspannt sich absolut.

Ja, so ist es. Das ist gut. Das ist gut.

***

22. Dezember 1971

Dies ist meine Botschaft für Weihnachten:

Es ist Zeit, daß das Reich der Lüge ein Ende nimmt.

Allein in der Wahrheit liegt das Heil.

Und was bringst du?

Ich erhielt eine kurze Nachricht von P.L. Du hattest gesagt, die Leute der Mission müßten "beruhigt" werden. Sie belästigen uns ständig, und du hattest gesagt, man könne P.L. bitten, etwas zu tun. Daraufhin hat er etwas unternommen.

Ach!

Er sagt folgendes: "Ich habe mit Kardinal Tisserant [[Der Kardinal von Frankreich. ]] über das Problem gesprochen, das Sie mir geschildert haben. Er schreibt noch heute an den Bischof von Pondicherry, den Hinweisen entsprechend, die Sie mir gegeben haben - er ist entrüstet zu erfahren, daß Sie die Zielscheibe solcher Manifestationen und solcher unchristlicher Gefühle sind. Ich hoffe, sein Brief wird die Mission "beruhigen"."

Oh! Sie haben sich nicht mehr gerührt, das muß der Grund sein. Ich höre nichts mehr von ihnen. Ich hatte gerade gestern oder vorgestern bemerkt, daß sie sich völlig beruhigt haben. Das muß es sein. Du kannst ihm also sagen, daß im Moment alle ruhig sind.

(Mutter sucht einen Zettel auf ihrem Tisch)

Schick ihm die Weihnachtsbotschaft und dazu dies:

"Der rote Lotos ist die Blume Sri Aurobindos, aber besonders für seine Jahrhundertfeier werden wir den blauen Lotos wählen, der die Farbe seiner physischen Aura hat, um das Jahrhundert der Manifestation des Höchsten auf Erden zu bezeichnen."

***

Etwas später

Gestern oder vorgestern hörte ich mir einen Brief Sri Aurobindos an, in dem er sagt, damit das Supramental hier gefestigt werde ... Er hatte nämlich gesehen, daß das Supramental in ihn eintrat und sich wieder zurückzog - daß es nicht stabil war, und er sagte: Damit es stabil sei, muß es in das physische Mental eintreten und sich dort festigen. [[Tatsächlich meint Mutter das körperliche Mental. ]] Und diese Arbeit vollzieht sich nun seit Monaten in meinem Körper: das Mental war entfernt worden, und das physische Mental nimmt seinen Platz ein. Ich sagte dir schon, mir fiel auf, daß es alles ganz anders sieht, daß seine Beziehung zu den Dingen anders ist, und in den letzten Tagen bemerkte ich, daß dieses physische Mental - das Mental, das im Körper ist -, weit wurde, es erlangt eine Gesamtschau, und seine ganze Art zu sehen wird völlig anders (Mutter breitet ihre Arme in einer ruhigen, unermeßlichen Geste aus). Ich sah: Das ist die Arbeit des Supramentals. Und so verbringe ich außerordentliche Stunden.

Bleiben noch die Dinge, die sich widersetzen - man hat den Eindruck (ich sagte es dir schon), als heiße es in jeder Minute (und das wird immer stärker): Willst du das Leben, willst du den Tod; willst du das Leben, willst du den Tod ... Und so ist es. Das Leben ist die Vereinigung mit dem Höchsten. Und es kommt das Bewußtsein, ein VÖLLIG neues Bewußtsein. Welches so ist (Geste, mal zur einen, mal zur anderen Seite zu schwenken). Aber gestern oder vorgestern sagte der Körper plötzlich: "Nein! Schluß damit - ich will das Leben, ich will nichts anderes." Seitdem geht es besser.

Oh, man bräuchte Bände, um all das zu erzählen, was geschieht. Es ist ... außerordentlich interessant, und VOLLKOMMEN neu. Vollkommen.

(Mutter geht in sich)

Nur wegen des physischen Todes ist das Unterbewußtsein so niedergeschlagen. Das Unterbewußtsein hat den Eindruck, daß, was auch immer der Fortschritt, die Anstrengung sei, es immer damit enden wird, weil es bis jetzt immer so endete. Die gegenwärtige Arbeit besteht nun darin, zu versuchen, den Glauben und die Gewißheit der Transformation bis ins Unterbewußte eindringen zu lassen. Und das ... das ist ein Kampf in jeder Minute.

(Mutter geht die restliche Zeit in sich)

***

25. Dezember 1971

Guten Tag! Es ist das Fest des Lichtes: Weihnachten ist das Fest des wiederkehrenden Lichtes - es ist viel älter als das Christentum. (Mutter lacht) Wenn die Tage wieder länger wurden ...

Und nächsten Samstag ist der 1. Januar. Ich werde dich sehen ...

Ich hoffe, 1972 wird besser sein!

(Mutter nickt)

Mehr und mehr bin ich davon überzeugt, daß wir eine Art haben, die Dinge zu empfangen und auf sie zu reagieren, was die Schwierigkeiten SCHAFFT - davon bin ich immer mehr überzeugt. Denn ich habe wenig erfreuliche physische und materielle Erfahrungen mit dem Essen. Schon seit sehr langer Zeit habe ich überhaupt keinen Hunger mehr (ich esse nur aus Vernunftgründen, "weil man essen muß", sonst ...), aber beim Schlucken, beim Atmen treten kleine Schwierigkeiten auf (lächerliche Dinge). Und alles ändert sich je nachdem, ob man seine Aufmerksamkeit darauf richtet oder nicht; entsprechend einer Haltung (sich selbst zugekehrte Geste), wo man sich beim Leben zuschaut, oder einer Haltung (weite Geste), wo man in den Dingen, in der Bewegung, im Leben ist; schließlich eine Haltung, wo man nur dem Göttlichen Bedeutung zumißt. Wenn es einem gelingt, ständig so zu sein, existieren keine Probleme - und die Dinge sind gleich. So ist die Erfahrung: Die Sache in sich selbst ist, wie sie ist, und nur unsere Reaktion den Dingen gegenüber wechselt. Diese Erfahrung wird immer überzeugender. Es gibt drei Kategorien: unsere Haltung den Dingen gegenüber, die Dinge an sich (diese beiden verursachen immer Schwierigkeiten), und es gibt eine dritte Kategorie, wo alles in Beziehung zum Göttlichen steht, im Bewußtsein des Göttlichen - alles läuft wunderbar leicht! Ich spreche von materiellen Dingen, vom materiellen, physischen Leben (bei den psychischen Dingen weiß man seit langem, daß es so ist), aber die materiellen Dinge, d.h. die kleinen Schwierigkeiten des Körpers, die Reaktionen, die Schmerzempfindung, Umstände, die schlecht laufen, das Essen, das man nicht schlucken kann - banalste Angelegenheiten, denen man keine Aufmerksamkeit schenkt, wenn man jung und stark und in guter Verfassung ist (man beachtet sie nicht, das ist für alle gleich), wenn man aber im Bewußtsein seines Körpers lebt, in dem, was ihm geschieht, und in seiner Art, die Dinge aufzunehmen, all das, oh, was für ein Elend! Wenn man im Bewußtsein der anderen lebt, dessen, was sie wollen, dessen, was nottut, der Beziehung mit einem selbst - ein Elend! Wenn man hingegen in der göttlichen Gegenwart lebt und das Göttliche alles tut, alles sieht, alles ist ... herrscht Frieden - es ist Friede, die Zeit hat keine Dauer, alles ist leicht, und ... Nicht, daß man Freude empfände oder daß man fühlte ... Das ist es nicht. Das Göttliche selbst ist da. Dies ist die EINZIGE Lösung. Und darauf geht die Welt zu: das Bewußtsein des Göttlichen - das Göttliche, das tut, das Göttliche, das ist, das Göttliche ... der GENAU gleiche Umstand (ich spreche nicht von anderen Umständen), der GENAU gleiche Umstand. Das ist meine Erfahrung in diesen Tagen, überaus konkret: Vorgestern war ich krank wie ein Hund, und gestern waren es die gleichen Umstände, mein Körper befand sich im selben Zustand, alles war gleich und ... alles war friedlich.

Davon bin ich absolut überzeugt.

Hätte ich nicht so große Schwierigkeiten, zu sprechen ... Das erklärt alles, alles, alles.

Die Welt ist die gleiche - doch sie wird auf eine diametral entgegengesetzte Weise gesehen und gefühlt.

Alles ist ein Phänomen des Bewußtseins - alles. Dabei geht es aber nicht um dieses oder jenes oder ein drittes Bewußtsein, nein: unsere ganze menschliche Art, bewußt zu sein, muß ersetzt werden durch die göttliche Art, bewußt zu sein. Darauf läuft die ganze Sache hinaus. Davon bin ich absolut überzeugt.

(Schweigen)

Zusammenfassend könnte man also sagen: Die Welt ist in jedem Augenblick so, wie sie sein soll.

Ja.

Wir sehen sie nur falsch oder fühlen sie falsch oder empfangen sie falsch.

Das ist wie der Tod. Es ist ein Übergangsphänomen. Uns erscheint es, als wäre es schon immer so gewesen - für uns ist es seit eh und je so, weil unser Bewußtsein so ist: (Mutter zeichnet ein kleines Viereck in den Raum), wenn man hingegen dieses göttliche Bewußtsein hat, oh, dann werden die Dinge fast augenblicklich, verstehst du. Ich kann es nicht erklären.

ES GIBT eine Bewegung, ES GIBT einen Fortschritt, ES GIBT etwas, das sich für uns durch Zeit ausdrückt, das existiert, es ist etwas ... es ist etwas im Bewußtsein ... Das ist schwierig in Worte zu fassen ... Es ist wie ein Bild und seine Projektion. In etwa so. Alle Dinge SIND, und für uns ist es, als sähen wir sie auf einen Schirm projiziert: ein Bild kommt nach dem anderen. So ungefähr.

Ja, Sri Aurobindo sagte, im supramentalen Bewußtsein existieren Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nebeneinander wie auf einer einzigen Karte des Bewußtseins [["Während der Verstand von einem Augenblick der Zeit zum nächsten fortschreitet, Dinge verliert und erwirbt und wieder verliert, um sie nochmals zu finden, beherrscht die Gnosis [= das Supramental] die Zeit in einem einzigen Blick und in einer ununterbrochenen Macht, und sie verbindet Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft mit ihren unteilbaren Verbindungen in einer einzigen ununterbrochenen Karte des Wissens. Die Gnosis beginnt mit der Gesamtheit, die sie unmittelbar besitzt; sie sieht Teile, Gruppen und Details nur in Beziehung zur Gesamtheit und in einer mit ihr verbundenen Schau." Synthesis of Yoga, XX.464. ]] .

Ja, so ist es. Das ist es. Aber für mich ist dies eine Erfahrung. Für mich ist es nicht etwas, das ich "denke" (ich denke nicht), es ist eine Erfahrung. Das ist schwer zu erklären.

Die Wirkung, die es auf uns hat, die Empfindung, die wir haben, hängt ausschließlich von unserer Bewußtseinshaltung ab. Das Bewußtsein, in sich selbst zu sein oder im Ganzen zu sein ... im Ganzen zu sein, ist schon etwas besser, als egoistisch man selbst zu sein, aber das hat Vorteile und Nachteile, und es ist nicht die Wahrheit. Die Wahrheit ist ... das Göttliche als Totalität - Totalität in der Zeit und Totalität im Raum. Dieses Bewußtsein kann der Körper haben, denn mein Körper hatte es (flüchtig, einige Augenblicke lang), und während er es hat, ist alles derart ... nicht Freude, Vergnügen oder Glück, es ist nichts von alledem: eine Art glückseliger Friede ... leuchtend und schöpferisch. Das ist großartig. Nur kommt und geht es immer noch ... Wenn man daraus heraustritt, hat man das Gefühl, in ein schreckliches Loch zu fallen - unser gewöhnliches Bewußtsein (das gewöhnliche menschliche Bewußtsein will ich sagen) ist ein schreckliches Loch. Aber man weiß auch, warum es vorübergehend so war, das heißt, es war nötig für den Übergang von hier nach dort. Alles, was geschieht, ist nötig für die volle Entwicklung des Schöpfungsziels. Man könnte sagen (das ist ein hübscher Satz): Das Ziel der Schöpfung ist, daß das Geschöpf bewußt wird wie der Schöpfer. Das ist Wortemacherei, aber es geht in diese Richtung.

Das Ziel der Schöpfung ist dieses Bewußtsein des Unendlichen, Ewigen, das allmächtig ist - unendlich, ewig, allmächtig (was unsere Religionen Gott nannten: für uns, in Bezug auf das Leben, ist es das Göttliche) - Unendlich und Ewig, Allmächtig ... außerhalb der Zeit: jedes individuelle Partikel soll dieses gleiche Bewußtsein besitzen; jedes individuelle Partikel soll dieses gleiche Bewußtsein enthalten.

Die Trennung schuf die Welt, und in dieser Trennung manifestiert sich das Ewige.

Worte sind idiotisch, aber so ist es. Ich weiß nicht, ob du verstehst.

(Schweigen)

Zusätzlich (nicht als Widerspruch, sondern um es zu vervollkommnen) kommt die genaue Empfindung dessen, was man tun soll - dessen, was man sein soll, dessen, was man tun soll, und warum man geschaffen wurde. All dies ZUSAMMEN ... oh!... (Mutter hat ein glückseliges Lächeln)

Das gibt uns zugleich den Seinsgrund und das Ziel der Schöpfung - beides zugleich - und fast die Entwicklungsmethode.

(Schweigen)

Ja, es ist wie etwas, das IST, das in seiner Gesamtheit existiert und fortschreitend auf eine Leinwand projiziert wird. Und doch besteht es als Ganzes - es wird nur fortschreitend auf eine Leinwand projiziert.

(Mutter tritt in Kontemplation)

Ich habe den Eindruck, daß ich auf dem Weg bin, zu entdecken ..., welche Illusion zerstört werden muß, damit das physische Leben ununterbrochen sein kann - daß der Tod von einer ... Entstellung des Bewußtseins herrührt.

Das ist so, weißt du (Mutter macht eine Geste, als ob sie das Geheimnis erfassen würde).

Ich habe dir das schon gesagt: Manchmal scheint es mir, daß die Tatsache des fortgeschrittenen Alters die Arbeit erschwert, aber in allgemeiner Hinsicht ist es eine GROSSE Hilfe - ich habe verstanden, daß ich in jungem Alter diese Arbeit niemals hätte tun können. Wenn ich im wahren Bewußtsein bin, in dem Augenblick, wo ich im wahren Bewußtsein bin, ist die Anzahl der Jahre nichts! - Der Körper fühlt sich so jung, so voll von ... etwas anderem als "jung" (jung bedeutet für ihn unreif und unwissend). Es ist nicht das ... man steht in Verbindung mit "etwas" ..., das sich im Maße der Erfordernisse allmählich transformiert.

Unsere Sprache (oder unser Bewußtsein) ist ... unzulänglich. Später werde ich es sagen können. Etwas GESCHIEHT - mehr kann ich nicht sagen. (Mutter lacht)

Frohe Weihnachten, mein Kind!

Frohe Weihnachten, dir auch.

Das Fest des Lichtes.

***

27. Dezember 1971

(Besuch Sujatas bei Mutter)

Ein Schüler in Amerika hatte eine in einer amerikanischen Zeitschrift veröffentlichte Karikatur geschickt: eine Darstellung von Bangladesh (Ostpakistan), blutend und durchbohrt von den wütenden Hörnern der indischen "heiligen Kuh", ausgestattet mit sowjetischen Waffen. Als Sujata Mutter diese Zeichnung zeigte, fegte sie sie voller Zorn von ihrem Schoß: "Nimm das weg!" Einige Augenblicke später verlangte sie die Zeichnung zurück, nahm eine Feder und schrieb quer über das Bild: "This is disgustingly untrue" [das ist eine abscheuliche Lüge], wie man eine okkulte Handlung ausführt, um etwas zu zerstören oder zu neutralisieren.

***

29. Dezember 1971

(Eine Notiz Mutters:)

Wir befinden uns in einer entscheidenden Stunde der Geschichte der Erde. Die Erde bereitet sich auf das Kommen des Übermenschen vor, und deshalb verliert die alte Lebensweise ihren Wert. Man muß sich kühn auf den Weg in die Zukunft begeben, trotz der neuen Anforderungen. Die Kleinlichkeiten, früher geduldet, sind es heute nicht mehr; man muß sich weiten, um das zu empfangen, was geboren werden soll.

***

29. Dezember 1971

(Mutter streichelt Satprems geschwollenes Auge)

Ach, das tut nicht weh, Mutter ... Hast du Neuigkeiten?

Es geht - es geht schnell voran.

Dadurch, daß es schnell geht, wird es übertrieben (Geste eines Ziehens).

Während ein und derselben Mahlzeit esse ich zum Beispiel, ohne es überhaupt wahrzunehmen, einzig im göttlichen Bewußtsein, dann komme ich plötzlich zurück, und ich kann nicht mehr schlucken. Ich ersticke. Das ist sehr extrem, weil es schnell geht. Aber ich weiß, was es ist.

Vorhin gab ich X [[Ein Tantriker, dem Mutter jedes Jahr an seinem Geburtstag eine Meditation gibt. ]] eine Meditation. Es ist GANZ UND GAR NICHT mehr das, was es war ... (wie soll ich sagen?) Es besteht eine Art ruhiger Autorität. Aber er ist aufnahmefähig.

Die Kraft ... (Mutter schlägt ihre Hände mit einer unwiderstehlichen Geste nieder), oh, eine große Änderung hat sich vollzogen.

(langes Schweigen)

Ich habe einen Brief von Indira erhalten.

Ach, ja?

(Mutter reicht einen Umschlag)

Verehrte Mutter,

Während dieser kritischen Monate dachte ich ständig an Sie. Mir fehlen die Worte, meine Dankbarkeit für Ihre Hilfe auszudrücken. Ihre Segnungen sind eine große Kraftquelle. Unsere Schwierigkeiten sind noch nicht vorüber ....

(Mutter nickt zustimmend)

... Die amerikanische Regierung ist äußerst verärgert, daß ihre Berechnungen so völlig fehl gingen, und sie werden ihre Macht einsetzen, um uns zu demütigen, insbesondere, um eine Spaltung zwischen Bangladesh und uns selbst zu schaffen.

Ich denke, unsere Nation hat einen Schritt zur Reife getan. Aber es gibt viele, die nur das Heute ansehen. Wenn Indien groß werden soll, müssen wir die Qualität des Volksgeistes verbessern. Ich weiß, daß dies Ihr Wunsch ist.

Auf meine bescheidene Weise tue ich, was ich kann.

Mit respektvollen Grüßen,

Ihre

Indira Gandhi

Das ist gut.

Es ist gut. Ich habe folgendes geantwortet:

An Indira

Mit Segnungen.

Indien muß stolz auf Ihre Führerschaft sein.

Möge das Land seinen wahren Platz in der Welt einnehmen,

um den Weg zur höchsten Wahrheit zu zeigen.

In Liebe,

Mutter

Es ist gut, daß sie diese Richtung einschlägt.

Ja, das ist gut.

Ich dachte nicht, daß sie so ist.

(Mutter nickt)

Aber es bleiben noch viele Schwierigkeiten.

Oh!... Ein Halsabschneider ist ... [Präsident von Pakistan] geworden.

Oh! Ja, der ...

Ein wirklicher Halsabschneider. Aber er ist dabei, seine eigenen Leute zu töten. Man hat Lehrer hingerichtet, weil sie anderer Meinung waren. Er begeht scheußliche Taten in seinem eigenen Land ... Im Grunde ist dies nötig, um die Lüge der Sache aufzuzeigen [der Teilung von Pakistan und Indien].

Dennoch täuscht der neue Präsident Pakistans eine demokratische Fassade vor.

Indem er die Leute umbringt!

Mehrere Provinzen in Westpakistan revoltierten gegen die Leute, die er als Gouverneure eingesetzt hat [[Besonders in Beluchistan, in Quetta. ]] . Wir werden sehen.

(Schweigen)

Die Dinge gehen schnell voran.

Ich empfinde sie als sehr knirschend.

Oh ... es geht schnell. Je schneller es vorangeht, um so größer ist das Ziehen.

Ich brauche deine aktive Hilfe.

Geht es dir nicht gut?

Es ist schwierig.

(langes Schweigen)

Für mich war der schnellste Weg ... (wie soll ich sagen?) die wachsende Empfindung meiner Nichtigkeit - meiner Nichtexistenz. Nichts können, nichts wissen, nichts wollen; das GANZE Wesen mit ... es ist keine Aspiration mehr, es ist so (Geste der Hingabe, offene Hände), das ist unvermeidlich: "Ohne das Göttliche, nichts - ich bin nichts, ich verstehe nichts, ich kann nichts. Ohne das Göttliche, nichts." Und so sein (gleiche Geste mit offenen Händen). Und dann ... ein Friede ... ein leuchtender Friede ... und so mächtig! Und wenn ich ruhig bin ... Das sah ich auf sehr interessante Weise, denn früher, wenn ich X eine Meditation gab, bedeutete das immer eine Anstrengung - eine Anstrengung, um zu meditieren, eine Anstrengung, um zu ... Und diesmal ... (Mutter senkt ihre Hände) zwingt es sich auf. Eine Gegenwart, die sich aufzwingt. Außergewöhnlich ... Da fragte ich mich, wie diese Meditation verlaufen wäre, wenn es wie vorher gewesen wäre - überhaupt nicht, es ist so: (Mutter schlägt ihre Hände nieder).

So geht es gut.

Aber zuerst muß man von einer absoluten Aufrichtigkeit sein, das heißt, die ÜBERZEUGUNG: man ist nichts, man kann nichts, man weiß nichts, man hat absolut NICHTS ... (Mutter hebt einen Zeigefinger) nur das Göttliche. Dann geht es gut.

Ich sagte es dir schon, das ist so stark, daß ich in manchen Augenblikken nicht einmal essen kann. Wenn es so ist, wenn das Bewußtsein so kommt (Geste der Hingabe, offene Hände), beende ich mein Essen, ohne es zu merken ... Das ist unaussprechlich. Aber es ist wunderbar.

Man darf allerdings keine Angst haben - wenn man Angst hat, wird es schrecklich. Glücklicherweise hat mein Körper keine Angst.

(Schweigen)

Es ist etwas schwierig, ja, aber ... (Mutter nimmt Satprems Hände)

(Schweigen)

Das nächste Mal ist der 1. Januar.

Ja, liebe Mutter, Samstag, der erste - eine Chance [[Eine Chance, daß das Datum des nächsten Treffens auf den ersten Tag des Jahres fällt. ]] .

(Mutter lächelt) Ja, es wird gehen.

Ja?

(Meditation, dann ein so schönes Lächeln,
und Mutter reicht das Foto von 1972,
wo sie einem lächelnden chinesischen Baby ähnelt)

Hast du das?

Oh, das ist sehr charmant!

***

Ohne Datum

(Seit ungefähr August zirkulierte die folgende Botschaft im Ashram und in Auroville. Es ist interessant festzustellen, daß der Text eine abgeänderte Version eines viel älteren Manuskriptes ist, das Mutter Satprem gegeben hatte. Unten der Originaltext:)

Die Aufgabe, Sri Aurobindos Vision eine konkrete Form zu geben, wurde Mutter anvertraut. Die Schaffung einer neuen Welt, einer neuen Menschheit, einer neuen Gesellschaft, die das neue Bewußtsein ausdrückt und verkörpert, ist die von ihr unternommene Aufgabe. Der Natur der Dinge nach ist es ein kollektives Ideal, das nach einer kollektiven Anstrengung ruft, um sich in Form einer allumfassenden menschlichen Vervollkommnung zu verwirklichen.

Der von Mutter gegründete und aufgebaute Ashram war der erste Schritt zur Verwirklichung dieses Ziels. Das Projekt Aurovilles ist der nächste, mehr nach außen gerichtete Schritt im Versuch, die Basis für dieses Unternehmen zu erweitern und Harmonie zwischen Seele und Körper, Geist und Natur, Himmel und Erde im kollektiven Leben der Menschheit zu begründen.

***

(Original-Manuskript)

(Erste Version:) Die Aufgabe, der Vision Sri Aurobindos eine konkrete Form zu geben, wurde Mutter anvertraut.

(Zweite Version:) Die Aufgabe, Sri Aurobindos Vision zu vollenden, wurde Mutter anvertraut. Die Schaffung einer neuen Welt, einer neuen Menschheit, einer neuen Gesellschaft, die das neue Bewußtsein ausdrückt und verkörpert, ist die von ihr unternommene Aufgabe. Der Natur der Dinge nach ist dies ein Ideal, denn der Zustand der Natur, der das erfordert, muß überschritten werden.

Wir sehnen uns nach der Zeit, wo Sri Aurobindo nicht mehr sterben muß.

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